Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Ostsee ist voller Quallen
Eine Expertin erklärt, woran das liegt
Kiel Sie haben sich in diesem Jahr in großen Mengen viel früher als sonst in der Ostsee ausgebreitet und sie sind besonders groß: Quallen. „Vor drei Wochen haben wir speziell in der Eckernförder Bucht ein sehr dichtes Aufkommen an Ohrenquallen, vereinzelten Feuerquallen und eingeschleppten Rippenquallen beobachtet“, erklärt die biologische Ozeanografin Cornelia Jaspers. Letztere tauchten hier normalerweise im Spätsommer auf, in diesem Jahr aber schon im Mai.
„Im Winter ist sehr viel salzreiches Wasser aus der Nordsee und dem Kattegat in die südwestliche Ostsee geströmt“, erläutert Jaspers, die am Geomar Helmholtz-zentrum für Ozeanforschung in Kiel und an der Technischen Universität in Kopenhagen forscht. Der hohe Salzgehalt habe zu dem starken Aufkommen der Rippenqualle geführt. „Bei niedrigem Salzgehalt kann sich die Rippenqualle Mnemiopsis leidyi, zu Deutsch Meerwalnuss, nicht fortpflanzen.“Sie ist nicht giftig und damit für den Menschen ungefährlich – aber sie frisst heimischen Fischen Nahrung weg. Zudem habe der warme Winter den Bestand der Rippen- und auch der heimischen Ohrenquallen gefördert, sagt Jaspers. Statt zwei bis drei Grad – wie sonst in den vergangenen 40 Jahren – sei das Wasser diesmal um die fünf Grad warm gewesen. Weil Quallen auch im Meer treibende Organismen (Zooplankton) fressen, können sie zudem zu Sauerstoffschwund beitragen.
„Quallen gehören zum normalen Leben dazu“, sagt Jaspers über die Meerestiere, die nicht gerade beliebt sind und von denen einige Arten auch sehr giftig und gefährlich für den Menschen sind. „Es gibt sie ja schon seit 550 Millionen Jahren.“Der vom Aussterben bedrohte Europäische Aal sei im Sargassomeer davon abhängig, Quallen zu fressen. „Welche Schlüsselrolle Quallen im Ökosystem insgesamt haben, ist eine Frage, die noch weitgehend ungelöst ist.“