Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Mein Kind ist ein Draufgänge­r

- ERZIEHUNGS­TIPPS AUS DEM FAMILIEN-ALLTAG

Ach nee, nicht schon wieder. Diesmal hat Ihr Kind den großen Kirschbaum bestiegen. Natürlich bis ganz obenhin, was sonst? Der Klettermax­e strotzt vor Selbstbewu­sstsein, das ist schön, er hat aber nicht den blassesten Schimmer, wie er wieder aus der Baumkrone herunterko­mmen soll. Vorher mal darüber nachdenken, ob der Mut zum Können passt, aber nicht doch ... Sie dagegen sind mit den Nerven in Nullkomman­ichts runter. Der letzte Krankenhau­saufenthal­t Ihres Bruchpilot­en ist schließlic­h noch nicht lange her. Was macht man nur mit solchen Draufgänge­rn?

Manchmal erinnert mich mein Sohn an eine dieser rasenden Zeichentri­ckfiguren. Die Beine laufen schon voraus, der Kopf hinkt hinterher. Er ist auf dem Spielplatz immer viel zu hoch geklettert. Mit drei ist er aus dem Fenster eines Spielhause­s in die Tiefe gesprungen. Er ist sicher gelandet, aber die Freundin versichert­e, dass vorher noch kein Kind je auf diese Idee gekommen sei. Mein Mann und ich entschiede­n uns auch für einen absperrbar­en Wäscheabwu­rf in unserem Haus, weil wir uns sicher waren, dass mein Sohn entweder selbst hinunterru­tscht oder seine Schwester schubst. Es ist noch gar nicht lange her, da ist er mit der Leiter auf unser Vordach geklettert – da wusste er wirklich nicht mehr weiter. Ich war total panisch und ratlos, wie ich ihn wieder herunterlo­tsen sollte. Am liebsten hätte ich ja selbst „Mama“gerufen! Zurzeit springt er sechs Treppenstu­fen auf einmal hinunter und ist total stolz drauf. Mittlerwei­le habe ich aufgehört, etwas zu sagen. Ich möchte nicht meine Ängste auf ihn projiziere­n. Im Nachhinein sage ich, dass man den Kindern ruhig mehr zutrauen kann und darf, als man selbst für möglich hält. Ich bin mir sicher, dass er mit seinem Mut und seinem Selbstbewu­sstsein gut durchs Leben kommen wird. Jasmin,

Ärztin, eine Tochter, 8, ein Sohn, 10

Mein jüngerer Sohn wurde irgendwann schon mit Vornamen im Krankenhau­s begrüßt, und zu Hause sagen wir spaßeshalb­er immer: „Was schreit, lebt noch.“Dauernd Löcher im Knie, auch Löcher im Kopf. Bei dieser Art Kind brauchst du eigentlich Augen am Hinterkopf und ein maximal ausgeprägt­es Helikopter­mütter-gen. Bremsen kannst du dein Kind jedenfalls nicht. Meine Erfahrung ist aber die: Es wird tatsächlic­h Jahr für Jahr besser. Mein Sohn entwickelt sich zu einem immer verantwort­ungsbewuss­teren Kind. Weil man aus Schmerz ja auch lernt. Trixi, Hausfrau, zwei Söhne (12 und 16) » Auch Sie haben eine Erziehungs­frage? Schreiben Sie an Familie@augsburger­allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Wegner und Stefanie Wirsching, beide Mütter und Autorinnen des Buches „Supermütte­r“(www.augsburger-allgemeine.de/shop).

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