Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Dann wird aus dem Fußball eine Theaterveranstaltung“
Corona Wie die Fanvereinigung „Unsere Kurve“die Wiederbefüllung der Stadien in Zeiten der Pandemie sieht
Herr Peter, Sie sind Vorstandsmitglied des Bündnisses „Unsere Kurve“, in dem sich Fanorganisationen zusammengeschlossen haben. Der Verein hat nun ein Konzeptpapier zur Wiederzulassung von Fans in Stadien erstellt. Wie sinnvoll erachten Sie es, Zuschauer wieder in die Stadien zu lassen? Jost Peter: Grundsätzlich ist es so, dass derzeit vieles möglich ist, wenn man ein Konzept hat und Regeln einhalten kann, etwa der Besuch von Gaststätten. Ob es sinnvoll ist, das direkt umzusetzen – dazu gibt es aus Fanperspektive sehr unterschiedliche Sichtweisen. Denn eines ist klar: Eine Fankultur wie wir sie aus den Stadien vor Corona gewohnt sind, kann es trotz aller Konzepte nicht geben.
Sie sprechen damit Regeln wie Abstand halten oder ein mögliches Gesangsverbot an. Einige Ultra-gruppierungen wie in Frankfurt haben erklärt, unter diesen Umständen auf den Stadionbesuch verzichten zu wollen. Peter: Diese Meinung zieht sich weit in die organisierten Fanszenen – nicht nur bei den Ultra-gruppen, auch bei „Unsere Kurve“. Ein Ausleben eines Fan-daseins ist unter Corona-bedingungen gar nicht möglich. Ob man überhaupt von Stimmung sprechen kann bei dem, was zu erwarten ist? Wenn jegliches Singen, Schreien und Ru- fen verboten ist, wird aus dem Fußballspiel eher eine Theaterveranstaltung.
Von der Zulassung von Gästefans über einheitliche Standards bis zur gerechten Verteilung von Tickets: In Ihrer Stellungnahme formulieren Sie einige
Kernforderungen. Glauben Sie, dass die DFL dies in ihrer Mitgliederversammlung am Dienstag berücksichtigt? Peter: Einige unserer Forderungen sind bereits in dem Leitfaden der DFL aufgeführt – etwa, dass Fanvertretungen bei der Erstellung der Hygienekonzepte beteiligt werden sollten. Das ist alleine schon deshalb wichtig, weil die Akzeptanz eines solchen Papiers größer sein wird, wenn man es zusammen macht.
Eine zentrale Forderung betrifft den Datenschutz und die Rücknahme der Sicherheitsmaßnahmen nach der Pandemie: Vereine und Verbände sollen sicherstellen, dass die beim Ticketkauf erhobenen Daten nicht an Sicherheitsbehörden weitergegeben werden. Peter: Die Schutzmaßnahmen vor Corona dürfen nicht dazu führen, dass meine Bürgerrechte eingeschränkt werden. Es gibt bestimmte Notwendigkeiten. Aber auch in
Restaurants ist klar geregelt, wann die Daten wieder zu vernichten sind: nämlich nach 14 Tagen. Ein ähnliches Vorgehen ist beim Fußball möglich. Diese Daten wurden weitergegeben, um Infektionsherde einzuschränken, nur deswegen.
Uli Hoeneß und Karl-heinz Rummenigge vom FC Bayern haben das geforderte Mitspracherecht der organisierten Fanszene zuletzt kritisiert.
Peter: Der Fußball gehört all denen, die ihn lieben. Wenn Herr Rummenigge sich dazugehörig fühlt, ist er herzlich willkommen. Die Formulierung, dass die Ultras den Fußball nur für sich reklamieren, ist jedenfalls Unsinn. Grundsätzlich ist es so, dass es in vielen Vereinen noch nicht so ist, dass es einen regelmäßigen Austausch zwischen Fans und Verein gibt. Corona ist die Chance, das jetzt endlich zu tun. Diese Aufgabe steht den meisten Vereinen bevor.
Haben Sie den Eindruck, von der DFL und Klubs ernstgenommen zu werden? Peter: Grundsätzlich ja. Die Erarbeitung der Konzepte ist eine lokale Aufgabe. Wir wünschen uns gewisse Richtlinien wie die Einbindung von Fans und die gerechte Verteilung von Eintrittskarten.
Wollen Sie denn selbst wieder ins Stadion gehen – trotz der zu erwartenden Bedingungen?
Peter: Ich muss gestehen, dass ich da völlig unentschlossen bin. Zum einen kann es nicht das sein, was ich gewohnt bin. Es gehört ja so vieles dazu, was man gemeinschaftlich machen würde – und nun müsste ich als Einzelperson das Stadion betreten und es auch als Einzelperson wieder verlassen. Allerdings ist für jemanden, der seit 40 Jahren kein Spiel von Rot-weiss Essen verpasst hat, die Sehnsucht schon extrem.
Interview: Florian Eisele