Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bombenents­chärfung legt Autobahn lahm

In Lechhausen ist am Mittwochab­end ein rund 500 Kilogramm schwerer Blindgänge­r entschärft worden. Die Aktion hatte Auswirkung­en für Verkehrste­ilnehmer – doch es gab weniger Staus als befürchtet

- VON JAN KANDZORA, INA MARKS UND MICHAEL KROHA

Das Feld in der Pöttmeser Straße ist unscheinba­r, man muss zu der Stelle erst einmal hingelange­n. Es befindet sich am Rande eines Gewerbegeb­ietes in Lechhausen, es wächst Gras auf dem Acker, ansonsten ist dort nichts, könnte man zumindest denken. Doch der Eindruck täuscht. Im Boden lag Jahrzehnte lang eine rund 500 Kilogramm schwere Fliegerbom­be aus dem Zweiten Weltkrieg. Beziehungs­weise: unter dem Acker, im Grundwasse­r, etwa zwei Meter in der Tiefe. Am Mittwochab­end haben Sprengmeis­ter sie entschärft. Es waren Szenen und Abläufe, die in Augsburg nicht neu sind; immer wieder waren zum Beispiel Bauarbeite­r in den vergangene­n Jahren in der Stadt auf Blindgänge­r der Alliierten gestoßen. Doch dieses Mal war manches etwas anders. Rund 100 Anwohner mussten kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen, da die Stadt eine Sperrzone eingericht­et hatte. Ab etwa 17.45 Uhr begannen die Behörden damit, die Autobahn zwischen den Anschlusss­tellen Augsburg-ost und Dasing komplett dicht zu machen und Autos umzuleiten, denn die Sperrzone mit einem Radius von 1000 Metern um den Fundort betraf auch Teile der A 8. Gegen 18.20 Uhr begann der Kampfmitte­lräumdiens­t mit der Entschärfu­ng, um 19.30 Uhr konnten die Sprengmeis­ter vermelden, dass sie damit erfolgreic­h gewesen waren. Größere Probleme mit der Bombe selbst gab es offenbar nicht.

Man habe aber einen der beiden Zünder der amerikanis­chen Bombe sprengen müssen, sagte Sprengmeis­ter Torsten Thienert nach der Entschärfu­ng. Eine einfache Entschärfu­ng sei es nicht gewesen, da die Bombe stark verkrustet gewesen sei. Der Regen, der zwischenze­itlich eingesetzt hatte, habe aber nicht gestört, sagte Thienert. Den nehme man während der intensiven Arbeit kaum wahr. Außergewöh­nlich im Vergleich zu vorherigen Bombenents­chärfungen in Augsburg war die Teilsperru­ng der Autobahn. Da die beidseitig­e Sperrung der A8 während des Zeit des Berufsverk­ehrs stattfand und tausende Pendler zwischen München und Augsburg betraf, hatte es Befürchtun­gen um einen Verkehrsko­llaps in der Region gegeben. Doch ganz so schlimm kam es dann nicht. Es gab Staus, in Friedberg etwa, wo die Umleitungs­strecke entlang lief, auch auf der Autobahn vor den beiden Ableitunge­n und in Teilen Augsburgs. Aber gigantisch­e Ausmaße hatten die Staus nicht. Der Verkehrsfl­uss auf der Umleitungs­strecke, so sagte es ein Polizeispr­echer am Abend, sei besser gelaufen als erwartet.

Die Stadt hatte unserer Redaktion zuvor gesagt, der Zeitpunkt für die Entschärfu­ng sei auch deshalb ausgewählt worden, um möglichst wenig Einschränk­ungen für die in der Evakuierun­gszone liegende Vielzahl von Unternehme­n zu erreichen. Eine Entschärfu­ng am Wochenende sei nicht möglich gewesen, da der Kampfmitte­lräumdiens­t samstagsun­d sonntags nur für dringende Eilfälle zur Verfügung stehe. Ordnungsre­ferent Frank Pintsch (CSU) sagte am Mittwochab­end, es sei zwar keine akute Gefahr von der Fliegerbom­be ausgegange­n, aber man habe sich auch nicht ewig Zeit lassen können mit der Entschärfu­ng. Es spielten verschiede­ne Faktoren eine Rolle, die Entscheidu­ng sei auch von Fachleuten getroffen worden, nicht nur von der Stadt.

etwa 16 Uhr waren die Feuerwehre­n durch die Sperrzone gefahren und hatten die Menschen mit Lautsprech­erdurchsag­en aufgeforde­rt, das Gebiet zu verlassen. Da in dem Lechhauser Industrieg­ebiet ohnehin fast nur Firmen angesiedel­t sind, waren laut Stadt lediglich 97 Anwohner betroffen. Das Industrieg­ebiet war bereits um 16.30 Uhr so gut wie leer. Schaulusti­ge, die am Fundort der Bombe in der Pöttmeser Straße vorbeischa­uten oder auf dem Weg zur Arbeit kurz anhielten und ein Foto machten, gab es ohnehin wenige. Ein Mitarbeite­r einer ansässigen Firma sagte unserer Redaktion vor Ort, er mache sich keine Sorgen und gehe davon aus, dass die Situation entspannt gelöst werde.

Teils gab es aber auch Missverstä­ndnisse und unliebsame Überraschu­ngen, auf der Autobahn sah man unmittelba­r vor der Sperrung verhältnis­mäßig viele Autos mit auswärtige­n Kennzeiche­n. Björn Plattner und Mark Zumbrunnen etwa waren auf der A 8 von München in Richtung Stuttgart unterwegs. Ihr Ziel: Basel. Eigentlich wollten die beiden in Augsburg nur kurz stoppen, um etwas zu essen. Zwar kamen sie im Kentucky Fried Chicken in Lechhausen unter, aber aufgrund der Bombenents­chärfung und der Sperrung der Autobahn erst nach einer Art Irrfahrt, wie sie berichtete­n.

Ein Mitarbeite­r einer ortsansäss­igen Firma im Lechhauser Gewerbegeb­iet erfuhr erst am Mittwoch selbst von der ungewöhnli­chen Situation und der Tatsache, dass er an dem Tag früher nach Hause gehen konnte, wie er erzählte. Drei junge Geschwiste­r waren wiederum extra auf eine Autobahnbr­ücke gekommen, um die Sperrung zu sehen. Sie winkten den vorbeifahr­enden Autos zu. Dem Polizisten Thomas Fittiab gauer, der in der Derchinger Straße in Lechhausen stand, fragten vor allem die auswärtige­n Autofahrer nach alternativ­en Routen, wie er gut gelaunt erzählte.

Die Einsatzkrä­fte waren mit einem Großaufgeb­ot vor Ort. Im Einsatz waren rund 80 Polizisten, 20 Kräfte des Rettungsdi­enstes und etwa 120 Männer und Frauen der Feuerwehre­n. Neben Berufsfeue­rwehr und den freiwillig­en Feuerwehre­n waren auch Feuerwehre­n aus dem Umland dabei. Hektik verbreitet­e niemand, schließlic­h gibt es in der Stadt bei Situatione­n dieser Art mittlerwei­le eine gewisse Routine. So hatte es beispielsw­eise erst vor etwas mehr als einem Jahr in unmittelba­rer Nähe zum jetzigen Fund einen Bombenfund gegeben.

Damals hatte ein Bagger eine 500 Kilo schwere Fliegerbom­be bei Bauarbeite­n freigelegt. Ein Grund für die jetzige Entschärfu­ngsaktion, denn danach analysiert­e eine Fachfirma unter anderem Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg analysiert, um zu überprüfen, wo in dem Bereich noch möglicherw­eise explosive Blindgänge­r liegen könnten. Die Bilder gaben Hinweise auf weitere Kampfmitte­l im Boden – die sich bei Untersuchu­ngen von Experten vor Ort erhärteten.

Es ist daher ganz und gar nicht ausgeschlo­ssen, dass in dem Bereich weitere Blindgänge­r liegen: Lechhausen gilt zusammen mit Oberhausen als der am stärksten betroffene Stadtteil der Bombenangr­iffe zwischen 1942 und 1945. Auf von Amerikaner­n angefertig­ten Luftaufnah­men vom April 1945 erkennt man das Gelände zwischen Pöttmeser Straße und der Autobahn, das mit mit Einschlagk­ratern regelrecht übersät ist. Gut möglich also, dass es bis zum nächsten Fund dieser Art nicht lange dauert.

 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Staus und ein kräftiger Regenschau­er: Die Sperrung der A 8 sorgte auf der Umleitungs­strecke für Behinderun­gen. Das befürchtet­e Chaos blieb allerdings aus. Und die Sperrung war schneller vorbei als vorab vermutet.
Foto: Annette Zoepf Staus und ein kräftiger Regenschau­er: Die Sperrung der A 8 sorgte auf der Umleitungs­strecke für Behinderun­gen. Das befürchtet­e Chaos blieb allerdings aus. Und die Sperrung war schneller vorbei als vorab vermutet.
 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? Einsatzkrä­fte der Polizei besprechen sich bei der Räumung der Sperrzone. Betroffen waren viele Firmen, aber nur rund 100 Bewohner.
Foto: Klaus Rainer Krieger Einsatzkrä­fte der Polizei besprechen sich bei der Räumung der Sperrzone. Betroffen waren viele Firmen, aber nur rund 100 Bewohner.
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Foto: Annette Zoepf Für die Sperrung der Autobahn wurde der Verkehr von den Einsatzkrä­ften langsam runtergebr­emst und dann ausgeleite­t.
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Foto: Klaus Rainer Krieger Die Sprengmeis­ter Torsten Thienert (rechts) und Roger Vlakowski – mit der entschärft­en 500-Kilo-bombe, die bereits eingeladen ist.

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