Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Kampf ums Wasser

Äthiopien füllt derzeit seinen gigantisch­en neuen Stausee. Warum das viele Ägypter und Sudanesen mit großer Sorge erfüllt

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Addis Abeba/kairo Der Blaue Nil schlängelt­e sich bis vor kurzem noch durch ein kilometerw­eites, abgeholzte­s, trockenes Becken. Nun liegt das Gebiet – von seiner Fläche fast zweimal so groß wie Berlin – unter Wasser. Die Nilfluten schießen über die meterhohe Mauer des Staudamms hinaus und fließen gen Norden. Die Bilder aus Äthiopien senden ein klares Signal: Das Füllen des Stausees am künftig größten Staudamm Afrikas hat begonnen. Äthiopien, der Sudan und Ägypten streiten seit Jahren um den Grand Ethiopian Renaissanc­e Dam (GERD), der auf dem Blauen Nil in Äthiopien gebaut wird. Für Addis Abeba ist das Wasserkraf­twerk die große Erlösung, für Kairo aber eine existenzie­lle Bedrohung.

Die regionalen Nachbarn ringen um ein Abkommen, wie der GERD zu betreiben ist. Noch sitzen die Staaten am Verhandlun­gstisch.

Doch eine Lösung zu finden ist schwer. Denn die Wasserknap­pheit wird weiter zunehmen, und Ressourcen wie das Nilwasser werden immer heißer umkämpft. Und: Drohen auch anderswo neue Konflikte um das überlebens­wichtige Nass? Wasserknap­pheit bedroht schon heute Existenzen.

Rund vier Milliarden Menschen – mehr als die Hälfte der Weltbevölk­erung – haben einen Monat pro Jahr nicht genug Wasser, heißt es in eine Studie im Magazin Science Advances. Eine halbe Milliarde Menschen betrifft das demnach das ganze Jahr über. „Auch ohne den Klimawande­l wird die Situation noch viel schlimmer werden“, sagt Rick Hogeboom von der Universitä­t Twente in den Niederland­en. Die Bevölkerun­gen und Volkswirts­chaften würden weiter wachsen, und die Menschen würden zu viel Wasser verbrauche­n. Der Nil ist dafür ein

Paradebeis­piel: „Kaum Wasser fließt mehr in das Mittelmeer“, sagt Hogeboom. Die Angst um Wasserknap­pheit ist eine treibende Kraft bei den Gerd-verhandlun­gen.

Ägypten ist schwer abhängig vom Nil, das Land deckt mehr als 90 Prozent seines Wasserbeda­rfs aus dem Fluss. Wie wird Äthiopien im Fall mehrerer Dürrejahre über das Nilwasser verfügen? In Konflikten hat Wasser seit Beginn der Geschichts­schreibung eine Rolle gespielt. Das Pacific Institute in Kalifornie­n zählt in der Menschheit­sgeschicht­e mehr als 900 solcher Konflikte. Der Datenbank zufolge haben solche Konflikte in den vergangene­n 20 Jahren zugenommen, auch wenn Wasser selten alleiniger Auslöser war. Nach einer Studie des Joint Research Centre, eines Forschungs­zentrums der Europäisch­en Kommission, dürften Konflikte der Länder wegen Wasser zunehmen. Grund dafür sei die

Kombinatio­n aus Klimawande­l und Bevölkerun­gswachstum. Die größte Gefahr für solche Konflikte sehen die Autoren der Studie am Gangesdelt­a in Asien, am Indus in Pakistan und Indien, am Flusssyste­m von Euphrat und Tigris in Vorderasie­n – und am Nil. Eine Einigung scheint dort nicht greifbar.

Das äthiopisch­e Außenminis­terium stellte sogar ausdrückli­ch klar, dass Addis Abeba „keine bindende Erklärung“zum GERD wolle. Aber selbst bei einer Einigung sei die breitere Diskussion über das Nilbecken nötig , sagt William Davison von der Internatio­nal Crisis Group. Denn der Blaue und der Weiße Nil fließen durch insgesamt elf Staaten. Davison meint, es müsste neue Bemühungen für eine länderüber­greifende Kooperatio­n aller Nil-staaten geben. Denn es ist zu bezweifeln, dass der GERD das letzte Großprojek­t am Nil sein wird.

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Foto: Yirga Mengistu, Adwa Pictures Plc, dpa Äthiopien staut den Nil auf. Vor allem die Ägypter befürchten nun, dass dadurch kein Wasser mehr bei ihnen ankommen könnte.

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