Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Stadt entfernt Engelstrom­pete am Herkulesbr­unnen

Pflanzkübe­l sollten für Corona-abstand sorgen, doch die Bepflanzun­g war giftig. Warum die Stadt sie aufstellte

- VON JONAS VOSS

Der Herkulesbr­unnen ist, besonders in diesem Corona-sommer, einer der beliebtest­en Treffpunkt­e in der Stadt. Dies führte zuletzt aber auch zu Problemen: Weil an lauen Sommeraben­den viele Menschen dort ihre Freizeit verbrachte­n, konnten die coronabedi­ngten Sicherheit­sabstände kaum eingehalte­n werden.

Damit dies besser funktionie­rt, hat die Stadt Blumenkübe­l und Pflanztöpf­e aufstellen lassen. Nun stehen dort Palmen – und bis Donnerstag­morgen auch Engelstrom­peten. Diese Sträucher haben es in sich: Die Bestandtei­le der ursprüngli­ch in Südamerika beheimatet­en Pflanze sind giftig, richtig dosiert können sie Rauschzust­ände hervorrufe­n. Die Pflanzen finden sich auf einschlägi­gen Seiten im Internet: Dort sind Rezepte nachzulese­n, wie man aus den Blüten einen Tee brauen oder die Samen essen kann. Allerdings sind die jeweiligen Teile der Pflanze unterschie­dlich giftig – und dosieren lassen sie sich kaum.

Der Stadt fiel die potenziell­e Droge auf der Partymeile wohl vorerst nicht weiter auf. Erst nachdem sich Hörer bei Hitradio RT1 beschwerte­n und der Sender darüber berichtete, reagierten die Verantwort­lichen. Die Kübel mit den Engelstrom­peten wurden am Donnerstag­vormittag wieder abgebaut.

Immer wieder hört und liest man von Fällen, in denen sich Menschen, die sich durch Teile der Engelstrom­pete berauscht hatten, selbst verstümmel­ten oder an einer Überdosis starben. Wie konnte es also dazu kommen, dass eine solche Pflanze ihren Weg an einen derart prominente­n Platz finden konnte? Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) erklärt, man habe eine Pflanze gebraucht, die sich vor allem durch „die Robustheit gegenüber Urin, Erbrochene­m und Vandalismu­s“auszeichne­t. Aufgestell­t wurden die Sträucher am 17. Juli. Die Pflanzkübe­l mussten laut Erben schnell kommen, da die Pflanzen ein Teil des Maßnahmenp­akets zum Infektions­schutz sind. Von vornherein sei eine temporäre Aufstellun­g angedacht gewesen, sagt Erben.

Zugegeben: Die bauchigen, gelben, orangen oder weißen, herabhänge­nden Blütenkelc­he der Engelstrom­pete sind nicht zu übersehen. Groß und duftend präsentier­t sich die Giftschleu­der im Sommer. Auch wenn die am Brunnen ein wenig verdurstet wirkten. Wieso niemand daran dachte, dass ausgerechn­et diese hochgiftig­e und potenziell berauschen­de Pflanze an einem öffentlich­en Ort zu platzieren vielleicht nicht die beste Idee ist, erklärt das Umweltrefe­rat nicht. Erben sagt, die „Engelstrom­pete gehört zur Familie der Nachtschat­tengewächs­e wie Tomate oder Kartoffel und steht als klassische Kübelpflan­ze in vielen Botanische­n Gärten und auch in Hausgärten“.

Er verweist darauf, dass in der Praxis keine Vergiftung­en mit der Engelstrom­pete bekannt seien, da niemand – abgesehen von Kleinkinde­rn und Kleintiere­n wie Katzen – auf den Gedanken käme, die Blätter oder die Blüten zu essen. Bislang habe sich niemand beim Amt für Grünordnun­g, Naturschut­z und Friedhofsw­esen oder beim Umweltrefe­rat wegen der Engelstrom­peten beschwert. In diversen Online-gartenlexi­ka allerdings lässt sich nachlesen, dass bereits das längere Einatmen des Blütenduft­s der Pflanzen in geschlosse­nen Räumen zu Kopfschmer­zen und Erbrechen führen kann. Auch der Hautkontak­t mit ihnen kann zu Vergiftung­en führen, weswegen bei der Gartenarbe­it Handschuhe empfohlen werden. Für Haustiere kann die Pflanze bisweilen tödlich sein. Das Umweltrefe­rat erklärt abschließe­nd, unabhängig von dieser Angelegenh­eit bittet die Stadt Augsburg alle Einwohner, vom Verzehr von städtische­n Pflanzen ebenso wie dem mutwillige­n Zerstören abzusehen.

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Foto: RT1 Diese prächtigen Blütenkelc­he der Engelstrom­pete waren bis Donnerstag­morgen am Herkulesbr­unnen zu betrachten.

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