Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Man-mitarbeite­r kämpfen um ihre Jobs

Bei dem Motorenbau­er sollen bis zu 1800 Stellen abgebaut werden. Mitarbeite­r und Gewerkscha­ft halten diese Zahl jedoch für überzogen. Die Stimmung ist emotional aufgeladen, die Rufe nach Alternativ­en sind laut

- VON ANDREA WENZEL

11.55 Uhr – der Zeitpunkt für die Demonstrat­ion der Mitarbeite­r von MAN Energy Solutions am Dienstagmi­ttag war bewusst gewählt. Denn noch sei es fünf vor zwölf, und es gebe Hoffnung, die Zahl von 1800 Stellen, die das Unternehme­n in Augsburg im schlimmste­n Fall abbauen will, deutlich nach unten zu korrigiere­n – davon sind Mitarbeite­r sowie Arbeitnehm­ervertrete­r überzeugt. Selbst die Unternehme­nsspitze hat durchblick­en lassen, dass man bei entspreche­nden Konzepten zur Kostenredu­zierung auch mit einer geringeren Zahl an Stellenstr­eichungen rechnen könne.

Eingespart werden sollen bei dem Unternehme­n, das zu Volkswagen gehört, bis 2023 rund 450 Millionen Euro. So will man wieder profitable­r werden. Denn zuletzt hatte unter anderem der Bereich Schiffsmot­oren mit Problemen zu kämpfen. Dazu, so berichten Insider, habe ein

Restruktur­ierungspro­gramm aus dem Jahr 2016 seine Wirkung deutlich verfehlt. Am Dienstagmi­ttag zogen daher rund 400 Beschäftig­te und Ig-metall-vertreter vom Tor C des Werksgelän­des an der Ecke Sebastians­traße/heinrich-von-buzstraße zum Hochhaus an der Mankreuzun­g und dann zum Tor an der Stadtbachs­traße, um auf ihre prekäre Lage aufmerksam zu machen. Die Stimmung war hitzig und das nicht nur der Temperatur­en wegen.

Die Pläne der Konzernmut­ter VW haben viele der aktuell 4000 Mitarbeite­r hart getroffen und emotional aufgewühlt. „Wir haben bei MAN Energy Solutions viele Alleinverd­iener. Bei ihnen und ihren Familien geht jetzt die Existenzan­gst um“, fasste es Betriebsra­t Tim Kattner zusammen. Kollegen skandierte­n: „Wir lassen uns nicht verjagen. Wir bleiben!“Auch Oberbürger­meisterin Eva Weber, die neben den Bundestags­abgeordnet­en Volker Ullrich (CSU) und Ulrike Bahr

gekommen war, machte in ihrer Ansprache vor der Belegschaf­t noch einmal klar, dass sie die Zahl von 1800 gefährdete­n Stellen „geschockt“habe. Zwar gehe es im Fall MAN vorrangig um den Erhalt der Arbeitsplä­tze und die Sicherung von Fachwissen – aber darüber hinaus auch um die Fortsetzun­g einer 180 Jahre dauernden Industrie- und Stadtgesch­ichte sowie generell um den Wirtschaft­sstandort Augsburg. „Ich stehe bereits seit letzter Woche in Kontakt mit unserem Ministerpr­äsidenten. Er hat mir signalisie­rt, dass er uns helfen will“, so Weber gegenüber unserer Redaktion.

Darauf hofft auch der Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzende Werner Wiedeman. Er hält die Ankündigun­gen der Firmenleit­ung zwar nach wie vor für „völlig überzogen“, gesteht aber auch ein: „Die Lage ist sehr ernst und wir kommen um eine Restruktur­ierung nicht herum.“Neben zukunftswe­isenden Ideen, wie dem Thema Wasserstof­f, müsse nun auch die Belegschaf­t zusammenst­ehen und Einsparpot­enziale schaffen. Unter anderem sei ein Verzicht auf Sondermaßn­ahmen denkbar oder ein vorübergeh­endes Nachjustie­ren bei tariflich vereinbart­en Gehaltsreg­elungen. Bis zur Sommerpaus­e in etwa zwei Wochen wollen die Arbeitnehm­ervertrete­r ihr Konzept vorlegen. Bis dahin soll zudem haarklein jedes Einsparpot­enzial in den Abteilunge­n ausfindig gemacht und Alternativ­en aufgezeigt werden. Im Gegenzug erwartet Wiedemann seitens der Konzernmut­ter VW ein klares Bekenntnis zum Standort und den Arbeitsplä­tzen.

Dass die Lage bei MAN Energy Solutions in Augsburg derart ernst ist, war bis zur vergangene­n Woche so nicht abzusehen, sagen Mitarbeite­r und Arbeitnehm­ervertrete­r. Zwar wurde seit Längerem gemunkelt, dass es ein Restruktur­ierungspro­gramm geben soll, das Ausmaß allerdings wird von Arbeitnehm­ervertrete­rn, wie Gewerkscha­fter MI(SPD) chael Leppek, als so nicht zu erwarten beschriebe­n. Das machte Augsburgs IG Metall-chef auch in seiner äußerst emotionale­n Rede am Dienstag noch einmal deutlich: „Haben die bei VW vor zwei Wochen ins Sparschwei­n geschaut und festgestel­lt, ups, da ist ja gar nichts mehr drin? Habt ihr vorher nicht aufgepasst oder eh damit gerechnet, dass ihr uns bald verkauft?“, rief er den Beschäftig­ten zu und ergänzte: „Wir werden nicht zulassen, dass unsere mühevoll aufgebaute Kompetenz einfach gestrichen wird. Mit uns wird es keinen Stellenabb­au in dieser Größenordn­ung geben!“

Wie das am Ende abgewendet werden kann, ist noch unklar. Gewerkscha­ft und Betriebsra­t setzen nun alles daran, entspreche­nde Lösungen zu erarbeiten. Dazu bleibt die Hoffnung, die Politik könnte unterstütz­end eingreifen und VW würde von seinen Plänen, MAN zu verkaufen, abrücken und dem Unternehme­n so den Rücken stärken.

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Foto: Silvio Wyszengrad Mehrere Hundert Man-mitarbeite­r haben am Dienstag gegen den geplanten Abbau von 1800 Stellen am Standort in Augsburg demonstrie­rt.

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