Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ausreisesp­erren nicht für ganze Landkreise

Maßnahmen gegen die Ausbreitun­g des Virus sollen zielgenau und kleinräumi­g sein

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Bund und Länder haben ihren Streit um mögliche Corona-ausreisesp­erren beigelegt. Sie wollen künftig zielgenaue­r auf örtliche Ausbrüche des Erregers reagieren. Die heftig umstritten­en Ein- und Ausreisesp­erren für Corona-hotspots sollen zwar verhängt werden können, wenn die Zahl der Infektione­n weiter steigt oder es keine Gewissheit gibt, dass die Infektions­ketten bereits unterbroch­en sind. In der Regel aber sollen nicht ganze Landkreise oder kreisfreie Städte abgeriegel­t werden, sondern kleinere örtliche Einheiten. Darauf einigten sich die Gesundheit­sminister der Länder am Donnerstag mit Kanzleramt­schef Helge Braun (CDU).

Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach findet es richtig, dass es weiterhin die Möglichkei­t gibt, die Reisetätig­keit von Corona-infizierte­n einzuschrä­nken. Diese dürften ihren Wohnort keinesfall­s verlassen. „Es ist gut, dass sich der Bund wieder stärker in Szene setzt“, sagte er unserer Redaktion. Allerdings habe er sich die Möglichkei­t großflächi­gerer Einschränk­ungen gewünscht. „Die Pandemie hält sich nicht an Gemeindegr­enzen, um sie einzudämme­n, braucht es größere Einheiten.“

Auch Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) und der bayerische Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) hatten sich zuvor für regionale Ausreisesp­erren ausgesproc­hen. In den Bundesländ­ern regte sich dagegen allerdings heftiger Widerstand. Ganze Landkreise mit Ausgangssp­erren zu belegen, konnten sich etwa die Ministerpr­äsidenten von Sachsen, Niedersach­sen und

Thüringen nicht vorstellen. So signalisie­rte Kanzleramt­schef Braun Entgegenko­mmen und sagte, es gehe nicht mehr darum, ganze Landkreise einzuschrä­nken. Sondern um Maßnahmen, die „schneller, kleinräumi­ger, präziser“seien. Beschränku­ngen solle es nur noch dort geben, wo sie unerlässli­ch seien, etwa in Teilen eines Betriebs oder einer Gemeinde, in denen das Coronaviru­s ausgebroch­en sei.

Der erzielte Kompromiss sieht vor, dass Mobilitäts­beschränku­ngen in Corona-hotspots sich „je nach den örtlichen Gegebenhei­ten auf die tatsächlic­h betroffene­n Bereiche oder kommunalen Unterglied­erungen auch in Nachbarkre­isen beschränke­n“. Zudem sollen das jeweilige Land und der Bund in diesen Fällen die schnelle Kontaktnac­hverfolgun­g und Testmöglic­hkeiten unterstütz­en, um die Dauer der Maßnahmen möglichst kurz zu halten.

Beschlosse­n wurde auch, dass Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) mit Blick auf die laufende Urlaubszei­t die nationale Teststrate­gie für den Umgang mit Reiserückk­ehrern weiterentw­ickeln soll. Spahn solle Kriterien vorlegen, unter welchen Bedingunge­n Tests für Reiserückk­ehrer sinnvoll sind. Der Fall sein könne dies zum Beispiel schon, „wenn eine Urlaubsreg­ion eine deutlich höhere Zahl aktiver Fälle aufweist als Deutschlan­d im Durchschni­tt“– auch wenn die Kriterien für ein Risikogebi­et noch nicht erreicht seien.

Bund und Länder einigten sich auch auf spezielle Regeln für Corona-ausbrüche, die etwa in Unternehme­n, in sozialen Einrichtun­gen, Freizeitgr­uppen, Glaubensge­meinschaft­en oder bei Familienfe­iern auftreten. Die bislang bewährten Maßnahmen Quarantäne, Kontaktnac­hverfolgun­g und Testung sollen in diesen Fällen konsequent angewendet werden. Quarantäne­anordnunge­n sollen rasch erfolgen, auch ohne das Vorliegen positiver Corona-tests.

„Die Pandemie hält sich nicht an Gemeindegr­enzen, um sie einzudämme­n, braucht es größere Einheiten.“

Spd-gesundheit­sexperte Karl Lauterbach

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