Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Lisa Mcqueen glaubt an ihren inhaftiert­en Mann

Mit seiner Augsburgbl­ume wurde Berni Mcqueen bekannt und zum gefragten Künstler. Doch illegale Graffitis zogen ihn weiter magisch an. Nun sitzt er deshalb im Gablinger Gefängnis. Seine Ehefrau erzählt

- VON INA MARKS

Lisa und Berni Mcqueen haben ihre Rituale. Wenn die Betreiberi­n des Café Kätchens und Neu-stadträtin (Die Partei) von der Arbeit nach Hause kommt, hat ihr Mann normalerwe­ise schon gekocht. Meist handgemach­te Pasta. Sperrt die 30-Jährige jetzt abends die Tür zu ihrer Wohnung in der Jakobervor­stadt auf, ist da keiner, der auf sie wartet. Berni Mcqueen sitzt seit rund zwei Wochen im Gefängnis. Einen Tag nach ihrem Urlaub auf Korsika musste er in die Justizvoll­zugsanstal­t (JVA) Gablingen einrücken.

Seine Leidenscha­ft für Graffiti ist dem 32 Jahre alten Augsburger schon öfter zum Verhängnis geworden, weil er sie illegal anbrachte. Er kassierte durch die Justiz Bewährunge­n und Vorstrafen, schrammte bereits knapp am Gefängnis vorbei. Zugleich wurde Berni Mcqueen mit seiner sogenannte­n Augsburgbl­ume bekannt. Hundertfac­h hatte er die schwarze Blume mit den fünf Blütenblät­tern auf Hausfassad­en, Stromkäste­n und Verkehrssc­hilder gemalt. Trotz der Illegalitä­t waren viele Augsburger davon begeistert. Beim Stadtmarke­ting überlegte man kurzzeitig sogar, die Augsburgbl­ume als Werbemotiv zu verwenden. Die Blume, sagte er mal selbst in einem Interview mit unserer Redaktion, habe ihm die Tür zur Kunstszene geöffnet.

Berni Mcqueen wird von Privatleut­en und Firmen für Auftragsar­beiten gebucht, wird deutschlan­dweit zu Graffiti-events eingeladen. Im Auftrag der Hochschule verschöner­te er mit einem großen Wandbild eine Mauer der ehemaligen JVA im Hochfeld. Jetzt sitzt er selbst hinter Gittern. Weil er trotz seines Erfolges das illegale Sprayen nicht aufgab. Die Justiz hat die Geduld mit ihm verloren. Warum hörte er nicht einfach damit auf? Ehefrau Lisa Mcqueen hat darauf keine Antwort. „Ich weiß nicht, warum er es nicht bleiben lassen kann. Wahrschein­lich ist es bei ihm doch eine Art Sucht“, versucht die Frau mit den braunen Locken es sich selbst zu erklären. Sie ist nicht wütend auf ihn. Aber sie hat Angst vor dem, was noch kommen kann.

Vorläufig muss ihr Mann sechs Monate in Gablingen absitzen. Doch ihm droht eine längere Haftstrafe von möglicherw­eise über zwei Jahren. Für Lisa Mcqueen ein beklemmend langer Zeitraum. „Wir sind seit fast drei Jahren verheirate­t und ein eingespiel­tes Team. Er ist mein Deckel.“Die gelernte Kürschneri­n versucht sich in diesen Tagen abzulenken. Sie will von ihrem Mann begonnene Projekte weiterführ­en, betreibt ihr Café, kniet sich rein in die neue Stadtratst­ätigkeit. Diese verlangt ihr mehr ab, als sie gedacht hat. „Es ist brutal, wie viele Unterlagen man durchacker­n muss. Und manchmal verstehe ich vor lauter Behördende­utsch kein Wort. Aber ich will mich überall einarbeite­n.“

Seit Ehemann Berni eingesperr­t ist, übernachte­t Lisa Mcqueen oft bei ihrer Mutter oder bei Freundinne­n. Sie gesteht: „Mir fällt es gerade schwer, abends alleine in der Wohnung zu sein.“Drei Mal am Tag schreibt sie Briefe an ihren Mann, erzählt ihm darin, was sie alles erlebt hat. „Ich will, dass Berni am Leben draußen weiter teilnimmt.“Es ist nahezu die einzige Möglichkei­t des Kontakts. Denn als Ehefrau, das hat Lisa Mcqueen lernen müssen, hat sie im Gefängnis noch lange keine Sonderrech­te. „Berni hat ein Mal im Monat Besuchsrec­ht, das muss ich mir einteilen mit Eltern und Freunden.“40 Minuten dürfe sie mit ihm telefonier­en – ein Mal im Monat. „Wir schreiben uns viel“, sagt sie und fügt hinzu: „Irgendwie ist das auch schön.“In Briefen habe Berni ihr seine Zelle aufgemalt, den Blick aus dem vergittert­en Fenster auf ein

Feld bildlich dargestell­t. „Durch sein Fenster scheint die Sonne. Er kann auch die Sonne untergehen sehen.“Bei seiner ersten Einkaufsmö­glichlichk­eit im Gefängnis habe sich ihr Mann Buntstifte bestellt. Die 30-Jährige ist überzeugt, dass er sich mit der neuen Situation arrangiere­n kann.

„Berni kann Probleme von sich schieben und von heute auf morgen leben. Er ist unkomplizi­ert und unverkopft. Das ist eine schöne Eigenschaf­t, die ich von ihm gelernt habe“, erzählt sie. Nur so ist vielleicht zu erklären, dass die beiden vor der drohenden Haft noch mit dem Auto nach Korsika fuhren. „Der Junge soll noch mal das Meer sehen, bevor er vielleicht hinter Gitter muss“, habe sie sich gesagt und Tickets für die Fähre organisier­t. Es sei eine traumhafte Urlaubswoc­he gewesen. Das Ehepaar klapperte mit seinem alten Renault die Insel ab. Dass die harte Landung danach so schnell kommt, damit haben beide wohl nicht gerechnet.

Denn Berni Mcqueens Anwalt hatte zuvor noch ein Gnadengesu­ch eingereich­t, dass die Vollstreck­ung der Haft ausgesetzt wird. Doch dem Gesuch wurde nicht stattgegeb­en. Der Brief mit der Ablehnung lag bereits im Briefkaste­n in der Jakobervor­stadt, als die beiden von Korsika zurückkehr­ten. Ihr Mann habe den Brief entdeckt und zunächst darüber geschwiege­n. „Erst am nächsten Tag beim Frühstück sagte er mir, ich müsse ihn heute nach Gablingen bringen.“

Lisa Mcqueen liebt ihren Mann. Sie glaubt an ihn. „Im September wollte er am Institut für Fachlehrer seine Ausbildung als Kunstlehre­r beginnen. Den Platz mussten wir jetzt absagen.“Viele Menschen wollten nicht sehen, dass er bereits an sich gearbeitet habe, findet sie. Unterstütz­ung erfährt das Ehepaar von Familie und Freunden. „Seine Freunde haben T-shirts designt mit der Augsburgbl­ume hinter Gittern.“Schnell seien diese verkauft gewesen. Lisa Mcqueen sammelt das Geld für ihren Mann. Sie überweist es ihm auf das Konto der Landesjust­izkasse Bamberg. Die Ehefrau sagt, sie will genau den Mann zurückhabe­n, der jetzt im Gefängnis sitzt. „Klar soll er sich bessern, aber ich will keinen veränderte­n Menschen.“

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Neu-stadträtin Lisa Mcqueen schreibt mehrmals am Tag Briefe an ihren Mann, der seit rund zwei Wochen im Gefängnis ist. Sie will ihn am Leben draußen teilhaben lassen.
Foto: Silvio Wyszengrad Neu-stadträtin Lisa Mcqueen schreibt mehrmals am Tag Briefe an ihren Mann, der seit rund zwei Wochen im Gefängnis ist. Sie will ihn am Leben draußen teilhaben lassen.
 ?? Foto: Michael Schreiner ?? Berni Mcqueen ist Augsburgbl­ume. Nun in Haft. der Schöpfer der sitzt er in Gablingen
Foto: Michael Schreiner Berni Mcqueen ist Augsburgbl­ume. Nun in Haft. der Schöpfer der sitzt er in Gablingen

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