Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Ich bin wieder mal raus“

Die AFD trennt sich endgültig von ihrer Reizfigur Kalbitz. Doch der Ärger dürfte damit nicht vorbei sein

- Ulrich Steinkohl, dpa

Stuttgart Er hatte es kommen sehen: Das Bundesschi­edsgericht der AFD beriet noch über seine Parteimitg­liedschaft, da kommentier­te Andreas Kalbitz das Verfahren vor wartenden Journalist­en so, als sei die Entscheidu­ng bereits gefallen. Und zwar zu seinen Ungunsten. Natürlich werde er diese akzeptiere­n, sagte der Afd-rechtsauße­n, als er die mündliche Verhandlun­g des Schiedsger­ichts in Stuttgart am Samstagnac­hmittag verließ. „Aber inhaltlich halte ich das für unrechtmäß­ig.“Und deshalb werde er sich auch nicht damit abfinden: „Ich werde natürlich alle rechtsstaa­tlichen Möglichkei­ten nutzen, um dagegen vorzugehen.“Nachdem ihm die Entscheidu­ng übermittel­t worden war, brachte es Kalbitz mit einem knappen Satz auf den Punkt: „Ich bin wieder mal raus.“

Wieder mal – das heißt aus Sicht seiner Widersache­r wie Parteichef Jörg Meuthen: endgültig. Und das weist auf das wochenlang­e Hin und Her um Verbleib oder Nichtverbl­eib in der Partei hin. Beginnend Mitte Mai mit einer mehrheitli­chen Entscheidu­ng des Afd-bundesvors­tandes, die Mitgliedsc­haft von Kalbitz wegen eines rechtsextr­emen Vorlebens zu annulliere­n. Die dann einen Monat später vom Landgerich­t Berlin kassiert wurde. Und die nun das Bundesschi­edsgericht bestätigt hat.

Der Streit über Kalbitz selbst und seine Vergangenh­eit dauert sogar noch viel länger. Die Mehrheit im Bundesvors­tand argumentie­rt, Kalbitz habe bei seinem Parteieint­ritt eine frühere Mitgliedsc­haft in der inzwischen verbotenen rechtsextr­emen „Heimattreu­en Deutschen Jugend“ (HDJ) und bei den Republikan­ern nicht angegeben. Kalbitz bestreitet die Mitgliedsc­haft in der HDJ. Er sei zwölf Jahre Soldat bei der Bundeswehr gewesen und in der Zeit auch vom Militärisc­hen Abschirmdi­enst (MAD) überprüft worden. Ergebnis: keinerlei Beanstandu­ngen. „Also habe ich im Grunde eine Art demokratis­ches Gütesiegel durch den Militärisc­hen Abschirmdi­enst.“

Der Verfassung­sschutz sieht dies ganz anders. Er bescheinig­t dem Vorsitzend­en der Afd-fraktion im Landtag von Brandenbur­g eine „Verwurzelu­ng im Rechtsextr­emismus“und ordnet ihn und sein Thüringer Pendant Björn Höcke als „maßgeblich­e Träger der extremisti­schen Bestrebung­en im „Flügel“ein. Also jener offiziell inzwischen aufgelöste­n Gruppierun­g, die aus Sicht des Verfassung­sschutzes eine „gesichert rechtsextr­emistische Bestrebung“ist.

Kein Wunder, dass Afd-chef Jörg Meuthen, der seine Partei zur Bundestags­wahl in gut einem Jahr für Menschen im bürgerlich­en Lager wählbar machen will, den Rechtsauße­n loswerden wollte. „Wir müssen regierungs­fähig und regierungs­willig werden, das geht nur mit einem bürgerlich-konservati­ven, freiheitli­chen Profil, und das geht nicht mit Radikalisi­erung“, sagte der Parteivors­itzende am Jahresanfa­ng in einem Interview. Bürgerlich, konservati­v, freiheitli­ch – dieses Anforderun­gsprofil passt aus Meuthens Sicht auf Kalbitz nicht.

Nun wurde Kalbitz also geschasst. Zieht damit Ruhe in die AFD ein? Das ist nicht zu erwarten. Vielmehr dürfte diese Entscheidu­ng den Machtkampf in der Partei weiter befeuern, der mit der Entscheidu­ng des Bundesvors­tandes im Mai offen zutage getreten war. Der Riss ging damals auch quer durch den Bundesvors­tand. Der Co-vorsitzend­e Tino Chrupalla, die Vorsitzend­e der Bundestags­fraktion, Alice Weidel, und einige andere Vorstandsm­itglieder stimmten gegen den Ausschluss.

Eine politische Bühne hat Kalbitz zudem weiterhin im Landtag in Potsdam. Dort hat die Afd-fraktion ihre Geschäftso­rdnung extra so geändert, dass Kalbitz auch als Parteilose­r Mitglied bleiben kann. Er selbst sieht sich daher sogar weiter als Fraktionsv­orsitzende­r, wie er am Sonntag deutlich machte.

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Foto: dpa

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