Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Feindbild: Weiblich, emanzipier­t

Neue Drohmails des „NSU 2.0“gegen Frauen aufgetauch­t

- Carolin Eckenfels, dpa

Wiesbaden Die Serie reißt nicht ab: Immer mehr Politikeri­nnen und andere Frauen erhalten Drohmails, die mit „NSU 2.0“unterzeich­net sind. Die Empfängeri­nnen sind unterschie­dliche Persönlich­keiten, eine Anwältin, eine Kabarettis­tin sowie Politikeri­nnen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie selbstbewu­sst, emanzipier­t und meinungsst­ark auftreten – und damit ins Feindbild von Rechtsextr­emisten zu passen scheinen. Ihr Fall wirft ein Schlaglich­t auf einen in der Öffentlich­keit kaum beachteten Aspekt von rechtsauße­n.

„Es gibt in der rechtspopu­listischen und rechtsextr­emen Wahrnehmun­g einen Grundfeind neben der liberalen Demokratie – und das ist die Frauenbewe­gung, die Fraueneman­zipation“, sagt der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder. „Diese wird von vorneherei­n als Provokatio­n erachtet.“Die Ablehnung von Emanzipati­on im rechten Spektrum sei nicht neu, aber: „In der öffentlich­en Wahrnehmun­g wird der Rechtsextr­emismus und -populismus sehr stark verkürzt auf Rassismus und anti-elitäre Positionen.“Doch dazu kann auch ein traditione­lles Rollenvers­tändnis von Mann und Frau gehören oder die Vorstellun­g „natürliche­r“Unterschie­de zwischen den Geschlecht­ern. Die Gießener Politikwis­senschaftl­erin Alexandra Kurth sagt: „Die Auseinande­rsetzung mit Geschlecht­erfragen ist ein ganz wichtiger Teil des rechtsextr­emen Weltbildes. Daher wundert mich nicht, dass gerade Frauen die Drohschrei­ben bekommen haben.“Es gibt keine genauen Zahlen dazu, wie oft

Frauen Opfer von rechtsextr­emer Bedrohung werden. „Fest steht allerdings, dass das Dunkelfeld enorm ist. Nur ein Bruchteil der Fälle erreicht das Licht der Öffentlich­keit“, sagt Franziska Schindler, Sprecherin der Amadeu-antonio-stiftung, die sich unter anderem für Opfer rechtsextr­emer Gewalt einsetzt. „Dabei geht es nicht nur um Hassmails und -Faxe, wie durch den ,NSU 2.0‘ versendet. Hinzu kommen unzählige Mord- und Gewaltandr­ohungen, die Frauen in den sozialen Netzwerken entgegensc­hlagen, wenn sie mit ihren Positionie­rungen nicht in das Weltbild der Rechtsextr­emen passen.“

Den Geschlecht­er-aspekt bei dem Thema einzubezie­hen sei wichtig, sagt Manjana Sold vom Leibnizins­titut „Hessische Stiftung Friedensun­d Konfliktfo­rschung“in Frankfurt. Allerdings dürfe der Fokus nicht zu stark allein darauf gerichtet werden. Es gebe vermutlich über das Geschlecht hinaus weitere Motive wie beispielsw­eise die vermeintli­che Herkunft oder Religionsz­ugehörigke­it. Nach Einschätzu­ng von Extremismu­sforscheri­n Kurth können Drohschrei­ben an Frauen eine spezifisch­e Komponente haben. „Zum einen haben wir alle Elemente, die sich auch in Schreiben an die Männer finden lassen wie persönlich­e Angriffe, Beschimpfu­ngen, Gewaltandr­ohungen. Aber bei den Frauen kommt häufig, nicht immer, eine sexistisch­e Komponente dazu. Also, dass mit sexueller Gewalt gedroht wird oder dass Frauen mit Hinblick auf ihr Geschlecht abgewertet werden.“

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Foto: Arne Dedert, dpa Linken-politikeri­n bedroht. Janine Wissler wird

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