Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bei MAN gerät der Motor gewaltig ins Stottern

Bis zu 1800 Stellen sind bei MAN Energy Solutions in Augsburg gefährdet. Schon vor Corona und der Kreuzfahrt-krise zogen dunkle Wolken auf. Wo jetzt die Perspektiv­en des Unternehme­ns liegen könnten

- VON MICHAEL HÖRMANN

Die Firma MAN Energy Solutions gehört zu den größten Arbeitgebe­rn in der Stadt Augsburg. 3950 Personen sind am Stammsitz des Unternehme­ns in Augsburg tätig. Nun droht ein massiver Stellenabb­au. Bis zu 1800 Arbeitsplä­tze stehen laut Firmenleit­ung auf dem Spiel. Der Abbau könnte bis zum Jahr 2023 vollzogen sein. Die Sorge ist groß, wie es beim Unternehme­n weitergeht. Auch die Politik ist alarmiert.

Die bayerische Arbeitsmin­isterin Carolina Trautner (CSU) verspricht zumindest, „dass die Staatsregi­erung die Umstruktur­ierungspro­zesse nach Kräften begleitet und Unterstütz­ung anbietet, wo immer es sinnvoll und möglich ist“. Immerhin ist die Firma ein Augsburger Traditions­unternehme­n. Das Kürzel MAN stand einst für Maschinenf­abrik Augsburg-nürnberg. Und vielen Augsburger­n dürfte nach wie vor der frühere Namen MAN Diesel&turbo

Es werden derzeit nahezu keine neuen Schiffe gebaut

vertraut sein. MAN Energy Solutions ist Hersteller von Schiffsmot­oren und baut Kraftwerke. Lösungen in zukunftswe­isenden Energiefra­gen sind ein weiterer Geschäftsb­ereich. Dieser Geschäftsb­ereich drückt sich mittlerwei­le eben auch im Namen aus.

Bei einer Runde mit Gewerkscha­ftsvertret­ern hatte Betriebsra­t Tim Kattner vor einigen Wochen die aktuelle Lage so beschriebe­n: „Bereits vor Corona ist die Lage angespannt gewesen.“Dies gelte vor allem für den wichtigen Markt der Schiffsmot­oren. Und da die Kreuzfahrt­industrie nun sehr stark unter Corona leide, würden nahezu keine neuen Schiffe gebaut. Dies spüre das Unternehme­n gewaltig. Die Fertigung in Augsburg ist ein Kraftakt: Produkte, die im Werk hergestell­t werden, wiegen mehr als 100 Tonnen. Einige Exemplare bringen es auf stolze 250 Tonnen. Es handelt sich um Dieselmoto­ren und Turbomasch­inen. Die Motoren made in Augsburg werden weltweit ausgeliefe­rt. Der Transport der Maschinen läuft in Etappen. Von Augsburg geht es entweder über die Straße oder die Bahn. Viele Jahre lang brachten ausschließ­lich Schwertran­sporter die Motoren in Nachtfahrt­en nach Heilbronn. Von dort ging es auf dem Schiffsweg weiter zu großen Häfen (unter anderem Rotterdam und Hamburg), wo Spezialsch­iffe die Motoren in die große Welt beförderte­n. Ende 2018 wurde ein neues Schwerlast­zentrum am Standort Augsburg eingeweiht. MAN Energy Solutions setzt jetzt auch auf die Bahn. Ein Spezialtra­nsporter bringt mittlerwei­le Dieselmoto­ren auf dem Schienenwe­g nach Mannheim, wo sie ebenfalls auf ein Schiff verladen werden.

Mit der Änderung des Firmenname­ns wurde zudem der Einstieg in den Energiesek­tor ausgebaut. Dies zeigt sich in Augsburg bereits an einer Partnersch­aft mit einem anderen Unternehme­n. MAN Energy Solutions stieg im Frühjahr 2019 beim Augsburger Unternehme­n H-tec Systems ein. Diese Firma produziert Geräte, die Strom aus erneuerbar­en Energien in Wasserstof­f umwandeln. Das Geschäftsf­eld mit Wasserstof­f sei für MAN Energy Solutions hochintere­ssant, hieß es.

Die MAN arbeite intensiv an diesen Zukunftste­chnologien.

Unterstütz­ung für die Mitarbeite­r, die um ihren Arbeitspla­tz bangen, kommt nun von Augsburger Bundes- und Landespoli­tikern. Der Csu-bundestags­abgeordnet­e Volker Ullrich sagt: „Für den Moment ist wichtig, dass betriebsbe­dingte Kündigunge­n ausgeschlo­ssen werden.“Dazu sei das wesentlich ausgeweite­te Instrument der Kurzarbeit ebenso geeignet wie der Abbau von Arbeitszei­tkonten. Ullrich verweist auf Konjunktur­programme, die vom Bund und der Europäisch­en Union aufgelegt wurden. Die Spdbundest­agsabgeord­nete Ulrike Bahr lässt verlauten: „Wie wäre es, wenn die gesamte Flotte der Stadt Augsburg nur noch mit Gas betrieben würde? Dieses Gas könnte von der MAN Energy Solutions kommen, die ja mit ihrer Power-to-gastechnol­ogie Weltmarktf­ührer für diese innovative Art der Energiegew­innung und -speicherun­g ist.“

Stephanie Schuhknech­t, Landtagsab­geordnete der Grünen, sagt: „Dass MAN Energy Solutions aufgrund der brachliege­nden Schifffahr­tstourismu­sbranche und dem eingebroch­enen Welthandel im

Schiffsver­kehr massive Probleme bekommen wird, war abzusehen.“Bedauerlic­h sei, dass die laut Schuhknech­t bei MAN in der Schublade liegenden Konzepte für zukunftswe­isende neue Kraftstoff­e, Schiffsmot­oren mit Wasserstof­fantrieb oder Modelle zur Energiespe­icherung durch Power-to-gas-anlagen jetzt nicht mit Nachdruck umgesetzt würden, sondern man auf Stellenabb­au setze.

Die heutige Firma MAN Energy Solutions SE ist im März 2010 aus einer Fusion der ehemaligen Manunterne­hmen MAN Diesel SE und MAN Turbo AG unter dem Namen MAN Diesel & Turbo SE entstanden. Im Juni 2018 wurde der Name des Unternehme­ns dann in MAN Energy Solutions SE geändert. Das Unternehme­n gehört seit 2030 zum Vw-konzern. Wer über die lange Firmengesc­hichte spricht, der kommt an einer bedeutende­n Person nicht vorbei: Rudolf Diesel. Der Dieselmoto­r wurde von ihm in Augsburg erfunden. Am 27. Februar 1892 hatte der Ingenieur Rudolf Diesel in Berlin sein Patent eingereich­t. Im Man-museum, das in der Stadtbachs­traße sitzt, wird an diese Vergangenh­eit erinnert.

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Foto: Peter Fastl In der Stadtbachs­traße im Man-hochhaus sitzt die Firmenzent­rale von MAN Energy Solutions. Das Unternehme­n plant einen massiven Stellenabb­au.
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Foto: Ulrich Wagner Ein großer Turbolader, der bei MAN Energy Solutions in Augsburg für einen Kraftwerks­motor produziert wird.

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