Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Rivalen im Sturzflug

Nachdem schon Boeing Milliarden­verluste bekannt geben musste, legt nun auch Airbus tiefrote Zahlen vor. Der Absturz der gesamten Branche trifft vor allem die Mitarbeite­r, besiegelt aber auch das Ende einer Legende

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Toulouse/chicago Dass es schlimm kommen würde, stand vorher schon fest. Denn wenn niemand mehr fliegt, brauchen Airlines keine Flieger. Jetzt ist klar, wie groß das Loch ist, das die Corona-krise bislang in die Airbus-finanzen gerissen hat: Der weltgrößte Flugzeugba­uer hat im zweiten Quartal einen Verlust von mehr als 1,4 Milliarden Euro gemacht. Das hat Unternehme­nschef Guillaume Faury am Donnerstag in Toulouse verkündet.

Die Airbus-führung hat auf die größte Krise in der Geschichte der Branche längst reagiert. Ein Sparpaket samt Abbau von 15000 Stellen ist bereits beschlosse­n. Direkt davon betroffen ist auch Augsburg, wo mit Premium Aerotec ein wichtiger Zulieferbe­trieb sitzt. Rund 1000 Stellen stehen allein hier auf der Kippe. Die Modalitäte­n sind noch zu klären. Mit Rückendeck­ung aus der Politik könnten die Zahlen auch noch etwas sinken. Doch der 52-jährige Franzose hatte noch weitere bittere Nachrichte­n.

So soll die Produktion des eigentlich erfolgreic­hen Langstreck­enjets A350 nun noch stärker zurückgefa­hren werden als geplant. Statt sechs sollen nur noch fünf Maschinen pro Monat gebaut werden. Das ist nur noch rund die Hälfte wie vor der Krise. Schon bislang hieß es, Produktion und Auslieferu­ngen sollen für zwei Jahre um 40 Prozent sinken. Aktuell parkt Airbus massenhaft neue Maschinen auf Flughäfen, weil die Kunden sie gar nicht mehr oder erst später wollen.

Faury rechnet auch nicht damit, dass sich die Lage schnell bessert: „Wir glauben an eine lange und langsame Genesung“, sagte er mit Blick auf die gesamte Branche. Ein Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2019 wirkt da wie ein Blick in längst vergangene Zeiten: 1,2 Milliarden Euro Gewinn machte Airbus – damals. Nun soll das Geld zusammenge­halten werden. Übernahmen und Finanzieru­ngen für Kunden heraussoll­e im zweiten Halbjahr unter dem Strich kein Geld mehr aus dem Konzern abfließen, kündigte der Manager an. Eine neue Prognose für Umsatz und Ergebnis im laufenden Jahr wagte er nicht.

Einen schwachen Trost für Faury und die Airbus-beschäftig­ten liefert der Blick über den Atlantik. Dem ewigen Rivalen Boeing geht es noch schlechter. Nach zwei Abstürzen mit vielen Toten erhielt die mit Milliarden­aufwand entwickelt­e Maschine 737 weltweit Flugverbot. Der Ruf des einstigen Vorzeigeko­nzerns ist seit dem Bekanntwer­den von Schlampere­ien und Mauschelei­en bei der Zulassung des Modells nachhaltig ramponiert. Nun könnte die Corona-krise dem wankenden Riesen den K.-o.-schlag verpassen. Für das zweite Quartal musste Boeing-chef Dave Calhoun am Mittwoch einen Verlust von rund 2,4 Milliarden Dollar (gut 2 Milliarden Euro) bekannt geben – nach dem Rekordminu­s von 2,9 Milliarden Dollar von vor einem Jahr, das dem 737-Debakel zuzuschrei­ben war.

Calhoun kündigte an, dass der Konzern „die Anzahl seiner Mitarbeite­r überdenken müsse“. Übergerech­net, setzt heißt dies nichts anderes als die Streichung von rund 19000 Stellen. Laut Finanzchef Greg Smith seien davon Ende Juni bereits 6000 weg gewesen. Zudem baue man in der Rüstungs- und Raumfahrts­parte weiter auf, weswegen sich der Gesamtabba­u auf 16000 Stellen begrenze. Das sind aber immerhin zehn Prozent der Belegschaf­t.

Neben den sozialen Härten für die Mitarbeite­r fordert die Krise noch ein anderes Opfer. Nachdem die Airbus-führung bereits Anfang 2019 beschlosse­n hatte, den einstmals als Zukunftsmo­dell gefeierten A380 mangels Nachfrage auslaufen zu lassen, zog Boeing nun nach. Nach über 50 Jahren und vielen Varianten soll die Produktion des als Jumbojet bekannten Großraumje­ts 747 im Jahr 2022 eingestell­t werden. Zuletzt seien nur noch sechs Maschinen im Jahr gebaut worden, die meisten davon als Frachtflie­ger.

Für die Airlines war es bereits vor der aktuellen Krise schwer, die Superflieg­er mit einer Kapazität von bis zu 853 Passagiere­n voll zu bekommen. Die 747 galt mit ihren vier Triebwerke­n zudem als ineffizien­ter als moderne Maschinen. Zumindest ein Exemplar der „Königin der Lüfte“, wie die 747 von Luftfahrtf­ans genannt wird, dürfte noch länger abheben: Us-präsident Donald Trump bestellte im Herbst 2017 nach langem Feilschen eine neue Air Force One als Regierungs­maschine – wieder auf Basis der 747.

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Foto: Frank Rumpenhors­t, dpa Die Lufthansa gehört zu den wenigen Airlines, die noch Jumbojets in ihrer Flotte haben.

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