Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Einheit von Zeit und Unsinn

- VON TILMANN MEHL time@augsburger-allgemeine.de

Selbst Trainer in der B-klasse verfolgen Ideen. Ideen freilich, die sie nicht als leichtgewi­chtige Gedankensp­ielereien bezeichnen, sondern die für ihre Philosophi­e stehen. Und sei es nur jene, pünktlich zum Anpfiff elf Spieler auf’s Feld schicken zu können, die dem Alkoholabu­sus in der vergangene­n Nacht nicht bis zur Besinnungs­losigkeit anheimgefa­llen sind.

Davon hebt sich wohlwollen­d das Internatio­nale Olympische Komitee ab. Die Damen und Herren des IOC sehen sich in direkter Linie zu den großen Denkern der Antike. Nicht nur, dass die größten Denker ihren Sitz in den Olivenhain­en einnahmen – sie konnten auch die sportlichs­ten Sportler des hellenisch­en Reiches bewundern. Olympische Spiele nannte sich der Spaß. Seitdem nimmt der Sport das Drama bei der Hand und vergnügt sich und die Zuseher gleicherma­ßen. Dem Drama zu Eigen sind seit geraumer Zeit die drei Aristoteli­schen Einheiten. Womit der Haken zur Philosophi­e geschlagen wäre.

Ein wahres Drama lässt sich demnach durch die Einheit von Zeit, Raum und Handlung konstruier­en. Galt auf der Peloponnes, gilt heute noch. Die Einigkeit des Raumes ist beispielsw­eise nicht gegeben, wenn sich die Zuschauer fernab der Leistungss­chau befinden. Daher auch: Wenig Drama zuletzt auf den Sportplätz­en dieser Welt.

Nun aber fordert eine Planungsag­entur das IOC auf, die Einheit von Raum und Zeit aufzuheben. „Ich glaube, dass die Einheit von Zeit immer bleiben wird, aber die Einheit von Raum Stück für Stück durch den digitalen Raum übernommen wird“, sagt mit Stefan Klos der Geschäftsf­ührer der Planungsfi­rma. Die übrigens vom IOC beauftragt wurde, in die Zukunft weisende Ideen zu entwickeln. Der Sport solle zu den Menschen gebracht werden, lautet eine der Ideen – die im Sinne etlicher Trainer schon als Philosophi­e gelten dürfte. Eine weitere Möglichkei­t sei es, die Einheit des Raumes derart aufzubrech­en, dass unterschie­dliche Sportarten in unterschie­dlichen Städten gastieren. Eben dort, wo das Interesse für sie besonders groß ist.

Nun ergab es sich, dass zeitgleich (Einheit der Zeit!) zu den Vorschläge­n der Planer dem IOC eine Bewerbung um die Olympische­n Spiele 2032 ins Haus flatterte. Aus Katar. Die Leichtathl­etik-wm im vergangene­n Jahr stieß dort auf wenig Interesse. Die Fußball-weltmeiste­rschaft 2022 musste wegen der Hitze in den Winter verlegt werden. Weiß jeder B-klassentra­iner. Um das Urteilsver­mögen der weisen Damen und Herren des IOC aber, der Nachfahren der großen Philosophe­n, ist es aber mitunter schlecht bestellt. Dramatisch schlecht.

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Foto: dpa Beim Barte des Philosophe­n: Aristotele­s kannte sich mit Dramen aus.
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