Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum sind die Infektionszahlen in Bayern so hoch? Kommt Bayern wirklich besser durch die Krise?
Im Kampf gegen das Coronavirus zeigt sich Ministerpräsident Markus Söder gerne als entschlossener Macher. Dabei gibt es im Freistaat inzwischen über 50000 Infizierte – mehr als in jedem
anderen Bundesland. Was ist also dran an der bayerischen Erfolgsgeschichte? Eine Bestandsaufnahme
Tatsächlich ist Bayern bis heute der Hotspot unter den Bundesländern. 382 von 100000 Menschen haben sich im Schnitt im Freistaat mit dem Coronavirus infiziert. Das ist der höchste Wert in der ganzen Republik. Ähnlich bevölkerungsreiche Länder weisen etwas niedrigere Werte auf – so wie etwa Badenwürttemberg (330) oder Nordrhein-westfalen (knapp 260). Den niedrigsten Wert findet man übrigens in Mecklenburg-vorpommern mit 50 Infizierten auf 100000 Einwohner.
Warum ist nun Bayern so stark betroffen? Das wird immer wieder damit begründet, dass es früher als andere Bundesländer von Corona heimgesucht wurde. Stichwort: heimkehrende Skiurlauber, von denen viele aus Süddeutschland kamen. Oder der erste deutsche Fall einer Covid-19-erkrankung überhaupt, der im Kreis Landsberg auftauchte. Schaut man auf den Infektionsverlauf, so schnellte er in Bayern rasch in die Höhe. Als dann der Lockdown beschlossen wurde, war der Freistaat schon stärker betroffen als viele andere Länder. So konnte sich das Virus noch schneller verbreiten. Was bis heute nachwirkt. Mit der konsequenten Umsetzung der Beschränkungen sank die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland stark. Kritiker betonen aber, dass die Staatsregierung in der Anfangsphase mangelhaft reagiert habe. So seien etwa die Kommunalwahlen am 15. März ein massiver Infektionsherd gewesen, der vermieden hätte werden können.
Die Sterberate in Relation zu den Infektionszahlen ist in Bayern hoch: Sie liegt bei 5,23 Prozent – also rund jeder 20. nachgewiesenermaßen mit Corona Infizierte stirbt an oder mit Covid-19. Die höchsten Werte weisen das Saarland mit 6,12 Prozent und Thüringen mit 5,47 Prozent auf. Weitere Vergleichszahlen: Baden-württemberg (5,02 Prozent) und Nordrhein-westfalen (3,69 Prozent). Der niedrigste Wert gilt für Mecklenburg-vorpommern mit 2,45 Prozent. Eine wissenschaftliche
für diese Unterschiede gibt es bislang aber nicht. Bei den Corona-tests liegt Bayern mit bislang 605000 Tests weit vorn. Mehr hat mit 731000 nur NRW vorgenommen, wobei dort fast 18 Millionen Menschen leben, in Bayern 13 Millionen. Der Freistaat liegt prozentual beim Testen in Deutschland mit rein rechnerisch 4,63 Prozent der Bevölkerung an der Spitze – nur getoppt von Berlin mit rund fünf Prozent. Allerdings können diese Zahlen auch Mehrfachgetestete enthalten – und sind deshalb mit Vorsicht zu bewerten. (mab)
Im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus hat die bayerische Staatsregierung drastische Maßnahmen beschlossen – die in diesem Ausmaß noch niemand erlebt hat. Das öffentliche Leben war wochenlang heruntergefahren, gefühlt jeden Tag wurden neue Einschränkungen verkündet. Obwohl bundesweit Spitzenpolitiker betonten, wie wichtig es sei, die Maßnahmen von Bund und Ländern zu koordinieren, preschte Bayern immer wieder mit seinen Entscheidungen voran – viele Länder zogen teils Tage später nach. Bayern hat also tatsächlich entschlossener gehandelt.
Ein Beispiel: Am 20. März kündigte die Staatsregierung bayernweite Ausgangsbeschränkungen an. Das Verlassen der eigenen Wohnung war nur noch wegen triftiger Gründe erlaubt, an die frische Luft gehen durfte man nur noch alleine oder mit den Personen, mit denen man zusammenlebt. Zu diesem Zeitpunkt war in es Baden-württemberg noch erlaubt, sich zu dritt zu treffen. In Nordrhein-westfalen war Ministerpräsident Armin Laschet skeptisch, wie wirksam eine Ausgangssperre überhaupt sein könnte. Sie sei das allerletzte Mittel, sagte er. Drei Tage später dann die Kehrtwende – auch in NRW wurden Ausgangsbeschränkungen verkündet.
Im Nachhinein lässt sich aber auch vermuten, dass der Freistaat vielleicht zahlreiche Ansteckungen verhindern hätte können, wenn er in manchen Bereichen noch schneller reagiert und noch forscher gehandelt hätte. Nach den Faschingsferien zum Beispiel setzte die Staatsregierung lediglich auf die Vernunft der Urlaubsrückkehrer – obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits befürchtete, dass sich unter den zurückkehrenden Skifahrern und Italienurlaubern etliche mit dem Coronavirus infiziert haben könnten. Und so war es auch: In Ischgl zum Beispiel infizierten sich hunderte Touristen, die das Virus in ganz Deutschland verteilten und auch zahlreiche Menschen in Bayern ansteckten. Auch Starkbierfeste waren noch erlaubt – was die Ausbreitung des Virus zumindest punktuell beförderte.
Als Ende April bundesweit über die ersten Lockerungen diskutiert wurde, zeigte sich der Freistaat weniger forsch. Ministerpräsident Söder kündigte einen vorsichtigeren Weg an. Eine ähnliche Linie verfolgte auch Baden-württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann, der sagte: Die Fortschritte im Kampf gegen die Coroerklärung na-pandemie seien ein zerbrechlicher Erfolg. Andere Bundesländer dagegen – darunter Nordrheinwestfalen, Thüringen, Sachsen-anhalt und Mecklenburg-vorpommern – setzten sich für immer mehr Lockerungen ein. (mahei)
Es ist immer ungerecht, von einer kleinen Episode gleich auf das große Ganze zu schließen. Aber sie ist eben so symptomatisch. Es geht um das Kleidungsstück dieses Jahres: die Maske. Wer sie trägt, zeigt Verantwortung, setzt ein Zeichen, ist Vorbild. Erst recht als Spitzenpolitiker. Nur man kann den Corona-schutz eben so oder so tragen. Aber nicht so wie Armin Laschet. Einer seiner ersten öffentlichen Auftritte nach Ausbruch des Virus wird zum Prdesaster. Der Ministerpräsident von Nordrhein-westfalen nimmt den Begriff Mundschutz zu wörtlich, die Nase bleibt unbedeckt. Laschet wird zur Lachnummer. Und sein Kollege aus Bayern?
Markus Söder weiß, worauf die Fotografen im Landtag warten. Er zieht aus der Innentasche seines Sakkos ein weiß-blaues Stück Stoff, die Kameras klicken, Blitzlichter blitzen. Söder trägt das bayerische Rautenmuster im Gesicht, die Inszenierung gelingt, kaum ein Medium im Freistaat zeigt sie nicht. Wie sagt der Bayer so schön: A Hund is er scho. Oft sind es nur solche Kleinigkeiten, die über den Gesamteindruck entscheiden. Söder hat die Bühne genutzt, um sich als entschlossener Macher zu zeigen. Er kam fast immer souverän rüber und manchmal sogar staatsmännisch. Laschet dagegen wirkte eher wie ein Getriebener.
Und so bleibt bei vielen Deutschen der Eindruck, der eine kann Krise, der andere nicht. Ob das gerecht ist, sei dahingestellt. Die Umfragen sprechen jedenfalls eine klare Sprache: Wenn es darum geht, wem die Deutschen eher die Kanzlerschaft zutrauen, liegt der bayerische Ministerpräsident mit weitem Abstand vor dem aus Nordrhein-westfalen. Bei der Zahl der Infizierten liegt übrigens ebenfalls der Freistaat vorne – aber das ist eben wieder eine andere Geschichte. (msti)
Der Wirtschaftsstandort Bayern ist besonders gebeutelt. Hier sind nicht nur überdurchschnittlich viele Beschäftigten in Kurzarbeit, auch die Arbeitslosenzahlen sind in keinem anderen Bundesland prozentual so stark gestiegen. Im Juni gab es 293 823 Arbeitslose – fast 50 Prozent mehr als im Vorjahresmonat. Zur Wahrheit gehört aber eben auch, dass Bayern mit nun 3,9 Prozent noch immer die niedrigste Arbeitslosenquote aller Länder hat. Der bundesweite Schnitt liegt bei 6,2 Prozent. Die wirtschaftliche Vollbremsung hat unter anderem damit zu tun, dass die Automobilindustrie phasenweise zum Stillstand gekommen war. Mit BMW und Audi sowie zahlreichen Zulieferbetrieben ist diese Branche im Freistaat, ähnlich wie in Baden-württemberg, besonders bedeutend. Zudem leben viele bayerische Firmen vom Export, auf dem Höhepunkt der Krise wurden allerdings kaum noch Waren ins Ausland geliefert. Auch der Tourismus ist in Bayern ein wichtiger Wirtschaftsfaktor – durch die Schließung von Hotels und Gastronomie gibt es auch hier besonders starke Einbrüche. (msti)
Bobby K. war erstaunt, wie schnell und unkompliziert er an sein Geld kam. Der 51-Jährige aus dem Berliner Bezirk Rudow hatte im April nicht nur für seinen Fensterputzbetrieb Soforthilfen beantragt, sondern auch noch für sechs weitere Firmen, die es überhaupt nicht gab. Wenige Tage später hatte er rund 35000 Euro auf dem Konto, weil ausgerechnet das als bürokratischlahm verschrieene Berlin die Corona-zuschüsse in Rekordzeit – und praktisch ohne jede Prüfung – an Unternehmer und vermeintliche Unternehmer verteilte.
Tobias K. aus München musste länger auf sein Geld warten. Zwar hatte der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger dem Eventunternehmer nach dem Zusammenbruch seines Geschäfts am Telefon rasche Hilfe versprochen. Bis die auf dem Konto des 29-Jährigen war, vergingen allerdings Wochen. Insgesamt hat Bayern 2,24 Milliarden Euro auf diese Weise an mehr als 300000 Betroffene ausgezahlt, im Schnitt 6900 Euro pro Antragsteller – und das nicht nur für Kleinund Kleinstbetriebe, sondern auch für Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitern. Anders als in Berlin hielt sich in Bayern offenbar auch der Missbrauch in Grenzen. Ende Mai zählte Justizminister Georg Eisenreich 163 entsprechende Ermittlungsverfahren – im deutlich kleineren Berlin waren es da bereits mehr als 600. Tendenz: weiter steigend.
Bobby K., das nur nebenbei, ist gerade zu 19 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden. Berlins Behörden, sagte sein Verteidiger im Prozess, hätten Unternehmer wie ihn regelrecht zum Betrug eingeladen. „Das ist, als wenn Sie 50 Euro auf die Straße legen. Irgendjemand wird es nehmen.“