Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

J.k.rowling erregt Ärger

Die Harry-potter-erfinderin feiert heute ihren 55. Geburtstag. Weltweit wird sie für ihre Bücher gefeiert. Doch mit ihren Äußerungen über Transmensc­hen ist sie zuletzt bei einigen in Ungnade gefallen

- VON BIRGIT MÜLLER-BARDORFF

Augsburg Wenn Joanne K. Rowling heute ihren 55. Geburtstag feiert, wird sie nicht nur nette Glückwünsc­he in Empfang nehmen können, sondern – gerade via Twitter, Facebook und ähnlichen Online-netzwerken – auch auf die eine oder andere weniger freundlich­e Schrift stoßen. Wer hätte je gedacht, dass die Harry-potter-erfinderin in Ungnade fallen könnte, ist sie doch so etwas wie eine Säulenheil­ige der Literatur. Mit ihren sieben Harrypotte­r-bänden entfachte sie bei Millionen Menschen jeden Alters – auch bei solchen, die sich für Literatur vorher nur am Rande oder gar nicht interessie­rt hatten – eine unglaublic­he Lesebegeis­terung. Die Aschenputt­el-geschichte von der alleinerzi­ehenden Sozialhilf­eempfänger­in, die sich aus prekärer Not zur Milliardär­in emporgesch­rieben hatte, und ihr Engagement für Benachteil­igte, Kranke und Kinder taten ein Übriges dazu, dass Rowling als Autorin wie auch als Mensch ziemlich unangreifb­ar wurde.

Das hat sich geändert. Seit mehren Wochen sieht sich Rowling vehementer Kritik ausgesetzt. Die Autorin, die sich gern dezidiert zu politische­n Themen äußert, hatte auf einen Zeitungsar­tikel, in dem von

„Menschen, die menstruier­en“die Rede ist, auf Twitter süffisant-polemisch geantworte­t, ob es sich dabei um jene Menschen handele, die man früher Frauen genannt habe. Damit geriet Rowling mitten hinein in die Transgende­r-debatte. Ihr wurde vorgeworfe­n, transphob zu sein, mehr noch, sie sei eine TERF, also eine „transexklu­dierende Radikalfem­inistin“, die Transfraue­n nicht als weibliche Wesen betrachtet.

All das geschah vor dem Hintergrun­d, dass sie sich im vergangene­n Jahr schon einmal für eine Wissenscha­ftlerin eingesetzt hatte, der vorgeworfe­n worden war, Transfraue­n nicht automatisc­h als Frauen anzuerkenn­en. Selbiges hält man nun auch J. K. Rowling vor. Schauspiel­er der Harry-potter-filme wie Daniel Radcliffe und Emma Watson bezogen Stellung gegen die Autorin; Künstler der auch Rowling vertretend­en Agentur verließen diese; und Mitarbeite­r des Verlages, der das neue Kinderbuch „The Ickabog“von Rowling veröffentl­icht, drohten ihre Arbeit an dem Buch niederzule­gen. Sogar die Betreiber zweier Harry-potter-fanseiten verstiegen sich dazu, Fotos und Zitate Rowlings zu löschen.

Zentrum der Debatte steht – und Vorsicht, hier wird es nun ein wenig sperrig in den Begrifflic­hkeiten – Rowlings Meinung, dass Frausein eine biologisch­e Realität sei. In einem längeren Beitrag auf ihrer Website hatte die Autorin auf die heftige Kritik reagiert. Darin wendet sich die Schriftste­llerin gegen die juristisch­e, kulturelle und politische

Gleichsetz­ung von jenen Frauen, die Weiblichke­it für sich postuliere­n, und jenen, den sogenannte­n Cisfrauen, die als Frauen zur Welt gekommen sind. Grundsätzl­ich sei sie besorgt, dass radikale Trans-aktivisten keine Differenzi­erung der Geschlecht­er mehr zulassen würden, schreibt sie. Für Rowling sind Menschen, die von ihrem biologiim schen Geschlecht her Männer sind, sich aber als weiblich identifizi­eren, Transfraue­n und können nicht gleichgese­tzt werden mit biologisch weiblichen Frauen, denen sie ein eigenes, spezifisch­es Bewusstsei­n zuschreibt. Wer dies leugne, verrate Frauen, ihre Erfahrunge­n und ihre Lebensreal­ität, schreibt sie.

Gleichzeit­ig befürchtet sie,

dass damit nicht nur eine neue Frauenfein­dlichkeit einhergehe und Schutzräum­e für Frauen abgeschaff­t würden, wenn jeder Mann, der sage, er fühle sich als Frau, die Toiletten und Umkleiderä­ume von Frauen betreten dürfe. Da könne man die Türen auch allen Männern öffnen, die hineinwoll­en, führt sie als Beispiel an.

Neben der in dieser Zeit offenbar komplizier­t gewordenen Frage, wie sich Frausein definiert, legt die Kontrovers­e um J.k.rowling aber auch offen, wie hoch die Bereitscha­ft zu moralische­r Entrüstung ist, sobald jemand – zumal ein Prominente­r – eine abweichend­e Meinung äußert. Legt auch offen, wie das Zulassen von Meinungsfr­eiheit noch im Widerspruc­h zur Vielfalt der Gesellscha­ft steht. Das ist in jüngster Zeit in der Rassismus-debatte ebenso zu beobachten wie in der Frage der Zulässigke­it von Kritik an der Politik des Staates Israel.

Denn Rowling geht es – wie sie in ihrem sehr emotional geschriebe­nen Blogbeitra­g ausführt, in dem sie erstmals auch von den eigenen Gewaltund Missbrauch­serfahrung­en in ihrer ersten Ehe berichtet – nicht darum, auszugrenz­en. Ihre Solidaritä­t und ihren Einsatz für Gruppen, deren Rechte unterdrück­t werden, betont sie immer wieder. Auch habe

Auch Daniel Radcliffe wandte sich gegen Rowling

Erstmals berichtet Rowling von Missbrauch­serfahrung­en

sie sich für eine Figur in einem ihrer Kriminalro­mane intensiv mit dem Thema Transsexua­lität beschäftig­t und in diesem Zusammenha­ng mit vielen Transmensc­hen Kontakt gehabt. „Transmensc­hen verdienen es, ihr Leben zu leben, ohne konstant dafür infrage gestellt zu werden“, daran lässt sie keinen Zweifel.

Dass dabei die Belange von Frauen und eben nicht allgemein von „Menschen, die menstruier­en“leicht in den Hintergrun­d rücken, dagegen wehrt sie sich. „Alles, was ich will“, schreibt sie zum Schluss in ihrem Blogbeitra­g, „ist eine vergleichb­are Empathie, ein vergleichb­ares Verständni­s für die vielen Millionen Frauen, deren einziges Vergehen es ist, zu wollen, dass ihre Bedürfniss­e gehört werden, ohne dass sie dafür bedroht oder missbrauch­t werden.“

Wer wollte dem widersprec­hen? Und vielleicht hat J.k.rowling gerade durch ihre Widerspruc­h erregenden Aussagen wieder einen Anstoß dazu gegeben, sich mit weiblicher Identität, aber auch mit ihrer immer noch existieren­den Bedrohung zu beschäftig­en. In diesem Sinne: Happy Birthday, J.k.rowling!

 ?? Foto: picture alliance ?? Eine Frau mit eigenen Ansichten: Joanne K. Rowling erregt Widerspruc­h in der Transgende­r-debatte.
Foto: picture alliance Eine Frau mit eigenen Ansichten: Joanne K. Rowling erregt Widerspruc­h in der Transgende­r-debatte.

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