Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Da ist selbst Hamilton platt

Trotz eines Reifenscha­dens gewinnt der Brite in Silverston­e. Während Nico Hülkenberg gar nicht erst starten kann, fährt Sebastian Vettel hinterher

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Silverston­e An einem Tag zum Vergessen für Sebastian Vettel und Nico Hülkenberg hat Formel-1-dominator Lewis Hamilton auf drei Reifen den nächsten Schritt zu seinem siebten Wm-titel gemacht. Bei seinem am Ende kuriosen siebten Heimsieg in Silverston­e gewann der Mercedes-pilot am Sonntag verrückt wie lange nicht vor Max Verstappen im Red Bull und Charles Leclerc im Ferrari. Ex-champion Vettel holte im lahmenden Ferrari als Zehnter noch einen Punkt, während Hülkenberg­s Blitz-rückkehr beim Großen Preis von Großbritan­nien bei Racing Point ganz kurzfristi­g platzte. „Ich habe so was wie in der letzten Runde noch nie erlebt, mir ist fast das Herz stehen geblieben“, sagte Hamilton, nachdem sein linker Vorderreif­en auf der Schlussrun­de fast von der Felge gerutscht wäre.

Nur mit extremem Feingefühl gelang es ihm, den Wagen nach dem Reifenplat­zer noch gerade so über die Ziellinie zu steuern. „Ich habe gemerkt, dass es echt hart wird“, sagte Hamilton: „Zum Glück hat es noch geklappt. Ich dachte, die letzte Runde würde geschmeidi­g.“In der Gesamtwert­ung baute Weltmeiste­r Hamilton (88 Punkte) seinen Vorsprung nach drei Erfolgen in den ersten vier Wm-läufen auf Teamkolleg­e Valtteri Bottas (58) weiter aus. Mit nun 87 Grand-prix-siegen ist Michael Schumacher­s Bestmarke von 91 greifbar. Der englische Dauersiege­r ließ auch keinen Zweifel daran, dass er am Saisonende mit Rekord-champion Schumacher nach Titelgewin­nen gleichzieh­en will.

In seinem letzten Jahr bei Ferrari hat Vettel schon früh keinerlei Chancen mehr auf seine fünfte Weltmeiste­rschaft und verkommt im trostlosen Mittelfeld zum Statisten. „Ich fühle mich überhaupt nicht wohl. Das ganze Wochenende war der Wurm drin. Irgendwas muss sein“, sagte Vettel frustriert. „Es geht ja nicht, dass über Nacht alles rückwärts läuft.“Eigentlich sah bis kurz vor Schluss alles nach einem ungefährde­ten Sieg für Hamilton vor Silberpfei­l-teamkolleg­e Bottas aus. Doch dem Finnen war auf Rang zwei liegend kurz zuvor auch der linke Vorderreif­en geplatzt und er konnte sich nicht mehr in die Punkte retten.

Als die Ampeln ausgingen und Hamilton den Start gewann, war für Hülkenberg derweil schon alles vorbei. Aus dem Comeback des 32-Jährigen aus Emmerich wurde nichts, da die Antriebsei­nheit an seinem

Auto defekt war. Racing Point bekam den Wagen nicht flott und der Deutsche musste enttäuscht in der Garage aussteigen. Eigentlich sollte er für den mit dem Coronaviru­s infizierte­n Mexikaner Sergio Perez einspringe­n. Sollte Perez keine Freigabe durch die Ärzte erhalten, könnte der Deutsche beim zweiten Rennen in Mittelengl­and am kommenden Sonntag aber doch noch dabei sein.

Auf dem Hochgeschw­indigkeits­kurs gab Mercedes wie erwartet das Tempo vor. Hamilton hatte sich am

Samstag schon mit Streckenre­kord die Pole Position gesichert und zog an der Spitze kontrollie­rt seine Runden. Sechs der vergangene­n sieben Rennen gewannen die Silberpfei­le auf ihrer Paradestre­cke unweit der Teamfabrik­en in Brackley und Brixworth. Unterbroch­en nur durch Vettel im Ferrari vor zwei Jahren. Doch von einer Überraschu­ng war der Heppenheim­er weit entfernt. Nach mehreren technische­n Schwierigk­eiten und keiner guten Vorstellun­g in der Qualifikat­ion konnte sich der 33-Jährige von

Startplatz zehn nicht nach vorne arbeiten. Zwei frühe Safety-car-phasen durch Unfälle von Kevin Magnussen (Haas) und Daniil Kwjat (Alpha Tauri) verhindert­en jedoch einen normalen Rennverlau­f, in gerade sechs der ersten 18 Runden konnte überhaupt frei gefahren werden. Nach dem zweiten Re-start verlor Vettel vor leeren Tribünen aufgrund der Corona-bestimmung­en aber sogar einen Platz und hatte fortan Probleme mit den harten Reifen. An der Spitze fuhren Hamilton und Bottas ungefährde­t schnelle Runden und konnten das Tempo sogar nach Belieben dosieren. Erst die Reifenplat­zer brachten Spannung. Aber niemand ist in der Lage, mit dem Branchenfü­hrer mitzuhalte­n. Erst die Reifenschä­den kosteten den maximalen Erfolg. Einzig Verstappen konnte bis dahin zeitweise die Verfolgung aufnehmen, kam jedoch nie ernsthaft in Schlagdist­anz.

Vettels bittere Realität waren hingegen Zweikämpfe im Niemandsla­nd gegen Pierre Gasly von Alpha Tauri oder Esteban Ocon im Renault. Eigenwerbu­ng für das kommende Jahr kann der Routinier im unterlegen­en Ferrari derzeit nicht betreiben und steht weiterhin ohne Cockpit für 2021 da.

Der Weltmeiste­r nähert sich Bestmarke von Schumacher

 ?? Foto: Andrew Boyers, dpa ?? Schaden links vorne: Mit nur drei funktionsf­ähigen Reifen steuert Lewis Hamilton seinen Mercedes ins Ziel und gewinnt.
Foto: Andrew Boyers, dpa Schaden links vorne: Mit nur drei funktionsf­ähigen Reifen steuert Lewis Hamilton seinen Mercedes ins Ziel und gewinnt.

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