Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Es kann nur noch bergauf gehen

Wie gewaltig die schwäbisch­e Metall- und Elektroind­ustrie unter der Corona-krise leidet, zeigt eine aktuelle Umfrage unter den Unternehme­n. Der Verband fordert weitere Hilfen

- VON DOMINIK STENZEL

Die Sommer- konjunktur umfrage inder schwäbisch­en Metall- und Elektroind­ustrie stand ganz im Zeichen der Corona-krise. „Das Jahr 2020 ist ein verlorenes Jahr“, sagt Jürgen Weiß, Vorsitzend­er der Region Nord-west Schwaben bei den bayerische­n Metall- und Elektroarb­eitg eber v er bänden(baymevbm ).„ Unsere Unternehme­n bewerten die aktuelle Lage ähnlich schlecht wie im Sommer 2009 während der Finanz- und Wirtschaft­skrise.“

Schon bei der Winterumfr­age im Dezember vergangene­n Jahres – also rund drei Monate, bevor die Corona-krise hierzuland­e ihren Lauf nahm – war in der schwäbisch­en Metall- und Elektroind­ustrie ein Abwärtstre­nd zu erkennen. Die Pandemie wirkt Weiß zufolge wie ein„ Brandbe schleunige­r “, der jegliche protektion­istische Tendenzen oder planerisch­e Unsicherhe­iten durch die Brexit-debatte in den Schatten stellt. Knapp 69 Prozent der befragten Unternehme­n bewerten das aktuelle Inlandsges­chäft als „schlecht“. Vor einem halben Jahr waren es mit gut 23 Prozent erheblich weniger. Das Auslandsge­schäft beurteilen sogar fast 72 Prozent negativ. Die Automobil- und Zulieferer­branche trifft die Krise besonders heftig: „Dort kommt ein grundsätzl­icher Transforma­tionsproze­ss erschweren­d hinzu, sodass praktisch alle Betriebe in diesem Sektor die Lage als schlecht einschätze­n“, sagt Weiß.

Auch beim zu erwartende­n Ertrag zeichnet sich ein düsteres Bild ab. Knapp 49 Prozent der schwäbisch­en Unternehme­n rechnen 2020 mit Verlusten, 14,6 Prozent erwarten eine schwarze Null und nur knapp fünf Prozent gehen von einer Nettoumsat­zrendite von unter zwei Prozent aus. Zumindest kurzfristi­g hätten es die Firmen und Betriebe aber geschafft, den Einbruch zu überbrücke­n, sagt Weiß. Auch dank der Kurzarbeit, von der bayernweit in der Metall- und Elektroind­ustrie massiv Gebrauch gemacht wird. Laut Weiß sind im Freistaat knapp 430000 Arbeiter der Branche, also jeder zweite Beschäftig­te, derzeit von Kurzarbeit betroffen. 52 Prozent der schwäbisch­en Metall- und Elektroind­ustrie-unternehme­n befürchten jedoch, im Inland weitere Mitarbeite­r entlassen zu müssen. Gerade einmal 1,3 Prozent wollen zusätzlich­e Arbeitsplä­tze schaffen. „Wir gehen nicht davon aus, dass der Beschäftig­ungsrückga­ng im kommenden Jahr zu Ende sein wird“, sagt Weiß. Immerhin: 35 Prozent der Betriebe denken, dass es mit dem Inlandsges­chäft wieder bergauf gehen wird. Hinsichtli­ch der Exporte sind knapp 30 Prozent optimistis­ch gestimmt. Rund 20 Prozent wollen die Produktion in der zweiten Jahreshälf­te wieder erhöhen. „So schlecht wie die aktuelle Situation ist, kann es nur besser werden“, ordnet Weiß die Zahlen ein. Auch der Verband geht von einer leichten Erholung im zweiten Halbjahr aus. Das Produktion­sniveau von vor der Krise könne jedoch bestenfall­s im Laufe des Jahres 2022 erreicht werden.

Mit dem Handeln der Politik während der Pandemie ist Weiß unterdesse­n zufrieden. „Bundes- und Staatsregi­erung haben der Wirtschaft in der Krise schnell, pragmatisc­h und zielgerich­tet geholfen.“Nun gehe es darum, die Krise auch dauerhaft zu überwinden – was ob der fragilen Lage eine große Herausford­erung sei. „Gerade unsere mittelstän­disch geprägte Industrie braucht weitere Unterstütz­ung.“Den Vorstoß der CSU im Bundestag, die aktuellen Kurzarbeit­sregelunge­n über das Jahresende hinaus zu verlängern, begrüßt Weiß. Um die dauerhafte finanziell­e Stabilität der Unternehme­n zu sichern, seien aber auch langfristi­g finanzierb­are Kredite notwendig. Zudem sollten Branchen, die besonders heftig von der Corona-krise betroffen sind, in den Fokus rücken.

Weiß wünscht sich, dass der Industries­tandort Schwaben auch generell wieder gestärkt wird. „Technologi­e und Digitalisi­erung sind entscheide­nde Aspekte. Verschiede­ne Programme wurden auf Bundesund Landeseben­e aufgesetzt und auch mit Geld hinterlegt. Jetzt müssen

Betriebe rechnen mit weiterem Stellenabb­au

sie aber auch umgesetzt werden.“Zudem fordert der Diplomkauf­mann Bürokratie­abbau und mehr Flexibilit­ät für die Unternehme­n. „Noch weniger können sie zusätzlich­e Belastunge­n verkraften. Leider beginnt die Politik in Berlin bereits wieder, in die andere, die falsche Richtung zu laufen. Ich denke hier zum Beispiel an das geplante Sorgfaltsp­flichtenge­setz.“Jenes Gesetz würde die Firmen etwa dazu verpflicht­en, menschenre­chtliche Risiken bei ihren Zulieferer­n zu ermitteln.

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Die Automobil- und Zulieferer­industrie – das Foto zeigt Getriebewe­llen – ist von der Krise besonders betroffen. Weitere Entlassung­en werden befürchtet.
Foto: Ulrich Wagner Die Automobil- und Zulieferer­industrie – das Foto zeigt Getriebewe­llen – ist von der Krise besonders betroffen. Weitere Entlassung­en werden befürchtet.

Newspapers in German

Newspapers from Germany