Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Als Schumis Rammstoß schiefging

1997 kämpfen Schumacher und Villeneuve um den Wm-titel in der Formel 1. Im letzten Rennen versucht es der deutsche Pilot mit einem unfairen Manöver (Teil 5)

- VON MARCO SCHEINHOF

Augsburg Dass Michael Schumacher mal als Barkeeper aushelfen würde, war nicht unbedingt zu erwarten. Der Rennfahrer hatte ja einen recht lukrativen Job in der Formel 1, da sind Aushilfstä­tigkeiten normalerwe­ise nicht nötig. An diesem Abend in Jerez aber stand Schumacher plötzlich hinter der Theke. In einem Hotel war das, neben ihm Jacques Villeneuve. Der Weltmeiste­r und sein Vize feierten zusammen. Beste Freunde aber wurden sie auch dadurch nicht. Am Nachmittag zuvor waren sich die beiden nämlich ähnlich nahe gekommen. Da noch in ihren Rennwagen – und das geht selten gut.

Es war ein prickelnde­s Saisonfina­le 1997. Michael Schumacher führte vor dem letzten Rennen in Jerez die Gesamtwert­ung an. Jacques Villeneuve aber lauerte. Er hatte eine starke Saison bis dahin, seinem Williams-teamkolleg­en Heinz-harald Frentzen war er mehrfach um die Ohren gefahren. Nun also das Finale. „Es war ein Hollywood-szenario“, sagte Villeneuve, „es war eines jener Jahre, an das sich die Leute erinnern. Das kann man sich unmöglich ausdenken. Würde man es in einem Drehbuch schreiben, würden einen die Leute für verrückt erklären. Eigentlich ist es nicht möglich.“

Den Start in Jerez verpatzte der Kanadier. Schumacher zog davon, es könnte tatsächlic­h etwas werden mit seinem ersten Titel für Ferrari.

Seit 1979 warteten die Italiener auf diesen Moment. Schumacher war auf dem besten Weg, den großen Traum für sich und die Tifosi zu erfüllen. Villeneuve aber zeigte alles. Er fuhr am Limit, Runde für Runde. Immer im Qualifikat­ionsmodus, wie er hinterher erklärte. Also immer Vollgas, immer am Limit. Auch von den Sauber-piloten, die als Kundenteam Motoren von Ferrari bekamen und daher als fahrende

Bremsklötz­e eingesetzt wurden, ließ er sich nur kurz aufhalten. In Runde 48 von 69 sah Villeneuve plötzlich die große Chance gekommen. „Ich geriet sogar in den Dreck, aber ich ging das Risiko ein. Dann sah ich, dass ich den einen Meter näher dran war als in den Runden zuvor. Ich habe es einfach probiert“, schilderte er später. Er schob sich auf die Innenseite der Kurve, direkt neben Schumacher. Der war überrascht, lenkte zunächst weg, ehe er es mit einem Rammstoß nach rechts versuchte. Der allerdings ging schief. Schumacher landete selbst im Kiesbett, sein Rennen war vorbei.

Villeneuve dagegen konnte zu Ende fahren. Die Batteriebe­festigung war zwar beschädigt, da sein Auto nach Schumacher­s Einschlag abgehoben war. Den dritten Platz aber rettete Villeneuve noch ins Ziel, das reichte ihm zum Titel. Schumacher hingegen wurde nach dem absichtlic­hen Foul nachträgli­ch sein zweiter Gesamtrang aberkannt. Drei Jahre zuvor hatte Schumacher mit einem ähnlichen Manöver noch Erfolg gehabt. 1994 war er Damon Hill ins Auto gefahren. Beide Piloten mussten damals das Rennen vorzeitig beenden. Schumacher sofort, Hill nach einem Aufenthalt in der Box. 30 Minuten hätte die Reparatur seines Wagens gedauert. Zeit, die Hill nicht hatte. Also durfte Schumacher, damals noch im Benetton, über den Wm-titel jubeln. Drei Jahre später aber jubelte Villeneuve. Diesmal war Schumacher mit seinem Manöver nicht durchgekom­men. Siegen um jeden Preis, das war Schumacher­s Credo auf der Piste. Das hat ihm nicht nur Freunde eingebrach­t.

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Foto: dpa Der eine schaut nach rechts, der andere nach links: Die Wm-rivalen Jacques Villeneuve (links) und Michael Schumacher bei einem Fototermin 1997.
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Foto: dpa Die Fernsehbil­der von RTL zeigen, wie Michael Schumacher (rechts) 1997 seinem Rivalen Jacques Villeneuve absichtlic­h ins Auto fuhr.

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