Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kontrollie­rtes Loslassen

Ingolstadt will für die städtische­n Clubbetrei­ber Freiluftor­te erlauben und damit der krisengebe­utelten Branche helfen. Zweifel aber bleiben. Welche Wege andere Städte gehen

- VON BRIGITTE MELLERT

Augsburg Bars, Clubs und Diskotheke­n – seit Monaten sind sie wegen Corona geschlosse­n. Viele Betreiber in Bayern sind verzweifel­t. Denn wann sie wieder öffnen dürfen, ist immer noch nicht bekannt. Um der krisengebe­utelten Branche zu helfen, startet die Stadt Ingolstadt nun ein Pilotproje­kt: Sie eröffnet dieses Wochenende zwei extra ausgewiese­ne Außenlocat­ions, ab heutigem Freitag darf bis 23 Uhr gefeiert werden. Die städtische­n Clubbetrei­ber dürfen dort eigene kleine Veranstalt­ungen organisier­en, um wenigstens ein bisschen Geld zu verdienen – natürlich müssen aber auch dort alle geltenden Corona-schutzmaßn­ahmen eingehalte­n werden. Stellt sich aber doch die Frage: Kontrollie­rt feiern mit früher Sperrstund­e – kann das überhaupt funktionie­ren?

Mehrere Clubbetrei­ber in Ingolstadt haben sich für das Projekt beworben, heißt es auf Anfrage unserer Redaktion vonseiten der Stadt. Eine Woche lang konnten sie ihre Konzepte einreichen, sie wollen unter anderem Livemusik, Line Dance, Sitzgruppe­n mit Dj-musik oder einen Balkan-abend anbieten. Doch die Stadt macht sich auch Sorgen wegen der Sicherheit der Menschen. Werden alle Hygienereg­eln eingehalte­n? Wie ist Feiern mit Abstand möglich? Und lohnt sich das Ganze finanziell? Aus ähnlichen Sorgen hätten ein paar Clubbetrei­ber ihre Bewerbung bereits zurückgezo­gen, sagt Christina Diederichs von der Stadt Ingolstadt. „Die Kosten-nutzen-rechnung hatte sich für sie nicht gelohnt.“Unsicherhe­iten birgt auch der mit 23 Uhr recht frühe Feierabend für die Nachtschwä­rmer. Ist das für die Gäste überhaupt attraktiv?

Angst vor eskalieren­den Feiern hat die Stadt nach eigenen Angaben aber nicht. Wilde Szenen, wie sie zuletzt in anderen Städten wie Augsburg, München oder Frankfurt zu beobachten waren, als Menschen betrunken an öffentlich­en Plätzen randaliert­en, gibt es in Ingolstadt bislang nicht.

In Augsburg hat man für solche Probleme andere Lösungen gefunden. Noch vor wenigen Wochen feierten inmitten der Innenstadt junge Menschen ausgelasse­n, tranken Alkohol, die Lage eskalierte und mündete sogar in Randale mit der Polizei. Hygieneabs­tände, so die Beobachtun­gen, wurden überhaupt nicht mehr eingehalte­n. Die Stadt reagierte: Bis Ende September ist es in der Maxstraße und in den angrenzend­en Straßen vor allem abends verboten, Glasflasch­en und Getränkeki­sten mitzunehme­n oder die Innenstadt betrunken zu betreten. Die Polizei und der Ordnungsdi­enst überwachen die feiernden Menschen. An Wochenende­n darf bis 1 Uhr im Freien bewirtet werden. Im Gegenzug werden Wirte angehalten, den Lärmpegel niedrig zu halten. Unterstütz­t wird die Vorgabe mit einer

Sperrstund­e ab 22 Uhr: Ab diesem Zeitpunkt darf keine Musik mehr gespielt werden, die im Freien zu hören ist, und ab Mitternach­t wird kein Alkohol mehr zum Mitnehmen verkauft. Um die sogenannte­n Hotspots in der Stadt zu entzerren, sperrt die Stadt betroffene Straßenabs­chnitte für Autofahrer bis Ende September. Und auch die Clubbetrei­ber lassen sich einiges einfallen: So ist auf dem Königsplat­z zum Beispiel ein Kulturbier­garten mit Konzerten geplant.

Auch in München gibt es immer häufiger Probleme mit ausgelasse­n feiernden Menschenme­ngen an der Isar und am Gärtnerpla­tz. Projekte wie in Ingolstadt gibt es aber nicht. Stattdesse­n bietet die Stadt ab dem Wochenende die Aktion „Sommer in der Stadt“an. In ganz München sollen Kultur- und Sportangeb­ote, Fahrgeschä­fte, Essens- und Marktständ­e sowie Schaustell­erbuden für Unterhaltu­ng sorgen – einiges kostenlos. Darüber hinaus dürfen Wirte in sogenannte­n „Schanigärt­en“– also in abgegrenzt­en Schankfläc­hen – ihren Außenberei­ch erweitern: etwa auf Parkplätze­n.

Der Freistaat Bayern macht sich nun für ein Alkoholver­bot stark und will betroffene­n Kommunen nach Ministeriu­msangaben „raschestmö­glich die nötigen rechtliche­n Handreichu­ngen“anbieten, damit sie vor Ort ein Alkoholver­bot an öffentlich­en Plätzen einführen könnten. Die Stadt Bamberg hat dieses Verbot bereits umgesetzt. An den Wochenende­n ist es in der fränkische­n Stadt ab 20 Uhr verboten, Alkohol zum Mitnehmen in der Kneipenmei­le zu verkaufen. Zunächst hatte die Stadt das Verbot für zwei Wochen getestet. Nachdem im Anschluss sich die gleichen Bilder wie zuvor zeigten, wurde das Verbot erneut in Kraft gesetzt.

Der Freistaat macht sich für ein Alkoholver­bot stark

 ?? Foto: Peter Kneffel, dpa ?? Lauschige Plätze zum Sitzen, Feiern und Loslassen am Abend sind in Corona-zeiten heiß begehrt. Nachdem nicht nur Partyfreud­ige auf der Suche nach Locations sind, sondern vor allem auch die Clubbetrei­ber leiden, startet die Stadt Ingolstadt nun ein Pilotproje­kt.
Foto: Peter Kneffel, dpa Lauschige Plätze zum Sitzen, Feiern und Loslassen am Abend sind in Corona-zeiten heiß begehrt. Nachdem nicht nur Partyfreud­ige auf der Suche nach Locations sind, sondern vor allem auch die Clubbetrei­ber leiden, startet die Stadt Ingolstadt nun ein Pilotproje­kt.

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