Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Wir sind nicht mehr die graue Maus“

Christoph Janker, der Talente-manager, spricht über seine Aufgaben, die Entwicklun­g des FCA und wie er es schaffen will, dass mehr Spieler aus dem eigenen Nachwuchs den Sprung in die Bundesliga schaffen

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Herr Janker, Sie haben am 1. Februar ihre Stelle als Talente-manager beim FC Augsburg begonnen, wenig später begann die Corona-krise. Konnten Sie sich da schon richtig einarbeite­n? Christoph Janker: Für uns alle war es eine schwierige Zeit mit außergewöh­nlichen Umständen. Wir haben es aber als Gesamtvere­in geschafft, das Beste daraus zu machen. Trotz der Kontaktspe­rre haben wir mehrere Projekte im Nachwuchsl­eistungsze­ntrum (NLZ) und in der Profiabtei­lung anschieben können. Wir hatten viel Zeit, über Konzeption­en nachzudenk­en, weil der tägliche Spielbetri­eb im NLZ wegfiel.

Sie sind als Talente-manager eingestell­t worden. Was kann man sich darunter vorstellen?

Janker: Zu meinen Aufgaben zählt die Betreuung der Profileihs­pieler, da hatten wir zuletzt fünf. Aktuell ist Kevin Danso noch in Southampto­n, weil die Saison in England noch lief. Alle anderen sind fertig und werden zu uns zurückkehr­en. Ich halte während ihrer Leihen zu den Spielern Kontakt. Das war durch Corona nicht einfach. Der Plan war, dass ich die Jungs vor Ort besuche, Spiele anschaue, mich mit ihren Trainern austausche und schaue, ob alles passt. Das war wegen der Einschränk­ungen nur durch Videooder normale Telefonie möglich.

Wie oft halten Sie Kontakt?

Janker: Wir tauschen uns regelmäßig aus. Wenn der Spieler sich selbst meldet, gibt es meistens einen konkreten Grund. Der Austausch soll einfach eine Hilfestell­ung sein. Da ich selbst lange gespielt habe, kann ich mich gut in die Situatione­n der Jungs hineinvers­etzen. Ich will ein Gesprächsp­artner sein, mit dem man über die Zukunft oder das Sportliche spricht.

Stand jetzt kommen alle Leihspiele­r zurück. Wie ist zum Beispiel der Kontakt zu Michael Gregoritsc­h?

Janker: So wie zu den anderen Spielern auch, über Whatsapp oder Telefon. Er kommt zurück und wird mit der Profimanns­chaft die Vorbereitu­ng beginnen.

Michael Gregoritsc­h hatte ja im Winter deutlich gesagt, dass er Augsburg verlassen möchte. Wie haben Sie zu ihm Kontakt gehalten, ist das dann eine besondere Herausford­erung? Janker: Ich bewerte das, was mir der Spieler selbst sagt und gebe nichts auf Schlagzeil­en. Michael ist selbst nicht glücklich gewesen, wie das letzte Jahr gelaufen ist und wie er medial in den Fokus geraten ist. Ich habe das Gefühl, dass er sehr motiviert ist und beim neuen Trainer eine neue Chance suchen möchte.

Wann wird Danso zurückerwa­rtet? Janker: In seinem Fall wurde die Leihe um einen Monat verlängert. Kevin und Southampto­n haben diesen Wunsch geäußert. Wenn die Saison in England vorbei ist, kommt Kevin zu uns zurück, weil er noch einen Vertrag bei uns hat.

Tim Rieder hat eine starke Saison gespielt bei 1860 München?

Janker: Auch bei ihm wurde die Leihe um zwei Wochen verlängert. Er hat noch ein Jahr Vertrag bei uns und wird mit der Profimanns­chaft die Vorbereitu­ng beginnen. Bei Romario Rösch in Kerkrade wurde die Saison abgebroche­n. In Zürich bei Mads Pedersen wurde die Leihe ebenfalls wegen Corona beendet.

Jetzt geht es bei Ihrem Job ja nicht nur um die Leihspiele­r, sondern auch um die Talente im Verein.

Janker: Zu Beginn meiner Arbeit haben wir eine Bestandsan­alyse unserer Mannschaft­en von der U16, U17, U19 und U23 gemacht. Zusammen mit den Nlz-trainern und Stefan Reuter. Wir haben unseren Fokus auf Spieler gelegt, denen wir zutrauen, dass sie mittelfris­tig in die Profimanns­chaft aufrücken können, wenn sie ihr Potenzial ausschöpfe­n.

Wie sieht die Betreuung dieser ausgewählt­en Spieler aus?

Janker: Wir werden ihre Stärken und Schwächen analysiere­n, aber das machen wir natürlich bei all unseren Spielern. Das ist wichtig, um abzugleich­en, was noch fehlt, um bei den Profis mitzuspiel­en. Die Jugendlich­en haben oft ein großes Selbstvert­rauen, was auch gut ist. Aber viele meinen auch, sie könnten jetzt schon in der Bundesliga mithalten. Kicken können die alle, aber wenn man die Lauf- oder Intensität­swerte von einem Profispiel­er mit einem U19-spieler vergleicht, ist das zum

Teil ein himmelweit­er Unterschie­d. Es ist unsere Aufgabe, die athletisch­e Voraussetz­ung zu schaffen, 90 Minuten Bundesliga spielen zu können. Manchmal ist es auch ganz heilsam, wenn die Jungs Einheiten bei den Profis mitmachen dürfen. Es ist besser, wenn man selbst fühlt, was Tempo und Härte bedeuten.

Sie sprechen von derzeit maximal einer Handvoll Spieler, die den Sprung schaffen können.

Janker: Das ist kein geschlosse­ner Kreis. Wir sagen nicht, dass andere Spieler keine Chance haben, in den Profifußba­ll zu kommen. Man kann über Umwege auch sehr weit kommen. Bei uns werden alle gleich behandelt. Aber die Option Profitrain­ing können wir nicht 40 Nlzspieler­n anbieten. Das muss auch eine Belohnung sein.

Wie sehen Sie den FCA im Nachwuchsb­ereich aufgestell­t?

Janker: Gut. Wir entwickeln uns. Wir haben alle Mannschaft­en in den Ligen, in denen wir sie haben wollen und wir haben sehr gute Trainer für die verschiede­nen Altersklas­sen, haben die Infrastruk­tur mit Trainingsp­lätzen weiterentw­ickelt und werden mit dem Internat einen weiteren Schritt machen, sodass wir die Spieler sehr gut auf den Profiberei­ch vorbereite­n können.

Die bisherigen Neuzugänge bei den Profis sind ältere Spieler. Welches Zeichen ist das für den Nachwuchs? Janker: Man braucht eine gute Mischung im Team. Daniel Caligiuri ist einer der Spieler, die in den letzten fünf Jahren die meisten Bundesliga­spiele gemacht haben. Wir haben uns entwickelt und sind nicht mehr die graue Maus. Wir sind jetzt auch für solche Topspieler ein interessan­ter Verein in Kombinatio­n mit der Stadt Augsburg, dem Umfeld und der Lebensqual­ität. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir solche Verpflicht­ungen tätigen können. Wenn unsere Jungs aus dem NLZ mal bei den Profis mittrainie­ren, bringt ihnen das richtig viel.

Wo sehen Sie Ansatzpunk­te in Augsburg, was sich ändern muss?

Janker: Ein großer Baustein wird die Fertigstel­lung des Internats sein. Wir wollen in Bayerisch-schwaben und unseren Zielregion­en immer stärker werden und Bedingunge­n bieten, die zu den besten in Deutschlan­d gehören. Was die Plätze betrifft, haben wir extrem aufgeholt. Jetzt können wir mit dem Internatsg­ebäude einen weiteren Schritt machen.

Ab wann ist es sinnvoll, im Jugendbere­ich Spieler zu scouten?

Janker: Im Endeffekt schauen wir jeden Spieler an, auch im U9- oder U10-bereich. Weil wir in Bayerischs­chwaben jeden Spieler kennen wollen, der Qualität hat. Grundsätzl­ich ist unser Ziel, dass wir im Aufbaubere­ich einen guten Kern haben und dass wir eine Verbundenh­eit zum FCA herstellen.

Maurice Malone, Simon Asta, Jozo Stanic oder Romario Rösch wurden als große Talente gehandelt, haben aber den Sprung noch nicht geschafft. Woran liegt das?

Janker: Das muss man differenzi­ert betrachten und hat unterschie­dliche Gründe. Jozo Stanic ist schon in der letzten Saison fester Bestandtei­l unserer Profimanns­chaft gewesen. Sein nächster Schritt sind weitere Einsatzzei­ten. Simon Asta hat sich leider im Wintertrai­ningslager verletzt, ist aber auf dem Weg zurück. Maurice Malone entwickelt sich ebenfalls weiter, hat eine gute Perspektiv­e. Romario Rösch hat bei seiner Leihe viel Spielpraxi­s sammeln können. Es ist einfach eine Entwicklun­g, bei der die Spieler hartnäckig dranbleibe­n müssen. Unter anderem Raphael Framberger hat es so geschafft. Auch Marco Richter ist jetzt ein fester Bestandtei­l, aber auch er hat davor zwei Saisons in der U23-mannschaft gespielt. Dort hat er sich entwickelt und in 60 Spielen 40 Tore und neun Assists erzielt. Der Sprung von der U23 in die Profimanns­chaft ist extrem groß. Einen Zwischensc­hritt in der zweiten Bundesliga oder in Österreich, der Schweiz oder Holland zu machen, kann sinnvoll sein.

Wie stehen Sie zur Local-player-regelung, also dass es eine Anzahl eigener Spieler auf dem Platz stehen muss? Janker: Ich finde es spannend, wenn der Einsatz von Local Playern belohnt wird. Ich finde Modelle interessan­t, bei denen man zum Beispiel 120 Minuten durch Local Player abbilden könnte, sodass einer 90 Minuten spielt, ein anderer 30. Auch jede Fankultur lebt davon, Spieler aus der Region zu sehen. Es ist aber ein zweischnei­diges Schwert. Wenn wir mehr junge Spieler aus den eigenen Reihen sehen wollen, wird vielleicht auch die Wettbewerb­sfähigkeit ein Stück weit geschmäler­t.

Beim FCA ist der Profikader gerade sehr groß. Könnte das zum Problem werden?

Janker: Die Kontrolle des Budgets ist das elementar Wichtige. Da haben unsere Geschäftsf­ührer immer besonnen gewirtscha­ftet. Wenn sich aber ein Spieler verändern will, weil er merkt, es reicht noch nicht, waren und sind unsere Verantwort­lichen immer gesprächsb­ereit. Auch mein Job ist es, die Augen und Ohren offen zu halten. Wir haben viele interessan­te Mannschaft­en in der Nähe mit Nürnberg, 1860 München, Unterhachi­ng, Heidenheim. Auch nach Würzburg gibt es einen guten Draht. Sie können sicher sein, dass wir mit diesen Vereinen permanent Kontakt haben. Wir sind immer gewillt, den Kader zu optimieren.

Interview: Marco Scheinhof

Christoph Janker wurde am 14. Februar 1985 in Cham geboren. Er spielte unter anderem beim TSV 1860 München, 1899 Hoffenheim, Hertha BSC und dem FC Augsburg. Seit 1. Februar 2020 ist er Talente-manager beim FCA. Er übernimmt die individuel­le Betreuung der Top-talente. Darüber hinaus betreut Janker die Leihspiele­r. (AZ)

 ?? Foto: Ulrich Wagner ?? Christoph Janker hatte seine Karriere 2019 beim FC Augsburg beendet. Im Februar ist er zurückgeke­hrt als Talente-manager. Hier soll er dabei helfen, dass eigene Talente den Sprung zu den Profis schaffen.
Foto: Ulrich Wagner Christoph Janker hatte seine Karriere 2019 beim FC Augsburg beendet. Im Februar ist er zurückgeke­hrt als Talente-manager. Hier soll er dabei helfen, dass eigene Talente den Sprung zu den Profis schaffen.

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