Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Kostbare Kugeln
Das Geschäft in den Eisdielen läuft zwar wieder, doch die Corona-krise hat ein Loch in den Kassen hinterlassen. Müssen Kunden nun mehr zahlen?
München Vor dem Eiscafé des „verrückten Eismachers“in der Münchner Amalienstraße steht eine kleine Menschentraube. Einige schlecken schon an ihrem Eis, andere stehen noch an. Denn wegen Corona dürfen momentan nur zwei bis drei Kunden gleichzeitig den Laden betreten. Um die Wartezeit zu überbrücken, kann auf einer Tafel rechts der Eingangstür schon mal geschaut werden, welches Eis es sein darf.
Es gibt normale Sorten wie Schoko und Cookie für 1,80 Euro pro Kugel, aber auch so ausgefallene Sorten wie Lindor, Champagner und Schwangerschafts-test (Essiggurke mit Nutella) für 2,50 und 3,50 Euro pro Kugel. 3,50 Euro für eine Kugel Eis: Ist das nicht sehr teuer – selbst für Münchner Verhältnisse? Handelt es sich gar um einen Corona-aufschlag? Und wie steht es um die Eis-preise anderswo, etwa in Augsburg und im Allgäu?
Annalisa Carnio kann die ständige Diskussion um steigende Eispreise in Deutschland nicht mehr hören. Die Pressesprecherin der Union der italienischen Speiseeishersteller (Uniteis) vermutet psychologische Gründe dahinter: „Das hat viel mit Nostalgie zu tun.“Eis kam in den 1960er und 70er Jahren mit den italienischen Gastarbeitern nach Deutschland. „Ein Besuch im Eisladen um die Ecke war wie eine Befreiung von den Pflichten des Alltags. Eine kleine Pause, die nicht viel gekostet hat“, sagt Carnio. Viele würden sich deshalb noch an diese Zeiten erinnern, als eine Kugel Eis zwischen 50 und 70 Pfennig gekostet hat, erklärt sie ihre Hypothese. Doch die Kugel sei im Laufe der Jahre größer und Rohstoffe, Mieten, Strom und Personalkosten teurer geworden. „Früher hat zum Teil die ganze Familie umsonst mit im Laden geholfen.“Heute gehe das nicht mehr.
Aktuell kostet eine Kugel Eis im Schnitt zwischen 70 Cent und 1,70 Euro, wie Uniteis-sprecherin Carnio sagt. Doch neben den bereits genannten Kostenfaktoren komme es zusätzlich auf die Ladenfläche sowie auf den Standort der Eisdiele an.
Die drei Eiscafé-filialen von Matthias Münz, alias „Der verrückte Eismacher“, liegen mitten in München. Mit einem Kugelpreis von 1,80 Euro für eine Standartsorte sei er zwar nicht billig, befinde sich aber im Münchner Preis-mittelfeld, wie der 33-Jährige sagt. Der Grund für die höheren Kugelpreise der ausgefallenen Sorten: teurere
Grundzutaten. Eine Preiserhöhung habe es übrigens seit zwei Jahren nicht mehr gegeben.
Und der Preis soll auch die nächsten zwei Jahre so bleiben – trotz Corona und immer mehr Konkurrenz in der Stadt. „Eis vermittelt Lebensfreude“, erklärt der „verrückte Eismacher“. Und Preiserhöhungen seien für Kunden immer unschön. Außerdem komme er trotz der Verluste wegen Corona durch gutes Wirtschaften durch. Selbst wenn eine zweite Welle kommen sollte. Aus der Corona-krise habe der Eis-erfinder sowieso versucht, das Beste zu machen. So kamen Sorten wie Corona-eis (Corona-bier mit Limette) oder Abstands-eis (Stinkekäse mit Zwiebeln und Knoblauch) zustande.
Ebenfalls extravagante Sorten gibt es gelegentlich in den beiden Filialen der Eisdiele Santin in Augsburg zu kaufen. Wie wäre es zum Beispiel mit Kürbis-amarettini-eis im Herbst oder Marshmallow-eis? Diese speziellen Sorten kosten 1,50 Euro pro Kugel, die Standardsorten 1,30 Euro. Das letzte Mal die Preise erhöht hat Geschäftsführer Marco Stefani im Januar 2019 – um zehn Cent.
400 Kilogramm des selbst gemachten Eises, schätzt er, gingen vor Corona an sehr guten Tagen über die Theke. „Momentan liegt der Umsatz bei 60 bis 70 Prozent des Normalbetriebs, während Corona war er bei 20 Prozent.“In der Filiale in der Karlstraße laufe es wegen des hauptsächlichen Straßenverkaufs etwas besser als in der Bahnhofstraße. Dort sind drei Viertel der Tische wegen der Abstandsregeln verloren gegangen. Dennoch sieht er die Corona-krise nicht als Grund an, die Preise zu erhöhen.
Das will auch Alessandro Rizzardini vom Eislädle in Oberstaufen nicht. 1,10 Euro kostet die Kugel Eis – und das seit knapp fünf Jahren. 20 Cent günstiger als die Eisdielen im Umland, wie der 37-Jährige schätzt. Doch da seine Eltern mithelfen würden und er viel arbeite, könnten sie sich den Preis leisten. „Eigentlich wollten wir dieses Jahr die Preise um zehn Cent erhöhen, da wir im vorletzten Winter die Eisdiele erneuert haben und Ausgaben im hohen fünfstelligen Bereich hatten“, erklärt Rizzardini. Doch dann kam Corona. Mit dem nicht gestiegenen Preis wolle man den Kunden entgegenkommen.
Alessandro Rizzardinis Vater hat die Eisdiele 1980 eröffnet. Seitdem legt die Familie höchsten Wert auf Qualität und Herkunft ihrer Produkte. Die Milch für das Eis bringt eine Bäuerin aus dem Umkreis am Morgen noch lauwarm in den Laden. Stolz ist er auf das Holunderblüteneis, das es aktuell wieder gibt. Dafür kämen die Leute auch von weiter weg extra zu ihnen.