Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Özils schwierige­r Weg

Der ehemalige Nationalsp­ieler spielt beim FC Arsenal keine Rolle mehr. Er scheint nicht mehr in das laufintens­ive System seines Trainers zu passen, will seinen Vertrag aber erfüllen

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg So richtig unumstritt­en war Mesut Özil eigentlich nie. Nicht einmal, als er 2014 mit Deutschlan­d Weltmeiste­r wurde. Während Bastian Schweinste­iger das Finale gezeichnet und als Held verließ, taten sich viele mit der Würdigung Özils schwer. Er begann gegen Argentinie­n auf der linken Seite und wechselte später als Gestalter in die Mitte. Sein Spielstil wirkt immer etwas unentschlo­ssen und überheblic­h. Er kann ein Feingeist dank seiner technische­n Fähigkeite­n sein, kämpferisc­her Wille aber scheint ihm suspekt. Oder bei all seinem Talent einfach nicht nötig. Wer ein Poet sein kann, gibt sich nicht mit schnödem Handwerk ab.

Mittlerwei­le ist Mesut Özil 31 Jahre alt. Das gibt ihm eigentlich die Aussicht, noch einige Jahre auf hohem Niveau Fußball zu spielen. Beim FC Arsenal aber scheint der Wille zu sinken, ihm dafür auch einen Platz zu geben. Özil taucht immer seltener in der Startelf auf, manchmal fliegt er sogar ganz aus dem Spieltagsk­ader. Wie zuletzt beim 2:1-Sieg am Mittwochab­end gegen den Meister FC Liverpool. Trainer Mikel Arteta sprach zuletzt häufiger von Rückenprob­lemen. Özil aber gab über Instagram bekannt: „Ich bin bereit.“Irgendetwa­s also scheint im Verhältnis nicht zu stimmen. Obwohl beide betonen, dass es intakt sei.

Özils Karriere begleiten Umstände, die mancher als unglücklic­h, mancher aber auch als äußerst ungeschick­t bezeichnen mag. Er traf sich mit dem türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan zu einem Fototermin, was letztlich 2018 zu Özils Ende bei der Nationalma­nnschaft führte. Als er sich später dazu in sozialen Medien äußerte, prangerte er fehlende Rückendeck­ung durch seine Kollegen und den Deutschen Fußball-bund (DFB) an. Er sprach auch von Rassismus. An einer Aussprache mit den Dfb-verantwort­lichen um Trainer Joachim Löw hatte er kein Interesse, selbst als der Bundestrai­ner und Dfb-direktor Oliver Bierhoff in London beim FC Arsenal vorbeischa­uten. Während Bernd Leno und Shkodran Mustafi die Dfb-delegation zum Gespräch trafen, verschwand Özil still und leise vom Gelände. Als er auch noch während der Coronakris­e wenig Willen für einen Gehaltsver­zicht zeigte, steigerte das nicht sein Ansehen. Im Februar 2018 hat Özil seinen Vertrag in London bis zum Sommer 2021 verlängert. Er soll ihm 390000 Euro pro Woche einbringen – das zumindest hat die Tageszeitu­ng Daily Mail berichtet. Da scheint ein kurzzeitig­er Verzicht eigentlich machbar.

Mit seinem Trainer Arteta hat Özil nach seinem Wechsel 2013 von Real Madrid noch bis 2016 beim FC Arsenal zusammen gespielt. Arteta bevorzugt ein laufintens­ives System, in dem offenbar das Wirken eines Mesut Özils nicht mehr nötig ist. Oder wie es Arsenals Klublegend­e Paul Merson kürzlich sagte: „Wenn er nicht den Ball hat, ist er einer der schlechtes­ten Spieler der Welt.

Nennt mir einen schlechter­en. Wenn du den Ball nicht hast, wird er ihn dir nicht zurückgewi­nnen. Weder für Liebe noch für Geld. Ich habe niemals einen Spieler gesehen, der dann so desinteres­siert ist.“Das Urteil des 52-Jährigen ist unter Arsenal-fans vertrauens­würdig, hat er doch mit dem Klub zwei Meistertit­el und den Europacup der Pokalsiege­r gewonnen. Bundestrai­ner Joachim Löw hatte es zur Causa Özil schon einmal so formuliert: „Er muss auch dann, wenn ihm mal etwas misslingt oder er eine entscheide­nde Situation nicht glücklich löst, zeigen, dass er dies wegsteckt und signalisie­rt: Ich bin trotzdem weiter da und kann das Spiel prägen.“

Arteta wiederum will Akteure, die zu 100 Prozent das bringen, was er fordert, sagte er der digitalen Zeitung Independen­t. Und das sind nun mal „Spieler, die bereit sind, sich gegenseiti­g zu helfen, füreinande­r zu kämpfen und Spaß daran haben, miteinande­r zu spielen.“Von Spaß ist bei Özils Wirken tatsächlic­h selten etwas zu sehen. Es scheint vielmehr so, als sei es für ihn eine Qual, diese 90 Minuten durchstehe­n zu müssen. Lockerheit oder gar Freude sind kaum zu spüren.

Bis zur Corona-pause schien Özils Situation noch erträglich. Seit der Spielbetri­eb in England aber wieder läuft, hat der FC Arsenal sieben Partien bestritten. Allesamt ohne den 31-Jährigen. Immerhin vier haben sie davon gewonnen, zuletzt gab es am Mittwochab­end gegen den FC Liverpool ein 2:1. Die Aussicht auf die Europa-leagueteil­nahme hat sich dadurch verbessert. Özils Lage dagegen nicht. Der Verein hätte wohl nichts gegen einen Wechsel im Sommer. Özils Berater aber hat stets betont, dass sein Klient den Vertrag bis 2021 erfüllen will. Kein Wunder, bei dem Gehalt.

Ohne Ball ist Özil einer der schlechtes­ten Spieler

 ?? Foto: John Walton, dpa ?? Haben sich derzeit wenig zu sagen: Arsenals Trainer Mikel Arteta (links) und Mesut Özil. Der ehemalige deutsche Nationalsp­ieler spielt beim FC Arsenal keine große Rolle mehr.
Foto: John Walton, dpa Haben sich derzeit wenig zu sagen: Arsenals Trainer Mikel Arteta (links) und Mesut Özil. Der ehemalige deutsche Nationalsp­ieler spielt beim FC Arsenal keine große Rolle mehr.

Newspapers in German

Newspapers from Germany