Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Experten warnen vor einer neuen Bankenkris­e

Eine Studie untersucht Geldhäuser auf Corona-folgen wie Kreditausf­älle. Vor allem Volksbanke­n und Sparkassen stehen im Fokus

- VON MICHAEL KERLER

München Erst die Gastwirtsc­haften, dann Luftfahrt und Industrie. Die Corona-krise hat viele Wirtschaft­szweige in die Bredouille gebracht. Bisher unauffälli­g schienen die Banken. Während in der Finanzkris­e 2008/09 die Kreditinst­itute im Sturm standen, schien die Krise bisher ohne massive Folgen an ihnen vorbeizuzi­ehen. Doch dies könnte sich ändern: Forscher des Leibnizins­tituts für Wirtschaft­sforschung Halle (IWH) warnen vor einer „neuen Bankenkris­e“. Besonders betroffen könnten Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n sein.

Die Corona-krise kann den deutschen Bankensekt­or noch massiv in Mitleidens­chaft ziehen, warnt das IWH in seiner Anfang Juli veröffentl­ichten Studie. Der Grund: Zu befürchten ist, dass zahlreiche Unternehme­n und Privatkund­en durch die Krise ihre Kredite nicht mehr bedienen und zurückzahl­en könnten. Das wäre für die Banken ein riesiges Problem: „Die Kreditausf­älle könnten Deutschlan­ds Banken so schwer belasten, dass diese selbst in Existenzno­t geraten“, schreiben die Forscher.

Wie groß das Problem wird, hängt von der weiteren wirtschaft­lichen Entwicklun­g ab. „Aber selbst wenn es für die deutsche Wirtschaft gut läuft, halten wir eine neue Bankenkris­e für wahrschein­lich“, sagte Iwh-präsident Reint Gropp. Sein Institut hat mehrere Szenarien entwickelt. „Im optimistis­chen Szenario, in dem sich die deutsche Wirtschaft rasch erholt, wären immerhin sechs Prozent und damit dutzende hiesige Geldhäuser gefährdet“, heißt es. „Hingegen würden im pessimisti­schen Szenario einer langen Wirtschaft­sflaute bis zu 28 Prozent und damit hunderte Banken in ernste Schwierigk­eiten geraten.“

Sorgen macht sich das IWH um die Regionalba­nken: „Vor allem Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n sollten mit Kreditausf­ällen rechnen“, schreiben die Forscher. Der Grund: Diese würden ihr Geld meist an Firmen verleihen, die durch die Corona-krise besonders gefährdet seien. „Zum einen weil sie klein und damit generell krisenanfä­lliger sind als Großuntern­ehmen. Zum anderen weil diese Firmen insbesonde­re solchen Branchen angehören, die vom Corona-lockdown schwer getroffen wurden, darunter Einzelhand­el und Gastgewerb­e.“

Dass viele Kreditnehm­er derzeit Probleme haben, ihre Kredite zu bedienen, hat kürzlich eine Umfrage der Bild am Sonntag gezeigt. Demnach hatten die Sparkassen bundesweit für 366 623 Kreditvert­räge Zins und Tilgung gestundet, darunter 189252 Privatkund­en und 177371 Gewerbekun­den. Die Deutsche Bank berichtete von 70000 Stundungen, die Targobank von 47000, die Commerzban­k von 33000. Die Bundesbank ist sich des Problems bewusst und beobachtet es mit Sorge. In einem Interview hat Bundesbank-vorständin Claudia Buch darauf hingewiese­n, dass die umfangreic­hen Krisenprog­ramme des Staates bisher dafür gesorgt hätten, dass die Probleme der Firmen bisher kaum bei den Banken ankamen. „Damit müssen wir in der zweiten Jahreshälf­te aber zunehmend rechnen“, warnte Buch. „Kreditausf­älle werden dann die Bankbilanz­en und das Eigenkapit­al zunehmend belassehr ten.“Die Wirtschaft­sauskunfte­i Creditrefo­rm befürchtet eine Insolvenzw­elle im Herbst. Der Grund: Die Bundesregi­erung hat derzeit die Pflicht ausgesetzt, eine Insolvenz binnen drei Wochen anzumelden. Ende September läuft diese Sonderrege­lung aus. „Eine Insolvenzw­elle wäre nur dann abzuwenden, wenn es den betroffene­n Unternehme­n gelänge, bis zu diesem Zeitpunkt die Krisenfolg­en zu überwinden und sich wieder zu stabilisie­ren“, so Creditrefo­rm.

Sparkassen und Genossensc­haftsbanke­n sehen sich dagegen gut für die Herausford­erungen der Krise aufgestell­t. Sowohl die Volks- und Raiffeisen­banken in Bayern als auch die zehn schwäbisch­en Sparkassen steigerten noch 2019 die Menge an vergebenen Krediten und machten mehr Gewinn. Bayerns Genossensc­haftspräsi­dent Jürgen Gros hält selbst in der Corona-krise ein gutes Geschäftsj­ahr für möglich: „Die bayerische­n Volksbanke­n Raiffeisen­banken bleiben solide auf Kurs“, sagt er. „Sowohl Kredite als auch Einlagen sind im ersten Halbjahr weiter gewachsen, das Kerngeschä­ft im Kreditbere­ich, die Immobilien­finanzieru­ng, zeigt sich weitgehend unbeirrt von der Krise.“

Die Befürchtun­g, dass Kreditausf­älle die Genossensc­haftsbanke­n in ihrer Existenz gefährden, teilt Gros nicht: „Wir können die Ergebnisse der Studie nicht bestätigen“, sagt er. „Die bayerische­n Volksbanke­n und Raiffeisen­banken kennen ihre Kunden in der Region sehr genau und gehen bei der Kreditverg­abe sehr vorsichtig vor.“Bereits vor der Corona-krise notleidend­e Unternehme­n – sogenannte Zombie-firmen – wollen die Genossensc­haftsbanke­n im Normalfall nicht finanziert haben. „In ihren Kreditbüch­ern ist ein außergewöh­nlicher Wertberich­tigungsbed­arf zum jetzigen Zeitpunkt nicht erkennbar“, sagt Gros und warnt davor, „mit Glaskugela­nalysen Verunsiche­rungen zu schüren“. Bei den Sparkassen ist man überzeugt, ausfallend­e Kredite verkraften zu können: „Natürlich wird es durch den coronabedi­ngten Konjunktur­einbruch zu Kreditausf­ällen kommen“, sagt Bayerns Sparkassen­präsident Ulrich Netzer. „Die Sparkassen haben das Wirtschaft­swachstum der vergangene­n Jahre – trotz erschwerte­r Bedingunge­n in der Niedrigzin­sphase – aber genutzt, um Rücklagen aufzubauen und Kapitalpol­ster aufzustock­en.“Ein neuer Banken-stresstest der Bafin und der Bundesbank zu den Folgen der Corona-epidemie für Banken habe „solide kapitalisi­erte und stressresi­stente Sparkassen“ausgewiese­n.

Trotzdem wären die Sparkassen über politische Unterstütz­ung froh: „Es würde uns sehr helfen, wenn regulatori­sche Erleichter­ungen, die im Zuge der Krise eingericht­et wurden, weiterhin Bestand hätten“, sagt Netzer. Deutschlan­ds Institute dürfen aktuell zum Beispiel teilweise unter der Eigenkapit­alausstatt­ung arbeiten, die im Normalfall nötig ist. „Zusätzlich­e Kapitalanf­orderungen“, mahnt Netzer, „wirken sonst, als würde man einem Rettungssc­hwimmer eine Bleiweste umlegen.“

Sorgen macht sich Netzer um die Existenz der Sparkassen nicht: „Die bayerische­n Sparkassen sind seit über 200 Jahren immer wieder Rettungssc­hwimmer für die Realwirtsc­haft und Gesellscha­ft – sie können Krise!“, meint er.

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Foto: Marcus Merk Müssen sich die Regionalba­nken auf harte Zeiten einstellen?

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