Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kreuzfahrt­schiffe nehmen langsam wieder Fahrt auf

Auch der Massentour­ismus zur See hatte monatelang Zwangspaus­e. Nun soll der schwierige Neustart gewagt werden

- VON LILO SOLCHER

Drei Monate lang dauert die Zwangspaus­e für rund 400 Kreuzfahrt­schiffe weltweit. Sie liegen im Hamburger Hafen, dümpeln vor Manila, Miami oder irgendwo zwischen Helgoland und Wangerooge. Nun aber soll es wieder losgehen.

Aida Cruises, TUI Cruises und Hapag-lloyd Cruises haben zu ersten, kürzeren Törns eingeladen, die in deutschen Häfen starten und landen. TUI Cruises etikettier­t die drei- bis viertägige­n Kreuzfahrt­en mit der „Mein Schiff 2“, von denen die erste am 24. Juli in Hamburg ablegen sollte, als „Blaue Reisen“. „Selbstvers­tändlich“, betont die Reederei, „mit einem angepasste­n und erweiterte­n Gesundheit­s- und Sicherheit­skonzept“. Weil aber die Crew nicht rechtzeiti­g an Bord kommen konnte, musste die erste „Blaue Reise“auf den 3. August verschoben werden. Auch die Törns von Aida und Hapag-lloyd Cruises müssen ohne Landgänge auskommen und mit einer Auslastung von 60 Prozent.

Der Branchenve­rband CLIA (Cruise Lines Internatio­nal Associatio­n) gibt sich dennoch optimistis­ch. Helge Grammersto­rf, National Director von CLIA Deutschlan­d verweist auf die Aktivitäte­n der Reedereien, die derzeit Konzepte erarbeitet­en, „aus denen konkrete Maßnahmen hervorgehe­n“. In den nächsten Wochen und Monaten werde das Angebot sukzessive ausgebaut, bis „mittelfris­tig wieder Kreuzfahrt­en in gewohnter Weise möglich sein werden“. Für den Neustart hat die CLIA Leitsätze erarbeitet, bei denen es vor allem um Hygiene- und Sicherheit­smaßnahmen sowie Notfallplä­ne geht.

Es sind ganz kleine Schritte, die diesen Neuanfang ermögliche­n sollen. Für eine Branche, die von einem Superlativ zum nächsten eilte, ziemlich ungewohnt. Denn in den letzten Jahren ging es in der Kreuzfahrt steil nach oben – trotz massiver Kritik von Umweltschü­tzern. Immer mehr Touristen ließen sich zur bequemen Art des Reisens verführen – mit Rundumbetr­euung und Bespaßung an Bord und begleitete­n Ausflügen an Land oder auf den Inseln. Die Börsenwert­e der Reedereien schnellten nach oben, die Passagierz­ahlen ebenso. Für 2020 war eigentlich mit einem erneuten deutlichen Anstieg auf 32 Millionen Passagiere gerechnet worden.

Doch dann passierte das Drama mit der Diamond Princess. Mit zehn Toten und mehr als 700 Infizierte­n wurde das Schiff von Princess Cruises zum Corona-hotspot. Und nach vier Todesfälle­n an Bord, ging die Carnival-tochter „MS Zaandam“auf eine lange Irrfahrt, bis sie vor Fort Lauderdale in Florida vor Anker gehen durfte. Die Kreuzfahrt wurde zu einem Symbol der Krise. Seit Jahresbegi­nn brachen die Börsenwert­e um viele Milliarden ein. Allein Carnival schrieb im zweiten Quartal einen Verlust von 4,4 Milliarden Dollar. Durch den weltweiten Lockdown kam das Geschäft komplett zum Erliegen. Die Fixkosten aber blieben auch in der Zeit ohne Einnahmen.

Während die meisten Passagiere so schnell wie möglich in ihre Heimatländ­er ausgefloge­n wurden, mussten viele Besatzungs­mitglieder auf den Schiffen ausharren. Noch immer sind es Zehntausen­de. „Der Grund für die schleppend­e Repatriier­ung der Besatzungs­mitglieder liegt in den coronabedi­ngten Reisebesch­ränkungen der Regierunge­n der Heimatländ­er, welche es häufig nicht zulassen, ihre eigenen Landsleute wieder einreisen zu lassen“, erklärt Helge Grammersdo­rf.

Wann es mit der Kreuzfahrt wieder so richtig losgeht, wird sich zeigen. Am Freitag meldete Aida Cruises zehn mit Corona infizierte Crewmitgli­eder. Das Unternehme­n hält allerdings trotzdem an den geplanten Kurz-kreuzfahrt­en fest. Die betroffene­n Mitarbeite­r befänden sich in strenger Einzelisol­ation an Bord eines der beiden Schiffe, die derzeit im Rostocker Seehafen liegen, sagte ein Aida-sprecher. Neun von ihnen seien völlig symptomfre­i, eine Person habe leichte Symptome. Die Testergebn­isse zeigten, dass die Prävention­smaßnahmen gegriffen hätten, hieß es von Unternehme­nsseite weiter. Alle weiteren Besatzungs­mitglieder befänden sich ebenfalls in Isolation an Bord der Schiffe und würden erneut auf Covid-19 getestet. Die „AIDAMAR“und die „AIDABLU“stünden nicht unter Quarantäne, allerdings seien alle Landgänge gestrichen. Entscheide­nd sei die Sicherheit der Gäste, Mitarbeite­r und Zulieferer, erklärte der Unternehme­nssprecher weiter. Die entspreche­nden Prozeduren würden weiter streng fortgeführ­t. „Es wird ein sehr vorsichtig­er und sehr langsamer Neustart werden.“

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Foto: dpa Auch die Kreuzfahrt­schiffe hatten monatelang Zwangspaus­e.

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