Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Man-mitarbeiter kämpfen um ihre Jobs
Bei dem Motorenbauer sollen bis zu 1800 Stellen abgebaut werden. Mitarbeiter und Gewerkschaft halten diese Zahl jedoch für überzogen. Die Stimmung ist emotional aufgeladen, die Rufe nach Alternativen sind laut
11.55 Uhr – der Zeitpunkt für die Demonstration der Mitarbeiter von MAN Energy Solutions am Dienstagmittag war bewusst gewählt. Denn noch sei es fünf vor zwölf, und es gebe Hoffnung, die Zahl von 1800 Stellen, die das Unternehmen in Augsburg im schlimmsten Fall abbauen will, deutlich nach unten zu korrigieren – davon sind Mitarbeiter sowie Arbeitnehmervertreter überzeugt. Selbst die Unternehmensspitze hat durchblicken lassen, dass man bei entsprechenden Konzepten zur Kostenreduzierung auch mit einer geringeren Zahl an Stellenstreichungen rechnen könne.
Eingespart werden sollen bei dem Unternehmen, das zu Volkswagen gehört, bis 2023 rund 450 Millionen Euro. So will man wieder profitabler werden. Denn zuletzt hatte unter anderem der Bereich Schiffsmotoren mit Problemen zu kämpfen. Dazu, so berichten Insider, habe ein
Restrukturierungsprogramm aus dem Jahr 2016 seine Wirkung deutlich verfehlt. Am Dienstagmittag zogen daher rund 400 Beschäftigte und Ig-metall-vertreter vom Tor C des Werksgeländes an der Ecke Sebastianstraße/heinrich-von-buzstraße zum Hochhaus an der Mankreuzung und dann zum Tor an der Stadtbachstraße, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen. Die Stimmung war hitzig und das nicht nur der Temperaturen wegen.
Die Pläne der Konzernmutter VW haben viele der aktuell 4000 Mitarbeiter hart getroffen und emotional aufgewühlt. „Wir haben bei MAN Energy Solutions viele Alleinverdiener. Bei ihnen und ihren Familien geht jetzt die Existenzangst um“, fasste es Betriebsrat Tim Kattner zusammen. Kollegen skandierten: „Wir lassen uns nicht verjagen. Wir bleiben!“Auch Oberbürgermeisterin Eva Weber, die neben den Bundestagsabgeordneten Volker Ullrich (CSU) und Ulrike Bahr
gekommen war, machte in ihrer Ansprache vor der Belegschaft noch einmal klar, dass sie die Zahl von 1800 gefährdeten Stellen „geschockt“habe. Zwar gehe es im Fall MAN vorrangig um den Erhalt der Arbeitsplätze und die Sicherung von Fachwissen – aber darüber hinaus auch um die Fortsetzung einer 180 Jahre dauernden Industrie- und Stadtgeschichte sowie generell um den Wirtschaftsstandort Augsburg. „Ich stehe bereits seit letzter Woche in Kontakt mit unserem Ministerpräsidenten. Er hat mir signalisiert, dass er uns helfen will“, so Weber gegenüber unserer Redaktion.
Darauf hofft auch der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Werner Wiedeman. Er hält die Ankündigungen der Firmenleitung zwar nach wie vor für „völlig überzogen“, gesteht aber auch ein: „Die Lage ist sehr ernst und wir kommen um eine Restrukturierung nicht herum.“Neben zukunftsweisenden Ideen, wie dem Thema Wasserstoff, müsse nun auch die Belegschaft zusammenstehen und Einsparpotenziale schaffen. Unter anderem sei ein Verzicht auf Sondermaßnahmen denkbar oder ein vorübergehendes Nachjustieren bei tariflich vereinbarten Gehaltsregelungen. Bis zur Sommerpause in etwa zwei Wochen wollen die Arbeitnehmervertreter ihr Konzept vorlegen. Bis dahin soll zudem haarklein jedes Einsparpotenzial in den Abteilungen ausfindig gemacht und Alternativen aufgezeigt werden. Im Gegenzug erwartet Wiedemann seitens der Konzernmutter VW ein klares Bekenntnis zum Standort und den Arbeitsplätzen.
Dass die Lage bei MAN Energy Solutions in Augsburg derart ernst ist, war bis zur vergangenen Woche so nicht abzusehen, sagen Mitarbeiter und Arbeitnehmervertreter. Zwar wurde seit Längerem gemunkelt, dass es ein Restrukturierungsprogramm geben soll, das Ausmaß allerdings wird von Arbeitnehmervertretern, wie Gewerkschafter MI(SPD) chael Leppek, als so nicht zu erwarten beschrieben. Das machte Augsburgs IG Metall-chef auch in seiner äußerst emotionalen Rede am Dienstag noch einmal deutlich: „Haben die bei VW vor zwei Wochen ins Sparschwein geschaut und festgestellt, ups, da ist ja gar nichts mehr drin? Habt ihr vorher nicht aufgepasst oder eh damit gerechnet, dass ihr uns bald verkauft?“, rief er den Beschäftigten zu und ergänzte: „Wir werden nicht zulassen, dass unsere mühevoll aufgebaute Kompetenz einfach gestrichen wird. Mit uns wird es keinen Stellenabbau in dieser Größenordnung geben!“
Wie das am Ende abgewendet werden kann, ist noch unklar. Gewerkschaft und Betriebsrat setzen nun alles daran, entsprechende Lösungen zu erarbeiten. Dazu bleibt die Hoffnung, die Politik könnte unterstützend eingreifen und VW würde von seinen Plänen, MAN zu verkaufen, abrücken und dem Unternehmen so den Rücken stärken.