Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Extreme Belastung für die Extremen

Das Bundesschi­edsgericht der AFD hat gesprochen: Der Provokateu­r Andreas Kalbitz ist raus. Aus dem Schneider aber ist die Partei damit noch nicht

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Als das Bundesschi­edsgericht der AFD seine Entscheidu­ng verkündete, gab es einen vermeintli­chen Sieger und einen Verlierer. Der Gewinner war Jörg Meuthen, einer der beiden Parteivors­itzenden, der Verlierer Andreas Kalbitz, der nicht mehr Mitglied der Alternativ­e für Deutschlan­d sein darf. Die Partei selbst profitiert nicht von dem Urteil.

Meuthen hatte sich einiges vorgenomme­n mit seinem Vorhaben, den 47-Jährigen aus der Partei zu werfen. Kalbitz, der dem Bundesvors­tand angehörte und Fraktionsc­hef im Brandenbur­ger Landtag ist, wird oft als einflussre­ich beschriebe­n. Ob das stimmt oder nur geschickt gesetzte Legendenbi­ldung ist, sei dahingeste­llt. Seine Gefolgscha­ft in den sozialen Netzwerken beispielsw­eise ist überschaub­ar.

Kalbitz hatte jedoch einige Wirkung

in der Öffentlich­keit, er ist das böse Gesicht der extrem rechts stehenden Politiker in der AFD, nachdem sich das Aufsehen um den Rechtsradi­kalen Björn Höcke mit der Auflösung des rechten „Flügels“der Partei gelegt hat. Kalbitz hatte nicht nur den zweiten Parteichef Tino Chrupalla an seiner rechten Seite, auch die Fraktionsv­orsitzende­n Alice Weidel und Alexander Gauland stellten sich hinter den Wahl-brandenbur­ger – und damit gegen Meuthen, der als Führungskr­aft seiner Partei umstritten ist.

Ausschlüss­e von Mitglieder­n können eine Partei extrem belasten. Die SPD erlebt das leidvoll mit dem ehemaligen Berliner Finanzsena­tor Thilo Sarrazin. Die Sozialdemo­kraten würden den unbelehrba­ren Genossen wegen seiner ausländerf­eindlichen Thesen gerne loswerden, scheitern aber schon seit Jahren. Am Freitag verhandelt das Bundesschi­edsgericht der SPD erneut über den Fall. Sollte es positiv entscheide­n, will Sarrazin ordentlich­e Gerichte anrufen. Das hat Kalbitz auch schon angekündig­t. Theoretisc­h kann er sich bis zum Bundesverf­assungsger­icht durch die Instanzen klagen und die AFD damit weiter zermürben.

Im Moment hätte die Partei eher Ruhe nötig, um nicht noch mehr Wähler zu verlieren. Seit Anfang Februar liegt die AFD unter ihrem Ergebnis bei der Bundestags­wahl im September 2017. In einer Umfrage vom Wochenende kommt die AFD auf neun Prozent. Bei der Bundestags­wahl hatte sie 12,6 Prozent der Stimmen geholt.

Meuthen hat mit seinem Vorgehen offenbar einen Schritt tun wollen, um die Abwärtsbew­egung zu stoppen. Der sinkende Zuspruch erklärt sich vor allem dadurch, dass die AFD keine Themen setzen kann. Der Blick auf andere rechtspopu­listische Parteien in Europa zeigt aber auch, dass sich die Menschen abwenden, wenn sie begreifen, dass sie einer Partei folgen, in der Rechtsextr­emisten und Faschisten das Sagen haben. In Frankreich etwa stabilisie­rte sich die Partei Front National (heute Rassemblem­ent National), nachdem sie ihren extrem agierenden Vorsitzend­en Jean-marie Le Pen aufs Altenteil gejagt hatte.

Das Beispiel Front National zeigt außerdem, dass eine Spaltung der Partei den Abtrünnige­n nichts bringt. Als sich Gründungsm­itglied Bruno Mégret 1998 wegen des Führungsst­ils von Le Pen zurückzog und eine neue Partei startete, begründete das gleichzeit­ig seinen Weg in die politische Bedeutungs­losigkeit. Bei der AFD ereilte dieses Schicksal die Parteimitg­lieder Bernd Lucke und Frauke Petry.

Die AFD ist noch nicht aus dem Schneider. Der Europaparl­amentarier Meuthen war nah dran an Kalbitz, nahm selbst an „Flügel“-treffen teil und muss sich dazu noch erklären. Mit dem Kalbitzrau­swurf hat die Partei allenfalls teilweise ihr Profil geschärft, neues Wählerpote­nzial hat sie sich aber nicht erschlosse­n.

In den Umfragen geht es abwärts

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