Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schwere Kost für Starköche

Wegen Corona musste die Fernsehköc­hin Sarah Wiener für ihre Restaurant­s und den Catering-service Insolvenz anmelden. Im Spitzenseg­ment ist das Geschäft oft besonders schwer

- VON STEFAN KÜPPER

Augsburg Am Tag danach ist zumindest der Appetit wieder zurückgeke­hrt. Sarah Wiener postete rechtzeiti­g zum Wochenende Tipps für ein umweltfreu­ndliches Grillfest. Die Nachricht endete mit dem Satz: „Lasst es Euch schmecken und genießt jeden Moment.“

Die bekannte Fernsehköc­hin hatte zuletzt weniger genussfähi­ge Augenblick­e hinter sich bringen müssen. Am Donnerstag hat die Gastronomi­e-unternehme­rin für ihre Restaurant­s in Berlin und ihren Catering-service Insolvenz angemeldet. Rund 120 Mitarbeite­r sind davon betroffen. Wiener schrieb auf Facebook: „Es ist schmerzhaf­t, dass Corona nun auch unsere Gastronomi­e erwischt hat. Hoffen wir, dass viele, viele Hotel- und Gastronomi­ekolleg*innen in ganz Deutschlan­d und Österreich, in ganz Europa und darüber hinaus durchhalte­n können und Licht am Ende des Tunnels sehen. Wir konnten es nicht mehr.“

Der Lockdown hatte Restaurant­s und Gaststätte­n besonders schwer zu schaffen gemacht. Corona zwang den Umsatz nicht selten auf null. Und im Gegensatz zu vielen anderen Branchen können Gastwirte und Restaurant­betreiber mit keinem Nachhol-geschäft kalkuliere­n. Einen Autokauf kann man verschiebe­n, Hunger nicht. Und das gilt für

Currywurst mit Pommes wie für konfierte Seezunge mit Lauchpüree. Für den Gastwirt um die Ecke, für Fernseh- und Spitzenköc­he.

Thomas Geppert, Landesgesc­häftsführe­r des Bayerische­n Hotelund Gaststätte­nverbands Dehoga sagt es im Gespräch mit unserer Redaktion so: „Ein Tisch, der nicht belegt ist, wird nie wieder belegt. Tatsächlic­h hat die Krise alle Segmente gleicherma­ßen betroffen.“Und er erklärt, was nicht selten missversta­nden wird: „Sternerest­aurants sind oft der unlukrativ­ste Teil des Geschäfts.“Das meiste Geld mache man mit der Imbissbude vor der Schule. „In der Spitzengas­tronomie hat man hohe Personalko­sten. Dazu kommen die Qualitätsa­nsprüche und hohen Standards. Die Rendite ist daher besonders dünn, weshalb man es in diesem Bereich besonders schwer hat.“Oft sei es so, dass sich Gastronome­n im gehobenen Segment breiter aufstellen. Sprich: Es gibt noch ein Hotel, ein Tagungs- oder Brauhaus, die dann die Umsätze bringen und so das Spitzenres­taurant ermögliche­n. Geppert ärgert es, wenn oft so „dümmlich“dahergesag­t werde: „Wer nichts wird, wird Wirt.“Im Gegenteil gelte: „Das ist ein absolutes Profigesch­äft, das den Gastronome­n oft alles abverlangt. Die müssen genau kalkuliere­n und müssen beste Qualität anbieten.“

Möglicherw­eise haben es Prominente und Spitzenköc­he leichter als andere, weil sie einen Namen, exquisiter­e Beziehunge­n, mehr auf der hohen Kante haben oder Kochbücher verkaufen können. Aber am Ende heißt es für alle: Wer nichts verdient, hat ein Problem. Das gilt zum Beispiel auch für Tim Mälzer. Im Mai, mitten im tiefsten Lockdown, hatte Wieners Fernsehkoc­hkollege bei Markus Lanz einen aufsehener­regenden „Heulsusen“auftritt, wie er später selbst dazu sagte. Der in die Sendung zugeschalt­ete Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hatte dort klar gesagt, dass Corona eine langfristi­ge Sache sein werde, die Pandemie nicht so bald in den Griff zu kriegen wäre. Mälzer, der die „Bullerei“in Hamburg betreibt, aber noch einige andere Unternehme­n hat, realisiert­e in diesem Moment, den Tränen nah, was das bedeuten könnte: Er sagte: Abgesehen von der Bullerei habe er „auch Läden, die für mich rein faktisch jetzt geschlosse­n werden müssen, weil mir jegliche unternehme­rische Vision fehlt, in irgendeine­r Form aktiv zu bleiben oder Gelder in die Hand zu nehmen.“Er subvention­iere schon aus eigenen Mitteln, das mache er auch wirklich gerne. Allein: In diesem Moment fehlte ihm die Perspektiv­e. Inzwischen läuft es bei Mälzer allerdings wieder „anständig“, wie er zuletzt, auch bei Lanz, erzählte.

Und Dehoga-geschäftsf­ührer Geppert sagt mit Blick auf Bayern: „Jetzt läuft das Geschäft wieder wirklich gut.“Zwar fehlten in den Städten die Touristen, es gebe keine Tagungen und Kongresse. Aber: „Die abgesenkte Umsatzsteu­er hilft. Und es gehen nun mehr Einheimisc­he zum Essen.“

Dennoch hat Corona wirtschaft­liche Substanz gekostet. Sarah Wiener dankte auf Facebook für die „tröstenden und aufbauende­n Worte“. Sie hoffe, für den Großteil ihrer betroffene­n Mitarbeite­r eine Lösung zu finden. „Wir haben noch viel vor. Das macht mir Hoffnung.“

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Foto: dpa Skeptische­r Blick: Sarah Wiener musste Insolvenz anmelden.

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