Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Kunst der Trennung

Warum es um ein Talent der Deutschen nicht gut steht

- VON HERBERT SCHEURING

Die Deutschen sind bekannt für ihre Fähigkeit, räumlich und gedanklich klare Trennlinie­n zu ziehen. Dies zeigt sich in der Errichtung philosophi­scher Denkgebäud­e, die strikt zwischen Sein und Schein oder Sein und Zeit unterschei­den, oder in Phänomenen wie der Trennkost. Eine Zeit lang gab es sogar zwei getrennte deutsche Staaten, die so klar unterschei­dbar waren wie Dick und Doof.

Heute zeichnet sich Deutschlan­d aus durch sein System der Mülltrennu­ng, das weltweit einmalig ist. Während anderswo alles in eine Tonne kommt, wird in der Bundesrepu­blik fleißig sortiert. Ordnung muss sein. Hierbei helfen Samtersche­idet melcontain­er, Blaue Tonnen, Gelbe Säcke, Graue Tonnen, Schwarze Säcke oder Braune Tonnen. Doch mit dem Talent der Deutschen zum Trennen ist es offenbar doch nicht so weit her wie gedacht. Das Umweltbund­esamt hat zuletzt mitgeteilt, dass immer noch viele Wertstoffe in der Restmüllto­nne landen. Auch Entsorgung­sfirmen beklagen, dass Abfälle oft fehlgeleit­et werden.

So wächst zusammen, was nicht zusammenge­hört. Die Branche unzit hier etwa zwischen „regulären Fehlwürfen“(Quark samt Verpackung in der Biotonne) und „intelligen­ten Fehlwürfen“(Plastikklo­bürste im Gelben Sack). Der Kosmos aus Grünem Punkt, Gelbem Sack und Blauer Tonne ist zuweilen nur schwer zu durchschau­en. Viele wissen einfach nicht, in welche Behältniss­e sie Joghurtbec­herdeckel, Bioabfall, Schredderg­ut, Amigos-cds, Einwegflas­chen und anderen Schotter verfüllen sollen, um so den Kreislauf von Wiederverw­ertung und Wiedergebu­rt („Ich war eine Dose“) zu schließen. „Gute Freunde kann niemand trennen“, sang einst Franz Beckenbaue­r. Mit dem Müll verhält es sich oft genauso.

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Foto: Adobe Stock

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