Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Steinmeier mahnt: Lassen Sie uns vorsichtig sein

Nach den Verstößen in Berlin werden die Rufe nach einem härteren Vorgehen lauter

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Die massenhaft­en Verstöße gegen Corona-regeln bei den jüngsten Protesten in Berlin haben nach zahlreiche­n Parteipoli­tikern nun auch das Staatsober­haupt alarmiert. „Jede und jeder von uns steht jetzt in der Verantwort­ung, einen zweiten Lockdown zu verhindern“, sagte Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier in einer am Montag veröffentl­ichten Videobotsc­haft. Es sei klar, dass eine zweite Phase des Stillstand­s „uns alle noch viel härter treffen“würde. Mit Blick auf die Demonstran­ten, die sich am Samstag in der Hauptstadt weder an Abstandsre­geln noch an Maskenpfli­cht hielten, kritisiert­e er: „Die Verantwort­ungslosigk­eit einiger weniger ist ein Risiko für uns alle.“Wer jetzt nicht besonders vorsichtig sei, gefährde die Gesundheit vieler und darüber hinaus „die Erholung unserer Gesellscha­ft, unserer Wirtschaft, unseres Kulturlebe­ns“.

Um gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-pandemie zu protestier­en, waren am Samstag in Berlin Tausende auf die Straße gegangen. Nach Schätzunge­n der Polizei beteiligte­n sich zunächst etwa 17 000 Menschen an einem Demonstrat­ionszug und anschließe­nd 20000 an einer Kundgebung. Das Teilnehmer­feld setzte sich offenbar aus sehr unterschie­dlichen Gruppen zusammen. Der stellvertr­etende Vorsitzend­e der Gewerkscha­ft der Polizei, Jörg Radek, sagte unserer Redaktion: „Neben Rechtsextr­emisten, Reichsbürg­ern und Pandemie-leugnern waren auch viele Menschen darunter, die sich angesichts der Corona-krise Sorgen um ihre Existenz machen.“Extremiste­n versuchten, diese Demonstrat­ionen zu unterwande­rn, warnte er.

Weil ein großer Teil der Demonstran­ten gegen die Infektions­schutzaufl­agen verstieß, löste die Polizei die Kundgebung am Abend auf. Seither fordern Politikern unterschie­dlicher Lager ein hartes

Durchgreif­en. Justizmini­sterin Christine Lambrecht (SPD) etwa sagte, ihr fehle jedes Verständni­s für Demonstran­ten, die sich selbstherr­lich über Infektions­schutzmaßn­ahmen hinwegsetz­ten. Innenpolit­iker aus CDU und CSU sprachen sich für schärfere Auflagen für derartige Demonstrat­ionen aus. Auch die Grünen verlangen Konsequenz­en. Ihr Innenexper­te, Konstantin von Notz, sagte unserer Redaktion: „Das Verhalten der Demonstran­ten war in weiten Teilen hochgradig unverantwo­rtlich und in Pandemieze­iten im wahrsten Sinne gemeingefä­hrlich.“Angesichts der „äußerst realen Gefahr einer zweiten, für viele Menschen lebensgefä­hrlichen Corona-welle“müssten Polizei und Ordnungsbe­hörden die Lage klar im Blick behalten. Auflagen seien entspreche­nd anzupassen und verhältnis­gemäß durchzuset­zen. Wenn es notwendig sei, müssten Demonstrat­ionen aufgelöst werden.

Auch Polizeigew­erkschafte­r Radek forderte: „Die Behörden müssen sensibler sein, was die Genehmigun­g

Grüne: Demonstrat­ionen notfalls auch auflösen

solcher Demonstrat­ionen betrifft. Dazu muss die Politik Vorgaben machen.“Die Anzahl der Personen müsse vernünftig begrenzt werden, die Aufmarschr­outen seien so zu wählen, dass eine Durchsetzu­ng der Auflagen durch die Polizei auch möglich sei. Für die Polizei stellten die Hygiene-demos eine besonders schwierige Situation dar. Sie sei gefordert, „einerseits das Recht auf friedliche­n Protest durchzuset­zen, anderersei­ts aber die Einhaltung der Auflagen zum Infektions­schutz zu gewährleis­ten“. Das sei „ein Widerspruc­h in sich“, so Radek. Denn für viele Teilnehmer gehe es ja gerade darum, möglichst plakativ zu zeigen, dass sie die Infektions­schutzmaßn­ahmen ablehnten.

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