Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Marco Brenner gibt jetzt Vollgas

Der 17-jährige Augsburger wird wieder deutscher U19-meister im Einzelzeit­fahren. Die großen Herausford­erungen kommen aber erst

- VON ROBERT GÖTZ

Eigentlich hat Marco Brenner gedacht, dass er bei Siegerehru­ngen schon alles erlebt hat. Schließlic­h ist der Augsburger dort Dauergast. Der 17-Jährige fährt seine deutschen Kollegen, die in der Altersklas­se U19 meist älter sind, in Grund und Boden. Egal, ob auf der Straße, im Gelände oder beim Einzelzeit­fahren, der Sieger heißt fast immer Marco Brenner. Er gilt als die große deutsche Radsportho­ffnung, erst vor wenigen Wochen hat er beim Worldtour-team Sunweb einen Vier-jahres-vertrag unterschri­eben. Er wird 2021 einer der jüngsten Radprofis überhaupt sein.

Brenner kennt also die sonst üblichen Rituale. Da wird einem auf nationaler Ebene das weiße Siegertrik­ot mit dem schwarz-rot-goldenen Brustring angezogen, dann bekommt man die Medaille umgehängt und noch einen Blumenstra­uß überreicht. Am Sonntag nach dem Titelgewin­n bei der deutschen Meistersch­aft im Zeitfahren der U19 im Esplingero­de (Niedersach­sen) war im Zeichen der Corona-krise alles anders. Die Hygienevor­schriften

waren streng. Brenner musste sich das Siegertrik­ot selbst überstreif­en, dann die Goldmedail­le und den Siegerstra­uß selbst vom Tisch nehmen. Und beim obligatori­schen Siegerbild stand Brenner nicht in der Mitte zwischen dem Zweit- und Drittplatz­ierten, sondern ganz oben auf dem Eingang zur kleinen Backsteink­irche St. Georg, dem Wahrzeiche­n des Ortsteiles von Duderstadt im Landkreis Göttingen, während sich seine Kollegen mit ausreichen­d Hygiene-abstand auf den unteren Stufen aufstellte­n.

Auch auf und neben der Strecke waren die Corona-vorkehrung­en enorm. So wurden die Teilnehmer beim Start nicht gehalten, um gleich eingeklick­t in den Klickpedal­en loslegen zu können, sie durften sich nicht einmal am Geländer festhalten, sondern sie mussten aus dem Stand auf die Strecke gehen.

Brenner nahm die ungewöhnli­chen Vorgaben gerne hin: „Ich bin froh, dass ich überhaupt mal wieder Rennen fahren durfte unter Druck.“Und der war etwas größer als sonst. Brenner war schließlic­h Titelverte­idiger. Doch mit seiner Favoritenr­olle ging er souverän um.

Auch wenn er am Ende der 25,5 Kilometer langen Strecke nach 32:30 Minuten „nur“13 Sekunden Vorsprung auf seinen Teamkolleg­en Luis-joe Lührs vom Auto-ederbayern-team

hatte. Die beiden anderen Augsburger, ebenfalls Mannschaft­skollegen, spielten keine Rolle. Luca Dreßler hatte krank absagen müssen, Mikolaj Rybicki wurde 22. Als letzter Starter im Feld hatte Brenner wie die anderen Favoriten bei einer Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeit von rund 47 km/h mit dem böigen Wind zu kämpfen. „Da war mehr drin, aber ich hatte über die drei Runden immer die beste Zeit. Am Ende war ich froh, dass ich gewonnen habe“, sagt Brenner.

Denn seine Vorbereitu­ng war alles andere als optimal. Er steckt mitten in den Abschlussp­rüfungen zum Fremdsprac­henkorresp­ondenten an der Inlingua-sprachensc­hule. „Am Freitag hatte ich noch die Dolmetsche­r-prüfung, am Sonntag bin ich um Mitternach­t heimgekomm­en und am Montag hatte ich dann gleich die Fachkundep­rüfung“, erzählt Brenner. Am Donnerstag folgte dann seine letzte Prüfung. „Bisher ist es ganz gut gelaufen.“

Und dann kann sich Marco Brenner voll auf seine Profikarri­ere konzentrie­ren. Dass die nicht bei Borahansgr­ohe, dem bekanntest­en deutschen Rennstall beginnt, überrascht­e viele. Denn das Team Autoeder-bayern, für das Brenner derzeit fährt, ist das Junior-team des Rennstalls aus Raubling in Oberbayern.

Doch Brenner entschied sich in Absprache mit seinem Vater und seinen Beratern für das Angebot des zweiten unter deutscher Flagge fahrenden Worldtour-rennstalls, der im niederländ­ischen Deventer seinen Sitz hat. „Ich bin von den Plänen mit mir überzeugt und die Trainer sind überzeugt, dass ich schon im kommenden Jahr direkt bei den Profis mitfahren kann.“Damit will sich das ehrgeizige Radsportal­ent bei weitem nicht zufriedeng­eben. „Ich freue mich richtig auf das nächste Jahr. Ich habe jetzt mein erstes Teilziel, Profi zu werden, erreicht. Aber ich will auch erfolgreic­h sein.“Deshalb spricht er sein Training nicht nur mehr mit seinem Vater ab, sondern auch schon mit Sunweb-trainer Steve Benton. Sein großes Projekt hat begonnen.

Gut möglich, dass der Augsburger schon im kommenden Jahr bei der Deutschlan­d-tour an den Start geht. „Es ist noch nichts entschiede­n, aber die Möglichkei­t besteht“, hofft Brenner, durchstart­en zu können. Am liebsten würde er sich mit einem großen internatio­nalen Titel aus dem Junioren-bereich verabschie­den. Zwei Chancen hat er dazu noch. Trotz Corona-pandemie werden die Europameis­terschaft und die Weltmeiste­rschaft stattfinde­n. Die Straßenrad-em war ursprüngli­ch in der italienisc­hen Provinz Trentino vom 9. bis 13. September geplant. Jetzt geht sie vom 24. bis zum 28. August in Frankreich in Plouay in der Bretagne über die Bühne. Die WM wird dann vom 20. bis 27. September in Aigle-martigny in der West-schweiz ausgetrage­n.

Diese Strecke wird sich Brenner Ende Juli genau ansehen: „Wir machen dort eine Woche Urlaub. Ich trainiere ein wenig und meine Eltern gehen mit den Hunden wandern.“Doch wer Brenner kennt, weiß, dass er da untertreib­t. Er wird sich penibel auf die Wettkämpfe vorbereite­n. Im vergangene­n Jahr holte er sich kurz nach seinem 17. Geburtstag Bronze im Wm-zeitfahren der Junioren in Yorkshire. Ein Wm-titel fehlt ihm noch. Das Regenbogen­trikot würde er sich notfalls auch wieder selbst überstreif­en.

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Foto: Mareike Engelbrech­t Marco Brenner war bei der deutschen Meistersch­aft im Einzelzeit­fahren nicht zu stoppen.

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