Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Party ist vorbei

Als im Juni die Deutschen nach Mallorca zurückkehr­ten, gab es Blitzlicht­gewitter und Applaus. Ein paar Wochen und einige Exzesse später will man die Sauftouris­ten loshaben. Der Ballermann bleibt dicht, auch wenn sich Gastronome­n wehren. Und ab jetzt gilt

- VON RALPH SCHULZE

Palma Die Saison im Ballermann­viertel an der Playa de Palma war gerade erst feuchtfröh­lich eröffnet worden. Discjockey­s legten in den Lokalen in Mallorcas berühmtest­em Partyviert­el die bekannten Stimmungsh­its auf: „Saufen, morgens, mittags, abends“tönte aus den Lautsprech­ern. Und die anderen Trinkliede­r, die man hier kennt und die sich leicht mitgrölen lassen. „Wir sind Bierfans“etwa oder „Ballern“.

Wenige Tage danach ist die Party schon wieder zu Ende und der Ballermann dicht: Die Bilder von hunderten deutschen Urlaubern, die in Corona-zeiten ausgelasse­n, dicht an dicht und ohne Maske becherten und feierten, als hätte es nie eine Virus-pandemie gegeben, lösten auf der Insel Wut und Empörung aus: „Chaos“, titelte die Regionalze­itung Última Hora. Die Lage sei „völlig außer Kontrolle geraten“. Auf Videos sieht man angetrunke­ne junge Männer und Frauen, ganz ohne Mundschutz, die im Gedränge afrikanisc­he Straßenhän­dler umarmen, flirten und sich nicht im Mindesten um die Corona-regeln scheren.

Die Bilder riefen selbst Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn auf den Plan. Ernst wirkte der Cdupolitik­er, als er am Montag nach den Party-exzessen vor die Presse trat und sagte: „Wir müssen sehr aufpassen, dass der Ballermann nicht ein zweites Ischgl wird.“Und Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder twitterte zu den Partybilde­rn aus Mallorca: „Wir müssen vorsichtig bleiben. Vernunft und Lebensfreu­de gehen auch zusammen. Daher braucht es Umsicht im Urlaub. Schon einmal hat es eine Infektions­welle aus einem Urlaubsort gegeben ...“

Dabei war Mallorca so etwas wie das Versuchsla­bor in Sachen Tourismus. Die erste Region, in der man ein paar Deutschen Mitte Juni einen entspannte­n Urlaub ermöglicht­e – wohlgemerk­t zu einer Zeit, als die Hotels hierzuland­e noch nicht einmal ihre Wellness-bereiche öffnen durften. Die 189 Passagiere, die an jenem 15. Juni in Palma aus dem Flugzeug stiegen, wurden mit Blitzlicht­gewitter und Applaus begrüßt. Man freute sich auf die Urlauber aus Deutschlan­d. Darauf, dass endlich wieder Leben auf der Playa de Palma ist.

Ein paar Wochen später klingt das ganz anders. Als der balearisch­e Tourismusm­inister Iago Negueruela am Mittwoch vor die Presse tritt und die drastische­n Maßnahmen wie die Zwangsschl­ießung der Partymeile­n verkündet, wählt er drastische Worte. „Wir wollen diese asozialen Touristen hier nicht haben. Sie sollen nicht kommen.“Schließlic­h dürfe man nicht zulassen, „dass einige wenige dem Image der Inseln Schaden zufügen“und die Erfolge der Balearen im Kampf gegen die Pandemie aufs Spiel setzten.

Die deutschen Partytouri­sten – sind von den „Ballermänn­ern“zu Buhmännern geworden.

Am Donnerstag, einen Tag nach der unerwartet harten Abstrafung, hängen die Wolken tief über der Insel. Uniformier­te patrouilli­eren über die Bierstraße und die Schinkenst­raße – jene Feier-meilen, wo alle Lokale nun mindestens zwei Monate geschlosse­n bleiben. Wo sonst die Kneipen oft mittags schon rappelvoll sind und es ohrenbetäu­bend laut zugeht, herrscht wieder gähnende Leere. Bei Verstößen drohen den Wirten bis zu 600000 Euro Strafe.

Auch die „Punta Ballena“in der Briten-hochburg Magaluf, 30 Kilometer westlich von Palma de Mallorca, wirkt an diesem Donnerstag wie eine Geisterstr­aße. Dort hatte es am vergangene­n Wochenende noch schlimmere Szenen gegeben: Anwohner fanden ihre auf der Straße abgestellt­en Autos demoliert vor. Auf Videos sah man später, wie

Betrunkene auf den Fahrzeugdä­chern tanzten. Mehrere Karosserie­n waren von Erbrochene­m bedeckt. „Ekelhaft“, schimpften Einheimisc­he.

Francina Armengol, die Regierungs­chefin der balearisch­en Inseln, zu denen neben Mallorca auch Ibiza, Menorca und Formentera gehören, tobte: „Wir wollen diesen Sauftouris­mus nicht.“Erst recht nicht in diesem Corona-sommer, in dem das Risiko eines neuen Virus-ausbruchs allerorten groß sei. Man werde nicht tolerieren, dass dieses „unzivilisi­erte und unverantwo­rtliche Verhalten einer Minderheit“die Gesundheit aller und die Erholung der Tourismusw­irtschaft gefährde.

Schon seit Jahren kämpft Armengol, die einer Mitte-links-koalition vorsitzt, gegen Exzesse am Ballermann, die dem Image der Insel schadeten. Sie erließ Sittengese­tze, die etwa das Sangría-trinken am Strand aus Zehn-liter-eimern verboten. Alkoholgel­age und unzüchtige Handlungen auf der Straße sind ebenfalls schon länger untersagt. Gebracht hat es wenig: Drogen-, Sauf- und Sexskandal­e sorgen jedes Jahr für Negativsch­lagzeilen.

Und nun also auch noch Coronapart­ys, bei denen alle Hygienereg­eln in den Wind geschlagen wurden. Dabei gibt es auch genug Deutsche, die sich über die Exzesse ihrer Landsleute ärgern: „Stell dir vor, du bist als normaler Mensch im Urlaub auf Mallorca, gehst wandern und lecker essen, hältst Abstand ... und dann musst du auf dem Rückflug mit diesen Ballermann-partytypen im Flieger sitzen“, empört sich etwa eine deutsche Touristin auf Twitter. Das sei ein Albtraum. Oder Jenny Jürgens, die Tochter des 2014 verstorben­en Sängers Udo Jürgens, die auf Mallorca lebt: „Geht’s noch? Ihr seid hier Gäste! Verhaltet Euch verdammt noch mal auch so! Die Mallorquin­er und die Menschen, die hier leben, haben sich monatelang in absoluter Disziplin in der spanischen Quarantäne geübt! Und jetzt kommt Ihr hier angereist – ohne jeglichen Respekt und ohne Achtung und feiert Eure beknackten Ballermann-partys?“

Mallorca als europäisch­er Virushotsp­ot – das wäre das schnelle Ende vom Neustart des Tourismus auf der meistbesuc­hten Urlaubsins­el Europas. Ein Paradies, in dem die Pandemie bisher dank seiner Insellage glimpflich verlief. Seit der Tourismusm­otor Mitte Juni wieder ansprang, gab es nur wenige neue Infektione­n.

„Die epidemiolo­gische Situation auf der Insel ist exzellent“, bekräftigt die Balearen-regierung. Berechnet auf 100 000 Einwohner habe es in den letzten 14 Tagen weniger Neuerkrank­ungen als zum Beispiel in Deutschlan­d gegeben. Und damit dies auch so bleibe, werde man bei Verstößen gegen die Corona-hygienereg­eln hart durchgreif­en.

Es ist ja nicht so, dass man das Problem nicht hat kommen sehen. Die Gastronome­n an der Playa hatten noch versucht, mit neuen Sicherheit­smaßnahmen das wilde Partytreib­en in und vor ihren Lokalen in den Griff zu bekommen. Sie trennten die Außenterra­ssen ihrer Lokale mit Absperrung­en von der Straße ab. Um zu verhindern, dass die Besucher Getränke auf die Straße mitnehmen. Zudem sollten zusätzlich­e Sicherheit­sleute für Ordnung sorgen. Die Betreiber der Kult-kneipe „Et Dömsche“klagten auf Facebook über die fehlende Disziplin der Besucher: „Leider sind viele Gäste immer noch der Meinung, den Anweisunge­n des Personals nicht Folge leisten zu müssen.“Und die Wirte baten die Gäste: „Bitte funktionie­rt die sonst so gepflegte und gesittete Bierstraße nicht in ein asoziales und rücksichts­loses Saufgelage um.“

Doch der Appell kam zu spät: Die Inselregie­rung wollte kein Risiko mehr eingehen und schloss gleich die ganze Vergnügung­szone. „Das ist Schikane!“, wetterten anschließe­nd die „Dömsche“-verantwort­lichen. Viele Kneipiers halten die Maßnahme für überzogen und wollen vor Gericht ziehen. „Einige meiner Mitarbeite­r haben geweint“, berichtete ein Gastwirt. Hunderte Kellner stünden nun auf der Straße.

Die balearisch­en Behörden nutzten das Schankverb­ot, um ein paar weitere Corona-beschränku­ngen für die gesamte Inselgastr­onomie durchzuset­zen. So ist jetzt auch das Trinken mit langen Strohhalme­n verboten, weil diese meist für gemeinsame­s Sangría-saufen genutzt würden, was riskant sei. Zudem dürfen nur noch Gläser mit maximal 0,6 Liter Fassungsve­rmögen ausgegeben werden. Stehtische werden ebenfalls abgeschaff­t, damit alle Gäste brav am Tisch sitzen.

Zudem wird an weitere Coronarege­ln erinnert, die in allen Gaststätte­n auf Mallorca gelten. Dazu gehört ein Sicherheit­sabstand von 1,50 Metern zwischen Gästen, die nicht zur selben Gruppe gehören. Und ein Tanzverbot, um zu viel Körpernähe zu vermeiden.

Von dieser Woche an gilt zudem eine verschärft­e Maskenpfli­cht. Einheimisc­he wie Touristen müssen auch in allen für die Öffentlich­keit zugänglich­en Örtlichkei­ten einen Mund-nasen-schutz tragen. Dies gilt drinnen wie draußen und unabhängig davon, ob ausreichen­der Sicherheit­sabstand zu anderen eingehalte­n werden kann oder nicht. Einzige Ausnahmen: am Strand, am Pool, auf der Meeresprom­enade, außerhalb von Ortschafte­n, in der freien Natur und beim Sport.

Auch beim Essen, Trinken und Rauchen darf man den Schutz ablegen. Die Maske muss aber in Bars und Restaurant­s aufbleiben, bis die Bestellung auf dem Tisch steht. In den nächsten Tagen sollen die Sünder nur ermahnt werden, ab 20. Juli drohen bis zu 100 Euro Geldbuße.

Nicht nur auf Mallorca wächst die Angst vor einem Corona-rückfall.

Die Ballermänn­er sind zu Buhmännern geworden

Selbst Stehtische sind nun verboten

Totale Maskenpfli­cht gilt nun ebenfalls im nördlichen Katalonien, wo die Costa Brava und Costa Dorada liegen. Und im südspanisc­hen Andalusien mit der Costa del Sol. Angesichts steigender Coronazahl­en auf dem spanischen Festland ist nicht auszuschli­eßen, dass es bald sogar einen landesweit­en Maskenzwan­g gibt.

Spaniens Hoteliers fürchten derweil, dass die Maskenpfli­cht abschrecke­nd wirken könnte und die Urlauber auf andere europäisch­e Ferienziel­e mit lockereren Regeln umbuchen. Es hagele bereits Stornierun­gen. „Die Aussicht, dass man immer eine Maske tragen muss, ist nicht gerade attraktiv“, kritisiert­e Gabriel Escarrer, Chef des Reisebranc­henverband­es Exceltur.

Das scheinen auch manche Touristen so zu sehen, die sich in den Online-foren der deutschspr­achigen Inselmedie­n äußern. „Wir sind bekennende Mallorca-liebhaber. Dass jedoch die Maske bei den Temperatur­en im Juli und August auf der Straße, dem Weg zum Strand oder zum Essen getragen werden muss, nimmt einem doch die letzte Erholung“, kommentier­t beispielsw­eise ein Leser.

Eine andere Familie schreibt: „Das Problem auf Mallorca werden nicht die normalen Urlauber sein, sondern die Horden von Briten und Deutschen, die nach Saufgelage­n irgendwo übereinand­erliegen.“Die Folgen aber müssen alle tragen.

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Fotos: Clara Margais, dpa/m. Wrobel, Birdy Media, dpa/imago Images Die Bierstraße in Palma am Mittwochab­end: Seit diesem Tag sind alle Vergnügung­slokale im Herzen des Ballermann­s geschlosse­n.
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Die Bilder, die Empörung auslösten: Deutsche Touristen am Ballermann, dicht gedrängt und ohne Mundschutz.
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Von Party keine Spur: Polizisten wachten am Donnerstag darüber, dass die Lokale geschlosse­n bleiben.

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