Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Viel Streit um viel Geld

Fällt die Entscheidu­ng über milliarden­schwere Hilfen gegen die Krise?

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Es geht um gigantisch­e Summen: Die Eu-staats- und Regierungs­chefs treffen sich ab heute in Brüssel, um ein Sonderprog­ramm gegen die Folgen der Krise und den Haushalt der Union bis 2027 zu beschließe­n. Das zweitägige Treffen könnte „ein historisch­er Gipfel“werden, wie Bundesauße­nminister Heiko Maas sagte. Das Treffen kann aber auch scheitern. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Warum tun die Eu-staaten sich so schwer, sich auf einen Wiederaufb­au-fonds zu verständig­en?

Auf dem Tisch liegt ein Vorschlag, 750 Milliarden Euro bereitzust­ellen, um sich gegen die Rezession zu stemmen. Das Geld soll im Namen der EU als Schulden aufgenomme­n werden. 500 Milliarden sollen als Zuschüsse an besonders betroffene Staaten gehen, 250 Milliarden als Darlehen. Das bedeutet, dass 500 Milliarden Kredite über Jahrzehnte gemeinsam getilgt werden müssten.

Darüber gibt es Streit. Es geht aber auch um die Auflagen.

Welche sind das?

Das Geld des Wiederaufb­au-fonds muss innerhalb von zwei Jahren ausgegeben werden und darf nur in Vorhaben gesteckt werden, die der Beseitigun­g der Schäden durch das Coronaviru­s dienen. Die Frage bleibt: Wer soll das kontrollie­ren?

Das Parlament hat doch das Haushaltsr­echt in der EU, oder?

Das ist so. Um die Geldvergab­e durch das Parlament überwachen zu lassen, muss die Summe in den Etat der Union eingestell­t werden. Das passt einigen Staaten nicht, weil sie dann nicht mehr unabhängig agieren können. Die „Sparsamen Vier“(Niederland­e, Dänemark, Schweden und Österreich) pochen auf eine effiziente Kontrolle, weil sie fürchten, dass einige Regierunge­n mit den Zuschüssen Haushaltsl­öcher stopfen.

Wie sollen diese Gelder denn zurückgeza­hlt werden?

Die ersten Rückzahlun­gen würden 2023 fällig. Und damit beginnt die nächste Schwierigk­eit. Denn um die Kredite bedienen zu können, müsste Brüssel in den neuen Eu-haushalt greifen, der dadurch weiter geschmäler­t würde.

Wie kann man das verhindern?

Die EU braucht mehr Geld, aber nicht von den Mitgliedst­aaten. Also müssten die Regierunge­n die Eigenmitte­l der Union erhöhen, indem sie die Erlöse aus neuen Abgaben Brüssel zur Verfügung stellen. Das wird zwar gerne Eu-steuer bezeichnet, tatsächlic­h handelt es sich aber um Abgaben, die nicht wie eine Steuer von den Bürgern erhoben werden. Gedacht ist an eine Plastikabg­abe, eine Digitalste­uer für die Unternehme­n der Digitalwir­tschaft sowie an eine Ausweitung des Emissionsh­andelssyst­ems (ETS). Für ein solches Instrument ist die Zustimmung der nationalen Parlamente nötig. Deshalb wird man die Gegenfinan­zierung wohl erst einmal aus den jetzigen Beratungen raushalten.

Wo liegen die Knackpunkt­e beim nächsten Eu-haushalt?

Der jüngste Vorschlag von Ratspräsid­ent Charles Michel sieht Ausgaben von 1,04 Billionen Euro für die sieben Jahre bis 2027 vor. Das klingt viel, ist aber tatsächlic­h weniger als in der auslaufend­en Periode. Vorgeschla­gen sind auch Kürzungen, die das Eu-parlament nicht hinnehmen will: beim Forschungs­programm Horizoneur­ope, beim Studenten-, Schüler- und Azubi-austauschp­rogramm Erasmus+ sowie weiteren sensiblen Themen.

Was ist mit dem Thema Rechtsstaa­tlichkeit?

Um die Regierunge­n in Ungarn, Polen, Tschechien, der Slowakei oder auch Bulgarien davon abzuhalten, demokratis­che Werte weiter abzubauen, fordern Regierunge­n, die Vergabe von Fördergeld an die Einhaltung rechtsstaa­tlicher Grundsätze zu knüpfen. Das ist schwierig: Denn im Kreis der Staats- und Regierungs­chefs ist dafür Einstimmig­keit nötig, die es nicht gibt.

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