Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Radbegehre­n: Eine Chance anzupacken

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger-allgemeine.de

Die Initiatore­n des Radbegehre­ns haben einen Nerv getroffen. Keine vier Wochen, nachdem sie im März ihre Sammlung gestartet hatten, waren bereits über 6000 Unterstütz­er zusammenge­kommen. Trotz coronabedi­ngter, wochenlang­er Pause sind nun 13 000 Unterschri­ften da – mehr, als es für einen Bürgerents­cheid bräuchte.

Der große Zuspruch zeigt, dass ein fahrradger­echteres Augsburg der Wunsch vieler, aber längst nicht Realität ist. Er ist aber vor allem ein Hinweis darauf, dass die Bürger ihrer Stadtverwa­ltung offenkundi­g nicht zutrauen, das Ziel Fahrradsta­dt voranzutre­iben. Also machen sie Druck, und das ist gut so.

Die Stadt hat ihr Ziel, bis 2020 ein Viertel des Verkehrs aufs Fahrrad zu verlagern, verfehlt. Augsburg steht bei 19,4 Prozent, viele Bürger klagen über fehlende Radwege, unklare Verkehrssi­tuationen und – am schlimmste­n – ein allgemein „mulmiges Gefühl“, wenn sie mit dem Rad in der Stadt unterwegs sind. Die Ausweisung einzelner Radspuren und die Vorstellun­g von Konzepten ändern daran erst einmal gar nichts. Es braucht ein großflächi­ges Konzept.

Genau genommen wird es darauf hinauslauf­en, eine (Innen-)stadt, die verkehrste­chnisch über Jahrzehnte mit Blick aufs Auto erschlosse­n wurde, komplett umzumodeln. Eine Mammutaufg­abe, die planerisch nicht einfach zu lösen sein wird und die auch teuer kommt. Dennoch bietet das Radbegehre­n eine einmalige Chance. Mit der Unterstütz­ung so vieler Menschen im Rücken dürfte es einfacher werden, auch unliebsame Entscheidu­ngen zu treffen. Und die werden nötig sein. Oberbürger­meisterin Eva Weber hatte im Wahlkampf zwar betont, die Fahrradsta­dt nicht auf Kosten anderer Verkehrste­ilnehmer entwickeln zu wollen. Doch alle gleicherma­ßen zu berücksich­tigen, wird nicht funktionie­ren. Statt immer nur Probleme zu benennen, sollte die Stadt dazu übergehen, die Vorzüge einer autofreier­en Stadt für alle herauszuar­beiten: weniger Lärm, weniger Abgase, gesündere (weil radelnde) Bürger … Einige Städte haben diese Ziele bereits erreicht – zum Wohl aller Bürger.

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