Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Das Rektorat bleibt in der Familie
Albert Kaps, der langjährige Chef der Kerschensteiner-schule, geht in Ruhestand. Die Nachfolgerin an der Grund- und Mittelschule ist seine Frau Gül Solgun-kaps. Warum sich die 53-Jährige für diese Aufgabe beworben hat
Lehrer-ehen oder -Beziehungen sind an sich nichts Außergewöhnliches: Mal nehmen sie an der Uni, mal in der Schule ihren Anfang. Auch bei Albert Kaps und seiner Frau Gül Solgun-kaps hat es am Arbeitsplatz gefunkt. Kennengelernt haben sich der damals frisch ernannte Chef der Kerschensteiner-schule und die Migrationsberaterin für türkische Lehrkräfte vor gut 20 Jahren bei einer Besprechung in seinem Büro. Künftig wird der 66-Jährige im Rektorat nur noch als Gast anzutreffen sein, denn er verabschiedet sich mit dem Beginn der Sommerferien in den Ruhestand. Dafür richtet sich seine Frau hier ein: Die 53-jährige Pädagogin übernimmt die Leitung der Grund- und Mittelschule im Hochfeld mit insgesamt rund 400 Schülern. Dass eine derartige Position in der Familie bleibt, ist durchaus ungewöhnlich.
Albert Kaps stellt gleich zu Beginn des Gesprächs klar, dass er mit der Entscheidung der Regierung von Schwaben für seine Frau rein gar nichts zu tun habe. „Ein Schulleiter hat keinen Einfluss, wer seine Nachfolge antritt.“Das sei auch in diesen Fall so gewesen. Gül Solgunkaps betont, dass sie ihrem Mann auch nicht gefragt, sondern ihm ihre Absicht einfach mitgeteilt habe.
Die Bewerbung sei vielmehr dem Wunsch nach einem Wechsel geschuldet gewesen. Nach vielen schönen Jahren als Lehrerin und Konrektorin im Bärenkeller sei jetzt die
Zeit reif für eine neue Herausforderung gewesen. Auch wenn die beiden Stadtteile weit auseinanderliegen, weisen die Schulen etliche Gemeinsamkeiten auf: Sie vereinen Grund- und Mittelschule unter einem Dach. Auch hat im Bärenkeller wie im Hochfeld ein Großteil der Schüler seine Wurzeln im Ausland – an der Kerschensteiner-schule sind das vor allem türkisch- und russischstämmige Kinder und Jugendliche. Gerade wegen ihnen freut sich Solgun-kaps, die Rektorenstelle bekommen zu haben. Sie sagt: „Durch meine Herkunft sehe ich mich als Vorbild und Brücke für sie und ihre Familien.“
Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kam die kleine Gül mit sieben
Jahren von der Türkei nach Augsburg, wo ihre Eltern als Lehrer für türkische Kinder arbeiteten. Mit Ehrgeiz und eisernem Willen schaffte sie es aufs Gymnasium und anschließend an die Uni, wo sie Lehramt für die Grundschule studierte.
Kaps beabsichtigt nicht, seiner Frau vorab etwas über seine Schüler zu erzählen. Genauso will er es auch mit dem Kollegium halten. „Sie soll alles selber kennenlernen.“Mit ihrem offenen Wesen dürfte der 53-Jährigen die Eingewöhnungsphase nicht schwerfallen. Ob diese im Vollbetrieb oder im Corona-modus erfolgt, ist ungewiss. Die neue Rektorin rechnet fest damit, dass die Pandemie noch das nächste Schuljahr prägen wird – auch wegen der
Reisen. Viele Familien würden die Ferien in ihren Herkunftsländern verbringen, ist sie überzeugt. Sie selbst verzichtet heuer schweren Herzens auf den Urlaub in ihrem Herkunftsland. „Zum ersten Mal seit 46 Jahren verbringe ich den August nicht in der Türkei.“Für Albert Kaps ist das Land am Bosporus längst zur zweiten Heimat geworden, obwohl er die türkische Sprache nicht so gut beherrscht wie die beiden 17-jährigen Zwillingssöhne.
Auf Abwechslung kann sich der Ruheständler auch hierzulande gefasst machen. So engagiert sich Albert Kaps seit vielen Jahren im Gersthofer Stadtrat – früher bei der CSU und heute bei der Wählervereinigung Pro Gersthofen. Hinzu dürften gerne wahrgenommene Aufgaben in der Großfamilie kommen, zu der beide Partner jeweils zwei Kinder aus ihren ersten Ehen beigesteuert haben – und die mittlerweile auch noch sechs Enkel sowie Gül Solgun-kaps’ 90-jährigen Vater umfasst.
Dass sich seine Tochter für die Kerschensteiner-schule beworben hat, dürfte ein Stück weit mit seiner Biografie zusammenhängen: „Mein Vater hat in den 1940er-jahren in der Türkei als Internatsschüler eine Bildung bekommen, die sich stark an dem Reformpädagogen Kerschensteiner orientiert hat.“Der Münchner Pädagoge Georg Kerschensteiner (1854–1932) ist heute noch in dem nach ihm benannten Schulhaus im Hochfeld in Form von Bildern und einer Büste lebendig.