Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Feindbild: Weiblich, emanzipiert
Neue Drohmails des „NSU 2.0“gegen Frauen aufgetaucht
Wiesbaden Die Serie reißt nicht ab: Immer mehr Politikerinnen und andere Frauen erhalten Drohmails, die mit „NSU 2.0“unterzeichnet sind. Die Empfängerinnen sind unterschiedliche Persönlichkeiten, eine Anwältin, eine Kabarettistin sowie Politikerinnen. Gemeinsam ist ihnen, dass sie selbstbewusst, emanzipiert und meinungsstark auftreten – und damit ins Feindbild von Rechtsextremisten zu passen scheinen. Ihr Fall wirft ein Schlaglicht auf einen in der Öffentlichkeit kaum beachteten Aspekt von rechtsaußen.
„Es gibt in der rechtspopulistischen und rechtsextremen Wahrnehmung einen Grundfeind neben der liberalen Demokratie – und das ist die Frauenbewegung, die Frauenemanzipation“, sagt der Kasseler Politologe Wolfgang Schroeder. „Diese wird von vorneherein als Provokation erachtet.“Die Ablehnung von Emanzipation im rechten Spektrum sei nicht neu, aber: „In der öffentlichen Wahrnehmung wird der Rechtsextremismus und -populismus sehr stark verkürzt auf Rassismus und anti-elitäre Positionen.“Doch dazu kann auch ein traditionelles Rollenverständnis von Mann und Frau gehören oder die Vorstellung „natürlicher“Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Die Gießener Politikwissenschaftlerin Alexandra Kurth sagt: „Die Auseinandersetzung mit Geschlechterfragen ist ein ganz wichtiger Teil des rechtsextremen Weltbildes. Daher wundert mich nicht, dass gerade Frauen die Drohschreiben bekommen haben.“Es gibt keine genauen Zahlen dazu, wie oft
Frauen Opfer von rechtsextremer Bedrohung werden. „Fest steht allerdings, dass das Dunkelfeld enorm ist. Nur ein Bruchteil der Fälle erreicht das Licht der Öffentlichkeit“, sagt Franziska Schindler, Sprecherin der Amadeu-antonio-stiftung, die sich unter anderem für Opfer rechtsextremer Gewalt einsetzt. „Dabei geht es nicht nur um Hassmails und -Faxe, wie durch den ,NSU 2.0‘ versendet. Hinzu kommen unzählige Mord- und Gewaltandrohungen, die Frauen in den sozialen Netzwerken entgegenschlagen, wenn sie mit ihren Positionierungen nicht in das Weltbild der Rechtsextremen passen.“
Den Geschlechter-aspekt bei dem Thema einzubeziehen sei wichtig, sagt Manjana Sold vom Leibnizinstitut „Hessische Stiftung Friedensund Konfliktforschung“in Frankfurt. Allerdings dürfe der Fokus nicht zu stark allein darauf gerichtet werden. Es gebe vermutlich über das Geschlecht hinaus weitere Motive wie beispielsweise die vermeintliche Herkunft oder Religionszugehörigkeit. Nach Einschätzung von Extremismusforscherin Kurth können Drohschreiben an Frauen eine spezifische Komponente haben. „Zum einen haben wir alle Elemente, die sich auch in Schreiben an die Männer finden lassen wie persönliche Angriffe, Beschimpfungen, Gewaltandrohungen. Aber bei den Frauen kommt häufig, nicht immer, eine sexistische Komponente dazu. Also, dass mit sexueller Gewalt gedroht wird oder dass Frauen mit Hinblick auf ihr Geschlecht abgewertet werden.“