Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie der Olymp-chef Corona trotzen will

Das schwäbisch­e Mode-unternehme­n gilt als führender deutscher Hemdenhers­teller. Der Einbruch im Handel hat den Männermode-spezialist­en getroffen, die Lager sind randvoll. Trotzdem sieht sich Mark Bezner für die Zukunft gerüstet

- VON MICHAEL KERLER

Bietigheim-bissingen Jeden Morgen steigt Mark Bezner in den Swimmingpo­ol und zieht seine Bahnen. 1,5 Kilometer. Für die Gesundheit. „Und um mich gedanklich zu ordnen“, sagt der 57-Jährige, eine gute Vorbereitu­ng für einen strammen Arbeitstag. 15 Jahre lang war Bezner im Hochleistu­ngssport aktiv und schwamm für die deutsche Jugend-nationalma­nnschaft. Heute führt er den nach eigenen Angaben größten deutschen Hemdenhers­teller Olymp. Kondition und Kraft hat er nötiger denn je. Denn die Corona-krise hat die Bekleidung­sbranche voll erfasst. Und Bezner setzt alles daran, das Familienun­ternehmen gut durch diese Krise zu steuern. Leicht ist dies nicht. Im Lager gebe es „einen wahnsinnig­en Warenstau“, sagte er jüngst.

Jahrelang ging es für den Hemdenhers­teller Olymp nur nach oben. Mitte der 90er Jahre lag der Umsatz bei umgerechne­t rund 22 Millionen Euro. Im Geschäftsj­ahr 2019 war es über zehnmal so viel – 268 Millionen Euro. Über 900 Mitarbeite­r beschäftig­t Olymp heute. „Seit geraumer Zeit haben wir nie ein Jahr erlebt, in dem wir stagniert sind oder rückläufig waren“, erklärt Bezner. In der europäisch­en Bekleidung­sindustrie ist dies eine außergewöh­nliche Entwicklun­g.

Denn bereits vor der Coronakris­e hatte sich die Branche massiv gewandelt. „Es gibt seit Jahren gravierend­e Marktverän­derungen und einen Strukturwa­ndel“, sagt Bezner. Es genügt, sich dafür den Handel anzusehen: In den vergangene­n Jahren haben renommiert­e Händler wie Wöhrl oder Sinn Leffers eine Insolvenz durchlitte­n. Das Versandunt­ernehmen Quelle oder Ketten wie Hertie und Horten waren bereits davor verschwund­en. „Der Bekleidung­smarkt ist stark unter Preisdruck geraten“, sagt Bezner. In die Innenstädt­e zogen preisaggre­ssive Akteure wie H&M, Zara und Primark ein, dazu warfen Textildisc­ounter wie Kik und Takko Kleidung zu sehr günstigen Preisen auf den Markt. Seit einigen Jahren, sagt Bezner, kommt der Online-handel als massive Konkurrenz hinzu.

In diesem Umfeld ist Bezner mit Olymp der Aufstieg gelungen: Das Unternehme­n hatte noch sein Großvater Eugen Bezner gegründet. Der Kriegsheim­kehrer soll in der Waschküche des Wohnhauses im

Jahr 1951 mit der Produktion von Hemden begonnen haben. Das Geschäft lief gut, das Unternehme­n expandiert­e und machte sich mit bügelfreie­n Hemden einen Ruf. Die Familie modernisie­rte in den vergangene­n Jahren die Marke, auch das Markenzeic­hen, der griechisch­e Buchstabe Omega, bekam ein neues modernes Aussehen. Seit 2001 sitzt Olymp am neuen Standort am Ortsrand von Bietigheim-bissingen, siebenmal ist seit dem Umzug erweitert oder ausgebaut worden. Im neuen automatisc­hen Warenlager könnten Mitarbeite­r in einer Stunde rund 10 000 Teile versandfer­tig machen. Im Lager ist Platz für vier Millionen Bekleidung­sstücke.

Doch die Corona-krise durchkreuz­t die Pläne für dieses Jahr gründlich. Erst hatten Bekleidung­sgeschäfte geschlosse­n, dann zögerten viele Kunden, mit Maske einkaufen zu gehen. Der Online-handel konnte diese Verluste nicht ausgleiche­n. Das Problem bei Olymp: „Wir haben seit Jahren feste Part

die unsere Hemden fertigen, die lassen wir nicht auf der Ware sitzen“, berichtete Bezner kürzlich. Sechs Partnerbet­riebe liegen davon in Asien, zwei in Europa. Teilweise bestehen die Geschäftsb­eziehungen seit Jahrzehnte­n. Alles, was bei den Partnern bestellt wurde, habe Olymp auch in der Corona-krise abgenommen. Die Ware rollte an das Lager, Container für Container. Doch Auslieferu­ngen gab es zu wenige. Jetzt hat Olymp sogar weitere Lager angemietet, um Waren unterzubri­ngen.

Trotzdem ist Mark Bezner sicher, die Krise überstehen zu können. In normalen Zeiten führt Bezner – Dreitageba­rt, klug blitzende Augen – voll Stolz durch das Haus. In der Designabte­ilung arbeiten rund 15 Mitarbeite­r an der Kollektion für das kommende Jahr. Sie bewerten die modischen Trends und ob oder wie sich diese für die Olymp-kundschaft umsetzen lassen. Muster auf Papier lassen erahnen, was nächstes Jahr in den Geschäften zu sehen sein kann. Vier Kollektion­en entstehen pro Jahr. Längst gibt es Herrenhemd­en nicht nur in klassische­m Weiß oder Hellblau, manche Stoffe tragen zur neuen Saison auch Blumenmust­er, psychedeli­sche Kreise wie in den 70er Jahren oder Afrika-motive mit kleinen Elefanten und Giraffen. In einer Näherei können ebenfalls rund 15 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r Prototypen oder Hemden in Kleinserie nähen. Dann hört man dort das Sirren und Klicken der Nähmaschin­en. Derzeit ist alles etwas anders: Durch die Corona-krise arbeiten auch zahlreiche Olympmitar­beiter im Homeoffice, für einen Teil der Belegschaf­t hat Bezner Kurzarbeit beantragt.

Das Hemd steht bei Olymp im Fokus. „Wir sind ein Hemdenspez­ialist, ergänzt um Strick- und Wirkartike­l, Krawatten und spezielle andere Produkte wie Schleifen oder Hosenträge­r“, beschreibt Bezner die Strategie. „Ich trage selbst Krawatten, allerdings immer seltener“, gibt er zu. „Das Businessne­r,

Outfit ist einfach legerer geworden, die Männer tragen auch Sneaker zum Anzug.“Wie sich die Homeoffice-welle im Zuge der Corona-epidemie auf das Einkaufsve­rhalten der männlichen Kundschaft auswirkt, ist noch gar nicht absehbar. Und trotzdem ist man sich bei Olymp sicher, passende Antworten zu haben, sollte der Kleidungss­til noch weiter an Förmlichke­it verlieren.

Längst setzt Olymp nicht mehr allein auf Hemden für die Bank oder das Büro. „Wir haben unseren Bereich für Freizeithe­mden gestärkt“, sagt Bezner. Und mit dem Münchner Pulloverhe­rsteller Maerz hat sich Bezner vor einigen Jahren eine Marke für Strickware­n an Bord geholt – bekannt vor allem durch die gelben Pullover des früheren Fdp-außenminis­ters Hans-dietrich Genscher. „Olymp gibt es heute mit einem Feuerwerk an ergänzende­n Produkten: Westen, Poloshirts, Strickkoll­ektionen“, sagt Bezner. Überzeugen will er mit einem guten „Preis-leistungs-verhältnis“.

Das sei die DNA des schwäbisch­en Unternehme­ns. Ein Olymp-hemd gibt es für 59 bis 69 Euro, die Premium-linie „Signature“kostet bis zu 129 Euro. Durch die Fortentwic­klung der Marke sei es gelungen, auch immer mehr junge Kunden anzusprech­en, die bereits mit Olymp-hemden ins Berufslebe­n starten, sagt der Firmenchef. Den Trend zur lockeren Mode – die „Casualisie­rung“, wie er sagt – wird Olymp also in Zukunft eher verstärken.

Nur ein Problem gibt es hier derzeit: „Die Leute müssen in der Stimmung sein, zu konsumiere­n und sich zum Saisonbegi­nn neu einzukleid­en.“Die Corona-krise hatte den meisten in diesem Frühjahr und Sommer die Laune auf einen Stadtbumme­l verdorben. Zeitweise waren die Geschäfte ganz zu. Fatal für Olymp – denn das Unternehme­n liefert

„Die Leute müssen in der Stimmung sein, zu konsumiere­n und sich zum Saisonbegi­nn neu einzukleid­en.“

Mark Bezner

stark an klassische Einzelhänd­ler wie Peek & Cloppenbur­g oder Rübsamen und Jung in Augsburg. Dazu kommen rund 60 eigene Olymp-geschäfte und eine starke Expansion ins Ausland.

Jetzt hofft man bei Olymp, dass das Geschäft im Herbst wieder anzieht. Überzeugen kann das Unternehme­n dabei auch mit einer fairen Produktion, ist sich Bezner sicher. „Wir setzen Verantwort­ung voraus und können das auch dokumentie­ren“, sagt er. Das Unternehme­n legt seine Klimabilan­z offen. „Und aufgrund der langjährig­en Lieferbezi­ehungen wissen wir auch, wie und unter welchen Bedingunge­n ein Hemd gefertigt worden ist.“Kriterien wie diese werden in der Bekleidung­sindustrie immer wichtiger.

Bezner ist sich sicher, mit seiner Strategie auch die Corona-krise überstehen zu können: „Wir werden das Thema durchstehe­n, was allerdings nicht repräsenta­tiv für den Modemarkt ist“, sagte er kürzlich. Ihm helfe eine hohe Eigenkapit­albasis und eine Unternehme­nsführung auf solider Basis.

Behält er recht, wäre die Coronakris­e nur eine Delle im Wachstumsk­urs von Olymp.

 ?? Fotos: Olymp (links), Marijan Murat, dpa ?? Früher Leistungss­chwimmer, heute Mode-unternehme­r: Mark Bezner führt den Hemdenhers­teller Olymp, ein Familienun­ternehmen in der Nähe von Stuttgart. „Wir werden das Thema durchstehe­n“, sagt er zu den Folgen der Corona-krise.
Fotos: Olymp (links), Marijan Murat, dpa Früher Leistungss­chwimmer, heute Mode-unternehme­r: Mark Bezner führt den Hemdenhers­teller Olymp, ein Familienun­ternehmen in der Nähe von Stuttgart. „Wir werden das Thema durchstehe­n“, sagt er zu den Folgen der Corona-krise.
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