Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Wal im Klassenzimmer und das Plastikproblem
Isi ist geschockt, was sie im Unterricht erfährt. Für einen Moment vergisst sie sogar ihre Sorgen von daheim
Fortsetzung von Teil 1 der Kurzgeschichte „Plötzlich berühmt: Isi wird zum Superstar“:
…Isi erzählte von dem Gespräch über das Visum und ihren Reisepass. Terri sah sie erstaunt an. „Oh oh“, sagte sie, „Visum klingt nicht nach Urlaub in Lindenfried.“„Ja, wenn es schlimm kommt, verbringe ich den Sommer nicht mit dir am Baggersee“, klagte Isi. „Wir müssen unbedingt die Ferien retten.“
Sie griff nach ihrer Stofftasche im Fahrradkorb, hakte sich bei Terri unter und zog ihre Freundin Richtung Eingang. Lässig trugen sie ihre Taschen über der Schulter. Die hatten sie immer dabei, in der Schule, zum Sport und zum Einkaufen. Sie hatten den Stoff letzten Sommer mit Logos bedruckt: dem Umriss des Kiosks am Baggersee. Die Jungs aus der 7B pfiffen ihnen hinterher. „Coole bags“, rief einer und streckte den Daumen hoch. Kichernd liefen die Mädchen in den Erdkunde-unterricht.
Sie hatten Glück. Herr Roth hatte heute ein Video dabei. Isi und Terri grinsten sich an. Das bedeutete, sie konnten eine Stunde lang neue Designs für Stofftaschen entwerfen. Sie zogen Stifte und Papier heraus, während auf der Leinwand der Film begann. Isi malte Hibiskusblüten, aus den Lautsprechern drang Meeresrauschen. Ein Reporter erzählte etwas von gestrandeten Walen. Isi hörte nur halb zu. Terris Stift schob sich über ihr Blatt. „Eltern, Reisepass, ich habe eine Idee“, kritzelte sie neben die Blüte.
Plötzlich ging ein Raunen durch den Raum. „Wow!“, rief jemand aus der letzten Reihe. Isi blickte auf und verschluckte sich fast. Ihr Magen zog sich zusammen. „Wie ekelhaft!“, dachte sie, während sie entsetzt auf die Leinwand starrte.
In kniehohem Wasser trieb regungslos ein großer schwarzer Wal mit offenem Maul. Männer in Latzhosen standen an seiner Flanke, einer saß im Schneidersitz auf dem Tier und hatte ein langes Messer neben sich. Aus dem aufgeschlitzten Tier quollen pinke, graue und schlammfarbene Dinge. Die Fischer zogen daran. Isi wusste nicht, was davon Haut, Magen und Müll war. Als die Kamera hineinzoomte, erkannte sie Plastikschalen, Netze, Gummischläuche und Unmengen von Plastiktüten. Sie verzog den Mund. Der arme Wal! Er sah auch in leblosem Zustand noch so aus, als würde er leiden.
„Dieser tote, zehn Meter lange Wal wurde an die indonesische Küste gespült“, sagte der Reporter. „Auch auf den Philippinen ist ein Wal verhungert, weil sein ganzer Magen mit 40 Kilogramm Müll gefüllt war. Und in Schottland ist ein Tier mit 100 Kilogramm im Bauch gestorben.“Ein warnender Ton lag in seiner Stimme: „Plastikmüll bringt Tiere in Gefahr. Auch Schildkröten zum Beispiel, die Plastiktüten essen, weil sie sie mit Quallen verwechseln.“Isi erschauderte. Sie blickte zu Terri, die ebenfalls mit offenem Mund dasaß. Plötzlich war alles vergessen: die mysteriösen Reisepläne ihrer Eltern, das neue Video von Beachboy17, der Sommer am See und die neuen Taschendesigns.
„Ich wusste, dass Plastik schlecht für die Umwelt ist, aber das ist echt widerlich“, flüsterte ihre Freundin. „Wir verwenden doch eh schon Taschen und Rucksäcke zum Shoppen. Keine Plastiktüten, keine Strohhalme, kein Plastikgeschirr. Wo kommt das denn alles her?“
Isi zuckte mit den Schultern und blickte wieder auf die Leinwand. „Dabei sind Wale Klimaschützer“, erklärte der Reporter gerade. „Ein einziger Wal kann so viel CO2 speichern wie tausende Bäume. Aber die Menschen pusten immer mehr CO2 in die Luft, zum Beispiel im Verkehr oder aus Fabriken. Wenn Plastik hergestellt und entsorgt wird, entsteht auch CO2, also das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid. Und wegen der Treibhausgase wird es auf der Erde immer wärmer. So verändert sich der Lebensraum der Wale schneller, als sie sich anpassen können.“Der Reporter verhaspelte sich fast, seine Wangen wurden rot und schließlich rief er: „Wale sterben, weil wir die Luft verpesten und die Meere vermüllen!“
Er rückte sein Mikro zurecht und sagte: „Meere binden Kohlenstoffdioxid wie eine biologische Pumpe. Aber je mehr Müll im Wasser landet, desto schlechter funktioniert die Pumpe. Wir müssen kapieren, dass Plastik nicht nur ein Umweltproblem, sondern auch ein Klimaproblem ist.“… Fortsetzung folgt Montag ⓘ
Info Hast du den ersten Teil von „Plötzlich beliebt: Isi wird zum Superstar“verpasst? Du findest ihn auf der Capito-seite vom vergangenen Montag unter augsburger-allgemeine.de/capito.