Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Ermittler fassen Täter nach 20 Jahren
Ein 50-Jähriger aus der Region missbrauchte mehrere Jungen, filmte die Delikte und stellte Videos ins Netz. Teils spielten sich die Taten vor fast zwei Jahrzehnten ab. Wie ihm die Ermittler auf die Spur kamen
Es sind oft kleine Fehler, die einen Täter verraten und ihm zum Verhängnis werden. Nur für einen Bruchteil einer Sekunde war das Gesicht eines 50-jährigen Mannes auf einem kurzen Video zu sehen, wie er in einer Badewanne einen unbekannten braunhaarigen Jungen im Alter zwischen etwa fünf und neun Jahren sexuell missbrauchte. Dieses und weitere ähnliche selbst aufgenommene Videos tauchten schon vor Jahren auf einer einschlägigen Plattform im Internet auf, auf der kinderpornografische Medien getauscht werden konnten.
Durch Vergleiche der Gesichter von Täterfotos auf Datenbanken mit einer speziellen Software konnten Experten von Bundeskriminalamt und Interpol im Jahr 2019 schließlich einen Verdächtigen aus dem Raum Augsburg ermitteln. Er war bereits wegen sexuellen Missbrauchs vorbestraft. In seiner Wohnung wurden bei einer Durchsuchung nicht nur ein Dutzend selbst gedrehter Video-clips entdeckt, sondern auch 3621 Kinderpornos mit teils abscheulichen Inhalten, die der 50-Jährige gespeichert hatte. Die Jugendkammer beim Landgericht verurteilte den Mann jetzt nach mehrtägigem Prozess zu einer Haftstrafe von sechseinhalb Jahren.
Es waren zwei Ermittlungskomplexe des sexuellen Missbrauchs mit den Namen „Badeschaum“und „Salomon“, die dem 50-Jährigen selbst angelastet wurden. Die beiden Jungen als Opfer konnten nicht identifiziert werden. Erst jetzt im Prozess gab der Angeklagte in einem Geständnis die Identität der Kinder preis. Es handelte sich um die kleinen Söhne zweier seiner ehemaligen Lebensgefährtinnen, die er in Wohnungen in Schleswigholstein und in der Oberpfalz missbraucht hatte, so in einer Badewanne oder im Schlafzimmer.
Die Aktivitäten gingen, wie sich später herausstellte, bis in das Jahr 2001 zurück. Aufgrund von Gesetzesänderungen in der Vergangenheit konnten die Ermittler auch lang zurückliegende Fälle strafrechtlich verfolgen. So endet die Verjährungsfrist zum Beispiel bei schwerem sexuellen Missbrauch (mit Vergewaltigung
des Kindes) erst mit dem Tag des 40. Geburtstages des Opfers.
Wie der Angeklagte (Verteidiger: Jörg Seubert) vor der Jugendkammer sagte, habe er die Videos, in denen er selbst Hauptakteur war, gedreht, um Tauschmaterial für eine Internetplattform zu haben. Später habe er dann immer mehr verbotene Videos heruntergeladen und gesammelt. In den bei ihm sichergestellten Kinderpornos fanden sich Aufnahmen, bei denen Babys vergewaltigt oder kleine Kinder zu sexuellen Handlungen mit Tieren gezwungen werden.
Die Jugendkammer unter Vorsitz von Lenart Hoesch verurteilte den 50-Jährigen, der seit August 2019 in U-haft sitzt, wegen sexuellen Missbrauchs
und Herstellen und Besitz von Kinderpornografie zu sechseinhalb Jahren Haft.
Staatsanwältin Birgit Milzareksachau hatte acht Jahre und zehn Monate gefordert, Verteidiger Seubert fünfeinhalb Jahre Gefängnis für angemessen gehalten. Die einschlägigen Vorstrafen des Mannes schlugen straferschwerend zu Buche. Strafmildernd wertete das Gericht neben dem Geständnis die Tatsache, dass der Angeklagte bei seinen Taten den Opfern keine körperliche Gewalt angetan hatte sowie seine schwere Kindheit in einem Heim, wo er selbst misshandelt worden war. Der Verurteilte erklärte sich bereit, während seiner Haft im Gefängnis eine Sexualtherapie zu absolvieren.