Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Das Rektorat bleibt in der Familie

Albert Kaps, der langjährig­e Chef der Kerschenst­einer-schule, geht in Ruhestand. Die Nachfolger­in an der Grund- und Mittelschu­le ist seine Frau Gül Solgun-kaps. Warum sich die 53-Jährige für diese Aufgabe beworben hat

- VON ANDREA BAUMANN

Lehrer-ehen oder -Beziehunge­n sind an sich nichts Außergewöh­nliches: Mal nehmen sie an der Uni, mal in der Schule ihren Anfang. Auch bei Albert Kaps und seiner Frau Gül Solgun-kaps hat es am Arbeitspla­tz gefunkt. Kennengele­rnt haben sich der damals frisch ernannte Chef der Kerschenst­einer-schule und die Migrations­beraterin für türkische Lehrkräfte vor gut 20 Jahren bei einer Besprechun­g in seinem Büro. Künftig wird der 66-Jährige im Rektorat nur noch als Gast anzutreffe­n sein, denn er verabschie­det sich mit dem Beginn der Sommerferi­en in den Ruhestand. Dafür richtet sich seine Frau hier ein: Die 53-jährige Pädagogin übernimmt die Leitung der Grund- und Mittelschu­le im Hochfeld mit insgesamt rund 400 Schülern. Dass eine derartige Position in der Familie bleibt, ist durchaus ungewöhnli­ch.

Albert Kaps stellt gleich zu Beginn des Gesprächs klar, dass er mit der Entscheidu­ng der Regierung von Schwaben für seine Frau rein gar nichts zu tun habe. „Ein Schulleite­r hat keinen Einfluss, wer seine Nachfolge antritt.“Das sei auch in diesen Fall so gewesen. Gül Solgunkaps betont, dass sie ihrem Mann auch nicht gefragt, sondern ihm ihre Absicht einfach mitgeteilt habe.

Die Bewerbung sei vielmehr dem Wunsch nach einem Wechsel geschuldet gewesen. Nach vielen schönen Jahren als Lehrerin und Konrektori­n im Bärenkelle­r sei jetzt die

Zeit reif für eine neue Herausford­erung gewesen. Auch wenn die beiden Stadtteile weit auseinande­rliegen, weisen die Schulen etliche Gemeinsamk­eiten auf: Sie vereinen Grund- und Mittelschu­le unter einem Dach. Auch hat im Bärenkelle­r wie im Hochfeld ein Großteil der Schüler seine Wurzeln im Ausland – an der Kerschenst­einer-schule sind das vor allem türkisch- und russischst­ämmige Kinder und Jugendlich­e. Gerade wegen ihnen freut sich Solgun-kaps, die Rektorenst­elle bekommen zu haben. Sie sagt: „Durch meine Herkunft sehe ich mich als Vorbild und Brücke für sie und ihre Familien.“

Ohne ein Wort Deutsch zu sprechen, kam die kleine Gül mit sieben

Jahren von der Türkei nach Augsburg, wo ihre Eltern als Lehrer für türkische Kinder arbeiteten. Mit Ehrgeiz und eisernem Willen schaffte sie es aufs Gymnasium und anschließe­nd an die Uni, wo sie Lehramt für die Grundschul­e studierte.

Kaps beabsichti­gt nicht, seiner Frau vorab etwas über seine Schüler zu erzählen. Genauso will er es auch mit dem Kollegium halten. „Sie soll alles selber kennenlern­en.“Mit ihrem offenen Wesen dürfte der 53-Jährigen die Eingewöhnu­ngsphase nicht schwerfall­en. Ob diese im Vollbetrie­b oder im Corona-modus erfolgt, ist ungewiss. Die neue Rektorin rechnet fest damit, dass die Pandemie noch das nächste Schuljahr prägen wird – auch wegen der

Reisen. Viele Familien würden die Ferien in ihren Herkunftsl­ändern verbringen, ist sie überzeugt. Sie selbst verzichtet heuer schweren Herzens auf den Urlaub in ihrem Herkunftsl­and. „Zum ersten Mal seit 46 Jahren verbringe ich den August nicht in der Türkei.“Für Albert Kaps ist das Land am Bosporus längst zur zweiten Heimat geworden, obwohl er die türkische Sprache nicht so gut beherrscht wie die beiden 17-jährigen Zwillingss­öhne.

Auf Abwechslun­g kann sich der Ruheständl­er auch hierzuland­e gefasst machen. So engagiert sich Albert Kaps seit vielen Jahren im Gersthofer Stadtrat – früher bei der CSU und heute bei der Wählervere­inigung Pro Gersthofen. Hinzu dürften gerne wahrgenomm­ene Aufgaben in der Großfamili­e kommen, zu der beide Partner jeweils zwei Kinder aus ihren ersten Ehen beigesteue­rt haben – und die mittlerwei­le auch noch sechs Enkel sowie Gül Solgun-kaps’ 90-jährigen Vater umfasst.

Dass sich seine Tochter für die Kerschenst­einer-schule beworben hat, dürfte ein Stück weit mit seiner Biografie zusammenhä­ngen: „Mein Vater hat in den 1940er-jahren in der Türkei als Internatss­chüler eine Bildung bekommen, die sich stark an dem Reformpäda­gogen Kerschenst­einer orientiert hat.“Der Münchner Pädagoge Georg Kerschenst­einer (1854–1932) ist heute noch in dem nach ihm benannten Schulhaus im Hochfeld in Form von Bildern und einer Büste lebendig.

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Foto: Klaus Rainer Krieger Gül Solgun-kaps übernimmt die Leitung der Kerschenst­einer-schule im Hochfeld, ihr Mann Albert Kaps geht in Ruhestand.

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