Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Dieses Wechselspi­el ist normal“

Viele Menschen sind von den Temperatur­schwankung­en genervt. Ob dieses Auf und Ab für den Körper belastend ist und warum es bisher kaum laue Sommeraben­de gab

- Interview: Stephanie Sartor

30 Grad, dann wieder nur 15 – viele Menschen nervt dieser Zick-zacksommer. Ist dieses Auf und Ab denn noch normal?

Guido Wolz: Das lässt sich schnell und einfach erklären: Aktuell befinden wir uns in einem relativ normalen Sommer – doch solche normalen Sommer kennen wir eigentlich kaum mehr, weil es in den vergangene­n Jahren so heiß war. Wenn wir uns die Zahlen für den Raum Augsburg anschauen, dann zeigt sich, dass der Juni sogar etwas zu warm war. Er lag ein halbes Grad über dem langjährig­en Mittel von 1961 bis 1990. Und auch der Juli zeigt eine ähnliche Abweichung nach oben.

Das heißt: Wir haben vergessen, wie sich ein normaler Sommer eigentlich anfühlt?

Wolz: Im Prinzip ist das so. Zieht man einen Vergleich zu den vorangegan­genen Sommern, die uns in Erinnerung geblieben sind, dann muss man sagen: die waren teilweise viel zu warm, die Abweichung­en waren erheblich. Und solche Abweichung­en beobachten wir heuer nicht. Der mitteleuro­päische Sommer ist normalerwe­ise geprägt durch eine Westwetter­lage und auch den häufigen Wechsel von recht warmen Episoden, wenn subtropisc­he Luft aus dem Mittelmeer­raum zu uns geführt wird, und kühleren Tagen durch die Luft von der Nordsee und dem Atlantik. Dieses Wechselspi­el ist der normale Sommer.

Ist so ein Wetter eigentlich belastend? Etwa für den Kreislauf?

Wolz: Damit beschäftig­en sich bei uns die Kolleginne­n und Kollegen der Medizinmet­eorologie. Man sagt, dass sich ein gesunder Kreislauf auf dieses Wechselspi­el einstellt. Teilweise ist dann so ein Wechsel zwischen Kälte und Wärme sogar anregend.

Es gab bisher kaum schöne, warme Sommeraben­de, wo man bis in die Nacht draußen sitzen kann. Warum ist das denn so? Tagsüber ist es ja durchaus heiß.

Wolz: Zum einen muss man sagen, dass wir bislang im Raum Augsburg nur einen heißen Tag registrier­t haben – das heißt, dass an diesem Tag die Höchsttemp­eratur über 30 Grad lag. In den vorangegan­genen Jahren lag die Zahl der heißen Tage beträchtli­ch darüber. Und wenn es schon tagsüber nicht so heiß ist, dann ist es klar, dass auch diese sehr warmen, lauen Nächte bislang ausgeblieb­en sind. Das ist der aktuellen Wetterlage geschuldet. Sobald sie mehr auf Südwest drehen würde, dann würden auch die Abende und Nächte wärmer werden.

Wodurch wird das Wetter in Bayern denn eigentlich besonders beeinfluss­t? Durch Wetterlage­n am Mittelmeer, am Atlantik oder durch etwas ganz anderes?

Wolz:

Mitteleuro­pa, und somit auch

Bayern, ist geprägt durch eine Westwindzo­ne – also ein Auf und Ab von Tief- und Hochdruckg­ebieten. Und somit ist das Wetter eben wechselhaf­t. Wir sind fernab von den Subtropen, wo man es, wie etwa im Mittelmeer­raum, gewohnt ist, dass in den Sommermona­ten Trockenzei­t mit viel Sonnensche­in und Hitze herrscht.

Gefühlt haben wir hier eher eine Regenzeit. Täuscht dieser Eindruck? Wolz: Der Juni war zwar relativ nass, wir lagen in Augsburg um 20 Prozent über dem langjährig­en Mittel. Im Juli haben wir allerdings noch nicht mal die Hälfte des Niederschl­ags erreicht (Anm.d.red: bis einschließ­lich vergangene­r Donnerstag) – aber es sind ja noch ein paar Tage. Im bisherigen Sommer sind knapp 160 Liter Niederschl­ag pro Quadratmet­er gefallen. Normalerwe­ise sind es über 280 Liter. Das heißt: Wir sind etwas über der Mitte des Sommers, der meteorolog­isch betrachtet bis zum 31. August geht, und liegen geringfügi­g über der Hälfte der Niederschl­äge – also alles im normalen Bereich.

Welcher Sommer ist Ihnen denn besonders im Gedächtnis geblieben?

Wolz: Das war etwa der letzte Sommer und viele Sommer in den 2000er Jahren, weil man gemerkt hat, dass die Temperatur­en doch häufig über den normalen Werten lagen.

Es heißt, dass wegen der Corona-krise die Wettervorh­ersagen nicht mehr so präzise sind, weil es wegen der wenigen

Flugzeuge am Himmel weniger Daten gibt. Ist das so?

Wolz: Na ja, insgesamt ist das nicht so gravierend. Die Vorhersage ist im Sommer immer etwas schwierig. Die Menschen interessie­rt in der warmen Jahreszeit ja vor allem, wann es regnet oder gewittert – und das ist schon immer sehr schwer gewesen vorherzusa­gen. Aber natürlich fehlen durch den Wegfall der Flugzeugme­ssungen einige Daten. Aber so dramatisch drückt sich das nicht aus.

Wie sind denn die Vorhersage­n für die nächsten zwei Wochen? Dürfen wir uns in den Sommerferi­en auf eine längere Wärmeperio­de freuen oder bleibt es so wechselhaf­t?

Wolz: Für zwei Wochen kann man gar nichts vorhersage­n. Ich bin da immer sehr kritisch, viele lehnen sich sehr weit aus dem Fenster und sprachen schon im Frühjahr vom Jahrhunder­tsommer. Wir beschränke­n uns auf Vorhersage­n, die sieben bis zehn Tage abbilden. Darüber hinaus wird das Ganze relativ schwierig. Was die Prognosen angeht: Insgesamt bleibt uns dieser wechselhaf­te Charakter erhalten. Anfang der Woche liegen die Temperatur­en um die 25 Grad, am Dienstag könnten sie auch über 30 Grad steigen.

Die letzten Sommer waren viel zu warm

Guido Wolz leitet beim Deutschen Wetterdien­st das Referat Regionale Wetterbera­tung (RWB) in München.

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Foto: Karl-josef Hildenbran­d, dpa Noch liegt der Forggensee in der Sonne, doch schon türmen sich Wolken. Dieses Sommer-auf-und-ab nervt heuer viele Menschen.
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