Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die Rückkehr des Räubers

Immer wieder streifen Wölfe durch Bayerns Wälder. Jetzt wurden sieben Schafe auf einer Weide im Landkreis Aichach-friedberg gerissen. Und die Diskussion­en sind neu entfacht

- VON JÖRG SIGMUND

Augsburg Es ist ein heikles Thema – und die sieben getöteten Schafe auf einer Weide in Igenhausen im Landkreis Aichach-friedberg (wir berichtete­n) haben die Diskussion­en neu entfacht: Der Wolf ist zurück und mit ihm die Frage, ob er tatsächlic­h willkommen ist.

In den vergangene­n Monaten häufen sich die Meldungen über Wolfsrisse oder Wolfsbeoba­chtungen in Bayern. Obwohl der genetische Beweis noch aussteht, geht das Landesamt für Umwelt (LFU) davon aus, dass es aufgrund der Bilder einer Wildkamera auch in Igenhausen ein Wolf war, der die Schafe riss.

Von einer „neuen Konfliktsi­tuation mit der Weidewirts­chaft“spricht nach den jüngsten Vorfällen Thomas Schreder, Vizepräsid­ent des Bayerische­n Jagdverban­des. Der Wolf solle zwar nicht ins Jagdrecht übernommen werden, wie Schreder betont. „Aber wir brauchen ein besseres Management.“Auch der Status des europaweit geschützte­n Raubtiers sei diskutabel. „Wir müssen uns einigen, wie man mit auffällige­n Wölfen umgeht“, sagt Schreder. Wobei es sich hier vor allem um eine Auseinande­rsetzung zwischen besorgten Weideviehh­altern und Naturschüt­zern, die die Rückkehr des großen Beutegreif­ers begrüßen, handle.

einen „pragmatisc­hen Umgang“mit dem Wolf ist es höchste Zeit, sagt der Csu-bundestags­abgeordnet­e Georg Nüßlein (Kreis Günzburg). Dessen Akzeptanz könne in einem dicht besiedelte­n Land wie Deutschlan­d nur gesichert werden, „wenn sich die Menschen auf einen wirksamen Schutz verlassen können“.

Derzeit leben in Deutschlan­d 105 Wolfsrudel und 28 Paare. Bereits im nächsten Jahr sei mit 130 Rudeln und damit über 1000 Tieren zu rechnen, sagt Professor Hans-dieter Pfannensti­el, Zoologe an der Freien Universitä­t Berlin. Deutschlan­d sei für den Wolf nicht nur ein Einwanderu­ngsland, sondern längst auch schon zur Durchgangs­station in andere europäisch­e Staaten geworden.

Professor Sven Herzog vom Lehrstuhl für Wildökolog­ie und Jagdwirtsc­haft der Technische­n Universitä­t Dresden beurteilt die Entwicklun­g kritisch. In Deutschlan­d gebe es im Umgang mit dem Wolf kein richtiges Konzept, sondern nur Insellösun­gen für Detailfrag­en, sagte er bei einem Symposium des Bayerische­n Jagdverban­des. Ein Beispiel sei der Schutz der Weidewirts­chaft. Nur der Bau von Zäunen oder der Einsatz von Herdenschu­tzhunden könne nicht wirken, betont Herzog. Entscheide­nd sei vielmehr, dass die Scheu des äußerst vorsichtig­en und fasziniere­nden Tiers vor dem Menschen aufrechter­halten werde. Die wenigsten Übergriffe auf Weidevieh gebe es in Ländern, in denen es auch eine planmäßige Bejagung gebe, die der Population nicht schade.

Wenn Weidetiere dem Wolf chancenlos ausgeliefe­rt sind, sei ein Gegensteue­rn auch ein Gebot des Tierschutz­es, sagt Georg Nüßlein. Stetig wachsende Wolfspopul­ationen würden die Existenz der Weidetierh­altung, die mit der Einzigarti­gkeit

der Kulturland­schaft verbunden ist, gefährden. Nüßlein: „Auch wenn Anti-wolf-maßnahmen in Bayern mittlerwei­le durch ein Herdenschu­tz-programm gefördert werden, halte ich die technische­n Möglichkei­ten aufgrund der landschaft­lichen Situation wie etwa im Allgäu für schlichtwe­g begrenzt.“

Wolfsroman­tik helfe nicht weiter, sagt der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Cdu/csu-bundestags­fraktion. Nüßleins Vorstoß für ein Bestandsma­nagement beim Wolf, das auch einen gezielten Abschuss bedeuten kann, scheiterte bisher. Die Forderung nach wolfsfreie­n Zonen werde seit Jahren immer wieder erhoben, heißt es dazu aus dem Bayefür rischen Staatsmini­sterium für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten. Bei der aktuell geltenden europarech­tlichen Lage sei die Ausweisung solcher Zonen nicht darstellba­r, so Pressespre­cher Peter Issig. Der „Bayerische Aktionspla­n Wolf“hingegen nutze die rechtliche­n Spielräume. Er sieht vor, dass Wölfe bereits dann in nicht schützbare­n Gebieten erlegt werden können, wenn sie sich wiederholt Nutztieren annähern und Angriffsve­rsuche unternehme­n.

Umso wichtiger sei es, sagt Nüßlein, starke Wildbestän­de, also die natürliche Nahrungsgr­undlage für den Wolf, zu erhalten und sie nicht weiter zu dezimieren. Der Staatsfors­t müsse seine Strategie, die Abschusspl­äne für Reh- und Rotwild permanent zu erhöhen, grundlegen­d ändern. „Wenn er im Wald nichts zu fressen findet, holt sich der Wolf das, was auf der Weide steht.“

Dem widerspric­ht das Ministeriu­m entschiede­n. Die Idee laufe ja darauf hinaus, „überhöhte Wildbestän­de im Wald zugunsten des Wolfes vorzuhalte­n“. Gerade in Zeiten des Klimawande­ls seien angepasste Bestände unabdingba­r. Die Forderung sei auch nicht mit dem bayerische­n Jagdrecht vereinbar. Issig: „Unabhängig davon ist es höchst zweifelhaf­t, dass sich das Nahrungssp­ektrum des Wolfes auf Wildtiere beschränke­n ließe.“

Nüßlein: „Wolfsroman­tik hilft nicht weiter“

 ?? Foto: Carsten Rehder, dpa ?? Er galt bereits als ausgerotte­t. Doch inzwischen gibt es in Deutschlan­d wieder eine wachsende Wolfspopul­ation. Die Meinungen, ob das Raubtier auch in Bayern willkommen ist, gehen auseinande­r. Naturschüt­zer begrüßen die Rückkehr, Weideviehh­alter sind besorgt.
Foto: Carsten Rehder, dpa Er galt bereits als ausgerotte­t. Doch inzwischen gibt es in Deutschlan­d wieder eine wachsende Wolfspopul­ation. Die Meinungen, ob das Raubtier auch in Bayern willkommen ist, gehen auseinande­r. Naturschüt­zer begrüßen die Rückkehr, Weideviehh­alter sind besorgt.

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