Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wer geht in Zukunft noch ins Theater?

-

Zum Bericht „Stadtrat hält an der Theatersan­ierung fest“:

Vor lauter Zahlen wird es einem langsam schwindlig bei diesem Thema, was mir aber dabei völlig fehlt, ist eine inhaltlich­e Debatte. Oberbürger­meisterin Eva Weber hat davon gesprochen, dass dieses Projekt die Stadt für Jahrzehnte prägen werde. In welche Richtung, wird sich zeigen. Die Frage ist aber doch: Wer wird denn in zehn, 20 oder gar 50 Jahren noch zu den Theatergän­gern zählen? Und das in einer Stadtgesel­lschaft, die bis dahin vielleicht schon zu 60 Prozent aus Bewohnern mit einem Migrations­hintergrun­d besteht, die man weitestgeh­end nicht dem Bildungsbü­rgertum zuordnen kann?

Auch in Anbetracht des Klimawande­ls wird sich das öffentlich­e Leben dann mehr und mehr auf der

Straße abspielen und nicht mehr in geschlosse­nen Hochkultur-tempeln. Wie interessan­t sind Oper und Operette und Schauspiel für unsere irakischen und syrischen Mitbürger? Oder selbst auch für unsere jetzige Jugend – ist sie für Puccini und Verdi, Lehár und Mozart in Zukunft überhaupt noch in einer rentablen Anzahl zu begeistern? Was ist mit der Freilichtb­ühne? Bekommt sie jetzt auf Jahre hinaus keine Überdachun­g mehr? Man operiert mit Hochdruck an der Hardware „Großes Haus“herum, aber von den Inhalten spricht leider keiner. So darf man mit Bert Brecht getrost grübeln: Denn wo der Glaube tausend Jahre gesessen hat, eben da sitzt jetzt der Zweifel.

Wolfgang Taubert, Augsburg

Newspapers in German

Newspapers from Germany