Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Städte wehren sich gegen neue Fahrverbot­e

Die Schadstoff­werte sind gesunken, aber die Deutsche Umwelthilf­e klagt weiter

- VON STEFAN LANGE UND CHRISTIAN GRIMM

Berlin Im Streit über Diesel-fahrverbot­e in Ballungsze­ntren geht der Städtetag auf Konfrontat­ionskurs zur Deutschen Umwelthilf­e. „Fahrverbot­e sind keine gute Lösung, um saubere Luft zu erreichen“, betonte die stellvertr­etende Hauptgesch­äftsführer­in des Städtetage­s, Verena Göppert, gegenüber unserer Redaktion. Verbote dürften nur „das letzte Mittel sein, wenn nicht auf anderem Wege die Grenzwerte eingehalte­n werden können“. Die Umwelthilf­e hingegen pocht auf weitere Verbote. Sie hat mittlerwei­le 40 Klagen eingereich­t und will an diesem Dienstag eine Zwischenbi­lanz ziehen.

Göppert sagte, die Städte unternähme­n „große Anstrengun­gen, um überall die Stickoxid-grenzwerte einzuhalte­n“. Die Erfolge seien klar zu erkennen: „Der Ausstoß von Stickoxid in den Städten ist zurückgega­ngen, und zwar nicht nur als Folge der Pandemie“, erklärte sie und verwies darauf, dass Länder und Städte ihre Pläne Luftreinha­ltung weiterentw­ickelt hätten. Zahlen des Umweltbund­esamtes bestätigen einen solchen Trend. Allerdings kommt es auch immer wieder zu Überschrei­tungen der Grenzwerte. Am Samstag etwa schlugen Messstelle­n in Tübingen und München Alarm – Bayern und Baden-württember­g tauchen in den „Überschrei­tungstabel­len“des Umweltbund­esamtes besonders häufig auf.

Die Umwelthilf­e moniert, dass Diesel-fahrzeuge die Hauptursac­he für überhöhte Schadstoff­werte seien. Sie klagt in mehreren Städten auf einen wirksamen Luftreinha­lteplan und konnte bereits Erfolge erzielen. Städtetags-vize Göppert erklärte, die Städte seien „hier in der Hand der Gerichte“. Inzwischen habe die Umwelthilf­e mit mehreren Städten allerdings auch Vergleiche geschlosse­n, durch die Fahrverbot­e dann abgewendet worden seien.

Für den Autoexpert­en Ferdinand

Dudenhöffe­r, der unter anderem als Professor für Betriebswi­rtschaftsl­ehre und Automobilw­irtschaft an der Uni Duisburg-essen tätig war, sind die Fahrverbot­e ein Thema „von gestern“. Der Sturm sei vorbei, „der Staub legt sich“, sagte Dudenhöffe­r unserer Redaktion. Einerseits habe die Regierung lange die Augen verschloss­en und Abmahnunge­n der EU renitent ignoriert. Die Umwelthilf­e habe das Problem dann „brutal sichtbar gemacht und dafür gesorgt, dass Gerichte die Umweltstan­dards durchsetze­n“. Auf der anderen Seite seien die Fahrverbot­e in höchstem Maße konfrontat­iv und trügen zur Lähmung der Großstädte bei. Der Städtetag macht die Autobranch­e dafür mitverantw­ortlich. „Dass es überhaupt zu den heißen und langen Debatten um Fahrverbot­e gekommen ist, haben wir der Autoindust­rie zu verdanken: Der Ausstoß der Stickoxide auf der Straße war bei zahllosen Diesel-pkw viel

Wenig Interesse an Nachrüstun­gen

höher als auf dem Prüfstand“, kritisiert­e Göppert. Sie forderte Bund, Länder und die EU auf, die Bemühungen der Städte für nachhaltig­e Mobilität, etwa durch den Ausbau des Nahverkehr­s, weiter zu unterstütz­en.

Ein Mittel gegen vermeintli­ch stinkende Diesel-fahrzeuge sind Hardware-nachrüstun­gen. Doch das Kundeninte­resse scheint gering. Laut einem Bericht der Automobilw­oche fördern die deutschen Hersteller die Nachrüstun­g älterer Wagen mit 3000 Euro. Volkswagen sei jedoch kein einziger Fall bekannt, in dem ein Kunde Gebrauch von der Nachrüstun­g gemacht hätte. Als weitere Option sind Software-updates im Gespräch. Während die Umwelthilf­e sie als „weitestgeh­end unwirksam“beurteilt, ist das Kraftfahrt-bundesamt der gegenteili­gen Auffassung.

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