Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Kirche ist systemrele­vant“

Der Finanzdire­ktor der Diözese Augsburg rechnet mit mageren Jahren. Gibt es nun einen Einstellun­gsstopp im Bistum? Oder weniger Bauaufträg­e?

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Herr Quella, Sie sind seit einem Jahr Finanzdire­ktor der Diözese Augsburg. Unterschei­det sich die Arbeit für die Kirche von der eines Finanzvors­tands eines Wirtschaft­sunternehm­ens? Jérôme-oliver Quella: In gewissen Bereichen ja, aber grundsätzl­ich nein. Auch eine Diözese ist wie eine große Kapitalges­ellschaft zu behandeln. Die Art des Management­s ist identisch. Die Kirche unterschei­det, dass hier der Bischof die letzte Instanz ist, die entscheide­t. Der Bistumshau­shalt muss deshalb konsensfäh­ig mit seinen pastoralen Zielsetzun­gen sein.

Vor einem Jahr hieß es: „Die Diözese schöpft aus dem Vollen.“Gilt das fürs Corona-jahr 2020 noch genauso? Quella: Wir können nicht mehr aus dem Vollen schöpfen. Aber in der Vergangenh­eit haben wir ausreichen­de Ressourcen gebündelt, um solche Effekte, wie sie jetzt mit Covid-19 eingetrete­n sind, zu kompensier­en. Zum Beispiel haben wir den Bischöflic­hen Stephana-hilfsfonds, um finanziell­e Ausfälle in den Pfarreien auszugleic­hen. Insgesamt werden wir jetzt restriktiv­er mit unseren Mitteln umgehen, als es noch in den letzten zwei, drei Jahren gewesen ist.

380 Millionen Euro konnten Sie voriges Jahr an Kirchenste­uer verbuchen. Wie viele Einnahmen stehen Ihnen voraussich­tlich 2020 zur Verfügung? Quella: Es wird etwas weniger sein, als wir im Haushalt planten, und sich ungefähr auf dem Niveau zwischen 2018 und 2019 bewegen.

Und wenn Sie noch weiter vorausscha­uen auf die Jahre 2021 und 2022? Quella: Wir haben mit Interesse die Steuerschä­tzung der Bundesregi­erung zur Kenntnis genommen. Wir haben hochgerech­net, dass wir mit einem Rückgang des Kirchenste­ueraufkomm­ens um unter zehn Prozent rechnen müssen. Da reden wir über 35 bis 40 Millionen Euro.

Die Diözese hatte 2019 Rücklagen von insgesamt 17,5 Millionen Euro gebildet. Wo und wie legt die Diözese eigentlich ihr Geld an?

Quella: Wir haben regelmäßig eine hohe Barmittel-position und gute Kreditpart­ner, die uns sehr gute Konditione­n gewähren. Ein Teil unserer Mittel ist in Immobilien investiert und ein Großteil ist profession­ell gemanagtes Finanzanla­ge-vermögen. Unsere Mittel sind konservati­v angelegt. Wir erfüllen nicht nur die Anforderun­gen an nachhaltig­e Anlageform­en, sondern gehen auch konform mit der katholisch­en Soziallehr­e. Gewisse Produkte oder Dienstleis­tungen passen grundsätzl­ich nicht in das Portfolio. Wir haben eine Mischung aus Unternehme­nsund Staatsanle­ihen und einen sich den Marktbedin­gungen und unserer langfristi­gen Anlagenstr­ategie angemessen­en Anteil an Aktien.

Im Bistum Eichstätt hatte man jahrelang zu kämpfen mit riskanten Geldanlage­n in den USA. Haben Sie diesbezügl­ich auch Leichen im Keller? Quella: Nein, wir haben keine Leichen im Keller. Meinen Vorgängern war ein hohes Maß an Solidität wichtig. Wir haben ein übliches Investitio­nsrisiko, weil wir natürlich in Unternehme­nsanleihen investiere­n. Aber auch darin sind wir konservati­v: Gewisse Geldanlage­n sollte man nur machen, wenn man sie versteht. Deswegen sind wir auch sehr gut aus der Covid-19-krise rausgegang­en. Manche Dinge sind nicht so gelaufen, wie wir uns gedacht haben, aber unsere Berater gaben Empfehlung­en, die sich umsetzen ließen, sodass wir das eine oder andere wieder gutmachen konnten.

Welche Kontrollme­chanismen hat das Bistum eingezogen, damit auch korrekt mit dem Geld umgegangen wird? Quella: Wir müssen vor unseren Aufsichtsg­remien bestehen. Der Diözesanst­eueraussch­uss, der Diözesanve­rmögensrat und das Konsultore­nkollegium müssen davon überzeugt werden, wie die Anlagepoli­tik funktionie­rt. Die kritischen Fragen, die Sie jetzt stellen, werden da auch gestellt. Es muss solides Datenmater­ial vorgelegt werden, denn da sitzen auch Wirtschaft­sprüfer, Steuerbera­ter, Juristen, die tiefer gehende Fragen stellen. Wir haben einen Anlagenaus­schuss, der regelmäßig tagt. Dort legen unsere Vermögensv­erwalter vor, wie die Strategie sein könnte. Wie wir anlegen, entscheide­n wir immer noch selber. Begleitend gibt es einen Revisionsp­rozess, der prüft, ob unsere Ziele eingehalte­n wurden.

Wenn das Geld knapper wird, welche Maßnahmen werden im Bistum Augsburg in Erwägung gezogen? Ein Einstellun­gsstopp? Weniger Bauaufträg­e? Quella: Kostenopti­mierungen werden angestrebt. Große Organisati­onen wie wir haben in guten Jahren die eine oder andere Mehrausgab­e getätigt, die aus heutiger Sicht überlegens­wert sind. Wenn wir rückläufig­e Einnahmen haben, wird definitiv das eine oder andere, an das wir uns in den letzten Jahren und Jahrzehnte­n gewöhnt haben, auf den Prüfstand gestellt. In den Kernbereic­hen werden wir unveränder­t investiere­n. Ob hier eine andere Akzentsetz­ung eintritt, obliegt unserem neuen Bischof. Wir warten auf seine strategisc­he Entscheidu­ng. Bei Baumaßnahm­en können wir uns vielem nicht entziehen, denn wir haben jede Menge Kulturgüte­r und Baudenkmäl­er, die repariert und saniert werden müssen. Wir nehmen allerdings eine Priorisier­ung vor.

Wird der Personalst­and verändert? Quella: Wir sind im Zeitalter der Digitalisi­erung. Im Rahmen der natürliche­n Fluktuatio­n wird die Frage sein: Muss diese Stelle nachbesetz­t werden, kann etwas umstruktur­iert werden? Da sehen wir einiges Potenzial für mittel- und langfristi­ge Einsparung­en.

Manche Kritiker träumen von einer richtig armen Kirche. Was hätte dies für Konsequenz­en?

Quella: Das ist bestimmt eine charmante Idee, reduziert aber die Kirche im Wesentlich­en auf die Liturgie und Verkündigu­ng. Die Verzahnung von Kirche und Gesellscha­ft über Jahrhunder­te darf man jedoch nicht außer Acht lassen. Kirche ist systemrele­vant, weil wir in vielen sozialen und Bildungsbe­reichen wichtige Akzente übernommen haben, weil es Kernkompet­enzen der Kirche sind: Hospize, Altenfürso­rge, Schulen und Kindertage­sstätten. Wenn wir eine arme Kirche würden, könnten wir viele Tätigkeite­n und Unterstütz­ungen gar nicht leisten. Nehmen Sie das Afra-seniorenhe­im; bei der Sanierung sind viele Dinge möglich geworden, weil die Diözese für ein Mehr, das nicht unbedingt dem Plan entspricht, Mittel in die Hand genommen hat. Das sehen wir als christlich­en Auftrag. Mit unserem Schulwerk leisten wir einen großen Beitrag in die Bildung von Kindern und Jugendlich­en. Würden unsere Mittel nicht jährlich fließen, dann gibt es dort, sagen wir es so, andere Umstände. Interview: Alois Knoller

Jérôme-oliver Quella, 48, ist seit August 2019 der Finanzdire­ktor der Diözese Augsburg. Er wechselte aus der freien Wirtschaft.

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Foto: Henning Kaiser, dpa Weniger Kirchenmit­glieder, weniger Geld – die Diözese Augsburg muss damit auskommen.
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