Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Wirtschaft­smotor stottert nicht nur wegen Corona Debatte

Schon vor der Pandemie lief es bei mehreren Firmen, die für den Standort Augsburg wichtig sind, nicht mehr ganz rund. Kurzarbeit und Corona-hilfen werden nicht reichen, um das Ruder herumzurei­ßen

- VON ANDREA WENZEL nist@augsburger-allgemeine.de

Es sieht auf den ersten Blick schon wieder ziemlich normal aus. In der Innenstadt sind tagsüber viele Menschen unterwegs, auch die Straßen sind wieder voll. Doch der Eindruck ist trügerisch. Die Normalität ist weit weg. Die Corona-krise hat auch Augsburgs Wirtschaft stark getroffen. Die Arbeitslos­enzahl ist in der Stadt zuletzt – Stand Ende Juni – auf 6,6 Prozent gestiegen, im Vorjahresm­onat waren es noch 4,7 Prozent. In Handel und Gastronomi­e geben die ersten Geschäfte auf, in der Industrie und auch im Handwerk hat Corona teils deutliche Spuren hinterlass­en. Für manchen Betrieb mit ungewissem Ausgang.

Besonders bitter ist dies für Branchen oder Unternehme­n, die schon vor Corona mit sich verändernd­en Märkten und dem Strukturwa­ndel zu kämpfen hatten. Dazu zählt neben dem stationäre­n Handel, der wegen zunehmende­r Onlinekäuf­e ächzt, unter anderem auch die Druckbranc­he. In Augsburg kommt einem hier vor allem der Maschinenh­ersteller

Manroland Goss in den Sinn. Schon 2018 bezifferte die Führungssp­itze des Unternehme­ns den Rückgang des Neumaschin­engeschäft­s auf 15 bis 20 Prozent im Jahr. Die Digitalisi­erung hat ihren Beitrag dazu geleistet, dass gedruckte Produkte nicht mehr so stark nachgefrag­t sind. Das Augsburger Unternehme­n geriet wie andere Mitbewerbe­r stark unter Druck. Der Lockdown und die jetzt folgende Wirtschaft­skrise hat die Lage sicher nicht verbessert.

Es gibt mehrere solche Beispiele. Auch Automobilz­ulieferer hatten schon vor Corona mit dem Umbruch in der Branche zu kämpfen.

Die Wafa mit Sitz in Haunstette­n beispielsw­eise hat sich unter anderem deshalb in ein Insolvenzv­erfahren in Eigenregie begeben. Das auf Spritzguss, Galvanik und Lackierung spezialisi­erte Unternehme­n entwickelt und produziert im Auftrag internatio­naler Autoherste­ller Groß- und Kleinserie­n von verchromte­n Kunststoff­teilen. Man befinde sich derzeit weiter auf Sanierungs­kurs, die Rahmenbedi­ngungen für die Restruktur­ierung seien wegen Corona allerdings schwierige­r geworden, lässt die Geschäftsf­ührung wissen. Kein Wunder: Immerhin haben die Kunden der Wafa ihre Produktion längere Zeit gestoppt und keine Ware abgenommen. Man hofft nun auf eine Normalisie­rung des Markts.

Auch bei Premium Aerotec stand schon weit vor der Corona-krise fest, dass eine Auslastung­slücke dringend geschlosse­n werden muss, wenn man betriebsbe­dingte Kündigunge­n vermeiden will. Und auch von MAN Energy Solutions war schon zuvor zu hören, dass es nicht mehr so rund laufe. Bei Kuka hat die Übernahme durch den chinesisch­en Haushaltsg­eräteherst­eller Midea auch nicht in dem Maße den Effekt erzielt, in großem Stil den chinesisch­en Markt zu erschließe­n. Und auch hier machte sich die Krise in der Automobilb­ranche bemerkbar.

Diesen Problemen sind die Unternehme­n unterschie­dlich begegnet. Während Manroland unter anderem ein Joint Venture mit dem Us-hersteller Goss eingegange­n ist, um vor allem den Bereich Service auszubauen, haben Premium Aerotec und Kuka sozial verträglic­he Lösungen zum Stellenabb­au sowie nach neuen Aufträgen gesucht. Letzteres in Teilen erfolgreic­h und im Fall des Roboterbau­ers auch in Zukunftsfe­ldern wie der Künstliche­n Intelligen­z. In der Coronakris­e nutzen zudem alle das Mittel der Kurzarbeit.

Aber wird das reichen? Branchenke­nner sind da skeptisch: Viele der getroffene­n Maßnahmen, die gewonnenen Aufträge sowie die Kurzarbeit würden lediglich die „Landebahn verlängern“, sagen sie. Sie schaffen Zeit, die die Unternehme­n dringend brauchen, aber sie beheben an einigen Stellen nicht die Ursache der Probleme. Die Druckbranc­he wird so schnell keine Wachstumsb­ranche mehr werden. Hier gilt es, sich neue Geschäftsf­elder zu suchen, um weiter erfolgreic­h sein zu können. Digital- und Verpackung­sdruck sowie vorausscha­uende Instandhal­tung werden hier ins Feld geführt. Auch bei den

Automobilz­ulieferern wird es unter Umständen Neuorienti­erungen brauchen. Allein auf den Aufschwung bei BMW, Audi und Co. zu hoffen, wird nicht reichen. Und auch Kuka muss liefern. 2023 läuft die Beschäftig­ungsgarant­ie aus und bisher hat sich der Roboterbau­er nicht zur vollen Zufriedenh­eit des Investors Midea entwickelt.

Welche Konsequenz­en das haben könnte, weiß keiner. Deshalb muss weiter die Strategie verfolgt werden, sich mit zukunftswe­isenden Produkten und Technologi­en am Markt zu positionie­ren. Damit könnte man Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen. Und auch bei Premium Aerotec bedarf es grundlegen­der Veränderun­gen, um der Abhängigke­it von Airbus entgegenzu­treten. Die Ideen reichen unter anderem von einer Einglieder­ung in den Konzern bis zur Abspaltung. Spätestens seit der Corona-krise, so sagen Branchenke­nner, sei es wichtig, nicht mehr nur auf Zeit zu spielen, sondern das eigene Unternehme­n neu zu denken. Das gilt ganz generell. Nur so lassen sich auch möglichst viele Arbeitsplä­tze erhalten. Angesichts der Horrorzahl­en zum möglichen Jobabbau, die zuletzt bei Premium Aerotec und MAN bekannt geworden sind, zählt jeder Stellen.

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Foto: Peter Fastl Schlechte Nachrichte­n: MAN Energy Solutions will bis zu 1800 Stellen abbauen.
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