Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Grüne Veltliner erfindet sich neu
Egal ob Wiener Schnitzel, Tafelspitz oder Forelle blau – der österreichische Traditionswein funktioniert immer. Jetzt nehmen sich einige Winzer der feinen Rebsorte an und machen aus dem Veltliner einen Wein, über den man spricht
Mehr Österreich geht schon gar nicht mehr. Die Streif, der Stephansdom und eben diese Traube. Die Nummer eins in der Rebsortenskala bei unseren Nachbarn. Kein Hüttenabend, kein Heuriger, keine Jause ohne den Wein, der für sein „Pfefferl“bekannt ist, mit diesem würzigen Ausdruck am Gaumen, der den Trinker kurz vor dem Schlucken freudig ereilen kann. „Der Grüne Veltliner ist ein Arbeitspferd“, sagt der Winzer Peter Veyder-malberg. „Eine Universalrebsorte, die sehr gut geht für Alltagswein. Aber wenn man es darauf anlegt, dann kann man allerdings Weltklasse daraus machen.“
Der gebürtige Salzburger Veyder-malberg mit Weinvergangenheit hat sich im Jahr 2008 auf den Weg gemacht in die Wachau, um den Grünen Veltliner neu zu interpretieren. Drei Eckdaten dafür beschreibt er so: „Ich habe gelernt, die Grenzen dieser Rebsorte im Anbau zu beachten. Zu heißes und trockenes Klima mag der Grüne Veltliner nicht. Erträge mittelgradig bis gering halten. Relativ früh lesen.“Die Zuckergradation in der Traube ist ihm dabei nicht so wichtig, sondern die Reife des Kerns und der Geschmack der Traube selbst. „Wenn die Vögel anfangen, die Trauben zu fressen, dann fange ich an zu lesen.“
Viele Freunde unter etablierten Winzerkollegen in der Wachau hat er sich mit seiner Zugangsweise nicht gemacht. Denen spülten in den vergangenen Jahren hochpreisige, alkoholschwere Weine mit mäßig prägnanter Säure, gerne auch mit dem Edelpilz Botrytis, viel Geld in die Taschen. Sie hören auf den Namen „Smaragd“, Teil einer Klassifizierung (Steinfeder, Federspiel, Smaragd), die es nur in der Wachau gibt. Sie orientiert sich an Alkohol und Zuckerwerten. In Zeiten der Klimaveränderung, in denen die Winzer nicht mehr um Sonnenstunden beten, wird das allerdings eine unbrauchbare Skalierung.
Auf nur fünf Hektar Rebfläche, davon die Hälfte in unwegsamen Steinterrassen-lagen, erschafft Veyder-malberg seine Weine. Schon der Einstieg mit dem Namen „Liebedich“(11,5 Prozent Alkohol), der in flacher Lage auf Sand, Löß und Lehmböden wächst, zeigt, wo die Reise hingeht: in eine Stilistik, die nicht auf Primärfrucht-aromen setzt, sondern auf eine filigrane Kräuterigkeit. Die beiden anderen GVS aus den Lagen Weitenberg und Hochrain entstammen Gneis- und Glimmerschiefer-böden, die sie
und mineralisch werden lassen. Peter Veyder-malberg empfiehlt Veltliner besonders zur leicht bis mittelscharfen Asia-küche mit Fisch (auch roh) oder Geflügel.
Michael Moosbrugger macht in Schloss Gobelsburg, dem Weingut des Zisterzienserklosters Zwettl im nahe gelegenen Kamptal, zeitlos zarte Grüne Veltliner, die sich keinerlei Trends an den Hals werfen. „Das ist die feine Art der Achtzigerjahre“, sagt Moosbrugger. Er freut sich über die neueren Interpretationen der Rebsorte, die seiner Meinung nach „weniger von den Unterschieden zwischen als vielmehr innerhalb der einzelnen Gebiete abhängt“. Moosbrugger trinkt Veltliner übrigens gerne zum Tafelspitz mit Spinat und Apfelkren.
Dass der Grüne Veltliner auch als Wine eine gute Figur macht und für andere Konzepte des Ausbaus geeignet ist, findet Moosbrugger „wichtig, weil es der Standardisierung und der Industrialisierung der Weinwirtschaft entgegenläuft“. Moosbrugger billigt das Deutungsmonopol über den Grünen Veltliner auch nicht ausschließlich der Wachau zu und hat dazu eine klare Meinung: „Der alte Wachau-begriff schließt auch Kamptal und Traisental mit ein. ,Wachau‘ – das bedeutet die ,weiche Au‘, also da, wo die Donau breit wird. Deshalb bin ich ein Freund der Deklaration des gesamten Donau-raums.“
Der Grüne Veltliner kann aber auch ganz anders: Im Burgenland kommt er wesentlich gerbstoffiger daher. Gut zu besichtigen beim famosen „Manila“von Martin Nittgriffig naus und beim vibrierenden Veltliner von Uwe Schiefer aus dem Südburgenland. An der Donau liegt das Weinviertel, die größte österreichische Anbauregion mit 28000 Hektar – das ist mehr als die Hälfte des gesamten Anbaus des Landes von 45 000 Hektar. Das Image dieses Weinviertels war aber bisher, sagen wir es charmant, überschaubar. Trinkweine zu sehr kleinen Preisen. Guter Stoff für größere Gelage ohne weiteres Nachdenken eben.
Gestrahlt haben die anderen Anbaugebiete in Österreich: Die Südsteiermark mit ihren prägnanten Aromasorten, das Rot- und Süßwein-dorado im Burgenland, die Weingroßstadt Wien mit ihrem Gemischten Satz. Genau im Schatten dieser Außenwahrnehmung hat sich das Weinviertel zu einem sehr spanorange nenden Anbaugebiet entwickelt, das den Winzern mangels Vorprägung die Entwicklung in jede Richtung erlaubt. Herbert Zillinger hat sich im Jahr 2003 zusammen mit seiner Frau Carmen auf den Weg gemacht. Nachdem er den elterlichen Gemischtbetrieb (Obst, Gemüse, Wein) in Ebenthal übernommen hatte, ging er entschlossen den Weg in die alternative Bewirtschaftung seiner Weingärten, die 2008 bio-zertifiziert wurden und 2017 dann sogar für bio-dynamischen Anbau.
Die Umstellung war keinesfalls einfach für Zillinger. „Es passiert halt nicht so, wie wenn man einen Schalter umlegen würde“, sagt er. Sein Weinstil beinhaltet auch „das Spiel mit Oxidation und Reduktion. Da haben wir schon einiges an Lehrgeld bezahlt in der Vergangenheit, bis wir an dem Punkt waren, wo wir mit dem Grünen Veltliner hinkommen wollten.“Die resultierenden Weine aus seinem Haus sind eher leise, aber tiefgründig und vieldimensional. Auch hier besticht die alkoholische Leichtigkeit gepaart mit einem kompakten Kern.
Die Marktchancen für die österreichische weiße Traube sieht Zillinger
Das Weinviertel entwickelt sich sehr spannend
als durchaus positiv an: „Diese ruhige würzige Art als Speisenbegleiter können nicht viele Rebsorten auf der Welt so bieten.“Carmen Zillinger mag zum Grünen Veltliner am liebsten eine im Ganzen gegrillte Goldbrasse mit Belugalinsen-salat.
Obwohl auch die internationale Fachwelt begeistert ist von Weinen wie „Horizont“, „Vogelsang“und „Radikal“, bleibt Zillinger verhalten in seiner Begeisterung über das Erreichte: „A gmahde Wiesn ist es auch heute noch nicht. Wir haben keine fünf Prozent unserer Kundschaft von früher mehr.“Aber das Verdienst, den Grünen Veltliner, diese Zufallskreuzung aus Traminer und einer Rebsorte namens Sankt Georgen, mit einer neuen Interpretation in die Zukunft geführt zu haben.
ⓘ Unser Autor empfiehlt
● 2019 Neuland, Herbert Zillinger/weinviertel, weinhalle.de, 9.90 Euro
● 2018 Liebedich, Peter Veyder-malberg/wachau, weinhalle.de, 19.90 Euro
● 2018 Steinsetz, Schloss Gobelsburg/ Kamptal, garibaldi.de, 21.90 Euro
● 2018 Manila, Martin Nittnaus, Gols/ Burgenland, weinfurore.de, 14.90 Euro
● 2017 Grüner Veltliner, weinbau-schiefer.at, 9.00 Euro