Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Radbegehren: Eine Chance anzupacken
Die Initiatoren des Radbegehrens haben einen Nerv getroffen. Keine vier Wochen, nachdem sie im März ihre Sammlung gestartet hatten, waren bereits über 6000 Unterstützer zusammengekommen. Trotz coronabedingter, wochenlanger Pause sind nun 13 000 Unterschriften da – mehr, als es für einen Bürgerentscheid bräuchte.
Der große Zuspruch zeigt, dass ein fahrradgerechteres Augsburg der Wunsch vieler, aber längst nicht Realität ist. Er ist aber vor allem ein Hinweis darauf, dass die Bürger ihrer Stadtverwaltung offenkundig nicht zutrauen, das Ziel Fahrradstadt voranzutreiben. Also machen sie Druck, und das ist gut so.
Die Stadt hat ihr Ziel, bis 2020 ein Viertel des Verkehrs aufs Fahrrad zu verlagern, verfehlt. Augsburg steht bei 19,4 Prozent, viele Bürger klagen über fehlende Radwege, unklare Verkehrssituationen und – am schlimmsten – ein allgemein „mulmiges Gefühl“, wenn sie mit dem Rad in der Stadt unterwegs sind. Die Ausweisung einzelner Radspuren und die Vorstellung von Konzepten ändern daran erst einmal gar nichts. Es braucht ein großflächiges Konzept.
Genau genommen wird es darauf hinauslaufen, eine (Innen-)stadt, die verkehrstechnisch über Jahrzehnte mit Blick aufs Auto erschlossen wurde, komplett umzumodeln. Eine Mammutaufgabe, die planerisch nicht einfach zu lösen sein wird und die auch teuer kommt. Dennoch bietet das Radbegehren eine einmalige Chance. Mit der Unterstützung so vieler Menschen im Rücken dürfte es einfacher werden, auch unliebsame Entscheidungen zu treffen. Und die werden nötig sein. Oberbürgermeisterin Eva Weber hatte im Wahlkampf zwar betont, die Fahrradstadt nicht auf Kosten anderer Verkehrsteilnehmer entwickeln zu wollen. Doch alle gleichermaßen zu berücksichtigen, wird nicht funktionieren. Statt immer nur Probleme zu benennen, sollte die Stadt dazu übergehen, die Vorzüge einer autofreieren Stadt für alle herauszuarbeiten: weniger Lärm, weniger Abgase, gesündere (weil radelnde) Bürger … Einige Städte haben diese Ziele bereits erreicht – zum Wohl aller Bürger.