Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bombenentschärfung legt Autobahn lahm
In Lechhausen ist am Mittwochabend ein rund 500 Kilogramm schwerer Blindgänger entschärft worden. Die Aktion hatte Auswirkungen für Verkehrsteilnehmer – doch es gab weniger Staus als befürchtet
Das Feld in der Pöttmeser Straße ist unscheinbar, man muss zu der Stelle erst einmal hingelangen. Es befindet sich am Rande eines Gewerbegebietes in Lechhausen, es wächst Gras auf dem Acker, ansonsten ist dort nichts, könnte man zumindest denken. Doch der Eindruck täuscht. Im Boden lag Jahrzehnte lang eine rund 500 Kilogramm schwere Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Beziehungsweise: unter dem Acker, im Grundwasser, etwa zwei Meter in der Tiefe. Am Mittwochabend haben Sprengmeister sie entschärft. Es waren Szenen und Abläufe, die in Augsburg nicht neu sind; immer wieder waren zum Beispiel Bauarbeiter in den vergangenen Jahren in der Stadt auf Blindgänger der Alliierten gestoßen. Doch dieses Mal war manches etwas anders. Rund 100 Anwohner mussten kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen, da die Stadt eine Sperrzone eingerichtet hatte. Ab etwa 17.45 Uhr begannen die Behörden damit, die Autobahn zwischen den Anschlussstellen Augsburg-ost und Dasing komplett dicht zu machen und Autos umzuleiten, denn die Sperrzone mit einem Radius von 1000 Metern um den Fundort betraf auch Teile der A 8. Gegen 18.20 Uhr begann der Kampfmittelräumdienst mit der Entschärfung, um 19.30 Uhr konnten die Sprengmeister vermelden, dass sie damit erfolgreich gewesen waren. Größere Probleme mit der Bombe selbst gab es offenbar nicht.
Man habe aber einen der beiden Zünder der amerikanischen Bombe sprengen müssen, sagte Sprengmeister Torsten Thienert nach der Entschärfung. Eine einfache Entschärfung sei es nicht gewesen, da die Bombe stark verkrustet gewesen sei. Der Regen, der zwischenzeitlich eingesetzt hatte, habe aber nicht gestört, sagte Thienert. Den nehme man während der intensiven Arbeit kaum wahr. Außergewöhnlich im Vergleich zu vorherigen Bombenentschärfungen in Augsburg war die Teilsperrung der Autobahn. Da die beidseitige Sperrung der A8 während des Zeit des Berufsverkehrs stattfand und tausende Pendler zwischen München und Augsburg betraf, hatte es Befürchtungen um einen Verkehrskollaps in der Region gegeben. Doch ganz so schlimm kam es dann nicht. Es gab Staus, in Friedberg etwa, wo die Umleitungsstrecke entlang lief, auch auf der Autobahn vor den beiden Ableitungen und in Teilen Augsburgs. Aber gigantische Ausmaße hatten die Staus nicht. Der Verkehrsfluss auf der Umleitungsstrecke, so sagte es ein Polizeisprecher am Abend, sei besser gelaufen als erwartet.
Die Stadt hatte unserer Redaktion zuvor gesagt, der Zeitpunkt für die Entschärfung sei auch deshalb ausgewählt worden, um möglichst wenig Einschränkungen für die in der Evakuierungszone liegende Vielzahl von Unternehmen zu erreichen. Eine Entschärfung am Wochenende sei nicht möglich gewesen, da der Kampfmittelräumdienst samstagsund sonntags nur für dringende Eilfälle zur Verfügung stehe. Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) sagte am Mittwochabend, es sei zwar keine akute Gefahr von der Fliegerbombe ausgegangen, aber man habe sich auch nicht ewig Zeit lassen können mit der Entschärfung. Es spielten verschiedene Faktoren eine Rolle, die Entscheidung sei auch von Fachleuten getroffen worden, nicht nur von der Stadt.
etwa 16 Uhr waren die Feuerwehren durch die Sperrzone gefahren und hatten die Menschen mit Lautsprecherdurchsagen aufgefordert, das Gebiet zu verlassen. Da in dem Lechhauser Industriegebiet ohnehin fast nur Firmen angesiedelt sind, waren laut Stadt lediglich 97 Anwohner betroffen. Das Industriegebiet war bereits um 16.30 Uhr so gut wie leer. Schaulustige, die am Fundort der Bombe in der Pöttmeser Straße vorbeischauten oder auf dem Weg zur Arbeit kurz anhielten und ein Foto machten, gab es ohnehin wenige. Ein Mitarbeiter einer ansässigen Firma sagte unserer Redaktion vor Ort, er mache sich keine Sorgen und gehe davon aus, dass die Situation entspannt gelöst werde.
Teils gab es aber auch Missverständnisse und unliebsame Überraschungen, auf der Autobahn sah man unmittelbar vor der Sperrung verhältnismäßig viele Autos mit auswärtigen Kennzeichen. Björn Plattner und Mark Zumbrunnen etwa waren auf der A 8 von München in Richtung Stuttgart unterwegs. Ihr Ziel: Basel. Eigentlich wollten die beiden in Augsburg nur kurz stoppen, um etwas zu essen. Zwar kamen sie im Kentucky Fried Chicken in Lechhausen unter, aber aufgrund der Bombenentschärfung und der Sperrung der Autobahn erst nach einer Art Irrfahrt, wie sie berichteten.
Ein Mitarbeiter einer ortsansässigen Firma im Lechhauser Gewerbegebiet erfuhr erst am Mittwoch selbst von der ungewöhnlichen Situation und der Tatsache, dass er an dem Tag früher nach Hause gehen konnte, wie er erzählte. Drei junge Geschwister waren wiederum extra auf eine Autobahnbrücke gekommen, um die Sperrung zu sehen. Sie winkten den vorbeifahrenden Autos zu. Dem Polizisten Thomas Fittiab gauer, der in der Derchinger Straße in Lechhausen stand, fragten vor allem die auswärtigen Autofahrer nach alternativen Routen, wie er gut gelaunt erzählte.
Die Einsatzkräfte waren mit einem Großaufgebot vor Ort. Im Einsatz waren rund 80 Polizisten, 20 Kräfte des Rettungsdienstes und etwa 120 Männer und Frauen der Feuerwehren. Neben Berufsfeuerwehr und den freiwilligen Feuerwehren waren auch Feuerwehren aus dem Umland dabei. Hektik verbreitete niemand, schließlich gibt es in der Stadt bei Situationen dieser Art mittlerweile eine gewisse Routine. So hatte es beispielsweise erst vor etwas mehr als einem Jahr in unmittelbarer Nähe zum jetzigen Fund einen Bombenfund gegeben.
Damals hatte ein Bagger eine 500 Kilo schwere Fliegerbombe bei Bauarbeiten freigelegt. Ein Grund für die jetzige Entschärfungsaktion, denn danach analysierte eine Fachfirma unter anderem Luftbilder der Alliierten aus dem Zweiten Weltkrieg analysiert, um zu überprüfen, wo in dem Bereich noch möglicherweise explosive Blindgänger liegen könnten. Die Bilder gaben Hinweise auf weitere Kampfmittel im Boden – die sich bei Untersuchungen von Experten vor Ort erhärteten.
Es ist daher ganz und gar nicht ausgeschlossen, dass in dem Bereich weitere Blindgänger liegen: Lechhausen gilt zusammen mit Oberhausen als der am stärksten betroffene Stadtteil der Bombenangriffe zwischen 1942 und 1945. Auf von Amerikanern angefertigten Luftaufnahmen vom April 1945 erkennt man das Gelände zwischen Pöttmeser Straße und der Autobahn, das mit mit Einschlagkratern regelrecht übersät ist. Gut möglich also, dass es bis zum nächsten Fund dieser Art nicht lange dauert.