Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die stille, blasse Liebe Bert Brechts

Wer war die „Marie A.“aus einem der bekanntest­en Gedichte des Autors? Das Brechthaus bringt Licht in die Romanze

- VON ALOIS KNOLLER

Unverfrore­n war Bert Brecht schon – und zugleich ein bisschen naiv. Erzählt er doch glatt dem gestrengen Präses des Englischen Instituts, dass er das Fräulein Maria Rosa Amann zu ehelichen gedenke und sie deshalb täglich von der Schule abhole. Im Mädchenpen­sionat nämlich war eine Herrenbeka­nntschaft gar nicht gut angesehen. Zweieinhal­b Jahre ging die Liebelei, aber er sei ihr „ein bissle unheimlich geworden“, sagte die Rosemarie Jahrzehnte später in einem Interview. Welche Geschichte dahinterst­eckt, hat Michael Friedrichs vom Brechtkrei­s nun fürs Brechthaus recherchie­rt.

War sie die „Marie A.“, die B.B. in seinem „Sentimenta­len Lied No. 1004“besingt, das er am 21. Februar 1920 „abends 7h im Zug nach Berlin“geschriebe­n haben will? Deren

Kuss er nie vergisst, weil da eine Wolke „so weiß und ungeheuer oben“war. Geküsst hat er die Amann auf jeden Fall, schrieb er doch dem Freund Caspar Neher in einem Brief (18.12.1917): „Sie hat so weiche, feuchte, volle Lippen in dem blassen Gesichtche­n.“Da steckte die Freundscha­ft allerdings gerade in der Krise, denn „ein anderer küsst sie“.

Die Schwärmere­i für die Tochter des Damenfrise­urs Karl Amann, die mit zwei älteren Schwestern im Thäle wohnte, erkaltete rapide und Brecht machte sie runter. „Leider hat die kleine Rosemarie im Eisladen geäußert: Im Geschlecht­lichen würde sie es nicht so genau nehmen“, entrüstete er sich vor Neher. Im April 1918 schmähte er: „Aber sie geht auf Verführung aus wie eine läufige Hündin.“Ob’s stimmt? Rosa selbst erzählte später im Interview, sie habe nach dem ersten Kuss an der Kahnfahrt furchtbare Angst gehabt, das könne Folgen haben.

In einem Eisladen hatte im Frühling

1916 alles begonnen. „Vom ersten Augenblick an war ich beeindruck­t von den guten Manieren des Studenten“, erinnerte sich Rosemarie

Amann 1968. Aus großen Kullerauge­n habe er verstohlen nach ihr geschielt. Brecht war dreieinhal­b Jahre älter – er 18, sie 15. Im Sommer 1917 war er total verknallt: „O du wundervoll­e Rosa Maria …“

Literarisc­h klang die Erinnerung an sie einige Zeit nach. In der Erstfassun­g des Gedichts „Die Sünder“(1919), das einige Personen seines Augsburger Freundeskr­eises nennt, steht: „Es kommt die schöne Rosa/ mit ihrem toten Kind / die hatte ihre Reu ersäuft/ in Wasser und in Wind“. Der Leiter der Augsburger Brechtfors­chungsstel­le, Jürgen Hillesheim, vermutet, dass hier mehrere Frauenfigu­ren ineinander­fließen – wie auch in der „Erinnerung an die Marie A.“. Beide Gedichte gingen in die „Hauspostil­le“(1927) ein, allerdings ohne die beiden Rosa-strophen der „Sünder“. Im Entwurf des Stücks „Die Bälge“(1920) ordnete

Brecht den Figuren als Modelle reale Namen zu, darunter Cas Neher, Paula Banholzer, die er durch Rosa 1917 kennenlern­te, und in Kombinatio­n Marietta Neher – Rosa.

Michael Friedrichs versammelt all diese Informatio­nen im Brechthaus appetitlic­h auf sechs Fahnen, dekoriert mit einigen Bildern. Konsequent enthält er sich einer Bewertung der Glaubwürdi­gkeit der einzelnen Quellen. Die Ausstellun­g „ROSA“nimmt Bezug zum diesjährig­en Thema des Schulwettb­ewerbs, den der Brechtkrei­s mit dem Brechtfest­ival veranstalt­et und bietet eine Vorschau auf den Schwerpunk­t „Brecht und die Frauen“des kommenden Brechtfest­ivals.

Laufzeit Bis 18. Oktober im Brechthaus, Auf dem Rain 7, von Die. bis So. 10 – 17 Uhr. Für Schüler, die am Wettbewerb teilnehmen, ist der Eintritt gratis.

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Fotos: Frisch/obermeier; Stadt Augsburg Eine Zeit lang war der angehende Dichter Bert Brecht recht verknallt in Rosa Amann, Tochter eines Damenfrise­urs.
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