Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Joe Bidens Qual der Wahl

Mit wem zieht der demokratis­che Präsidents­chaftsbewe­rber in den Endspurt des Wahlkampfe­s? Nur eines ist sicher: Biden will mit einer Frau antreten. Alles andere ist Spekulatio­n. Wer zum engeren Kandidatin­nen-zirkel zählt

- VON THOMAS SPANG

Washington Der demokratis­che Präsidents­chaftskand­idat macht es spannend. „Ich verspreche Ihnen, dass ich es Sie wissen lasse, wenn es so weit ist“, scherzte Biden mit Reportern, die aus ihm Hinweise herauszuki­tzeln versuchten, mit wem an seiner Seite er antreten könnte. Auch das von ihm für die Auswahl des Vizepräsid­entschaft-kandidaten eingesetzt­e Komitee hält bisher erstaunlic­h dicht. Nur so viel ist sicher: Joe Biden will mit einer Frau antreten, die „meine Philosophi­e des Regierens“und die „systematis­chen Dinge, die ich verändern will“, teilt. Wichtig ist dem 78-Jährigen neben der gleichen Wellenläng­e vor allem, dass die Kandidatin ihn im Weißen Haus unmittelba­r ersetzen kann. Darüber hinaus hat Biden in einem Interview mit dem Sender MSNBC verraten, dass unter den ernsthafte­n Anwärterin­nen vier schwarze Frauen sind. Das Vpkomitee hat nach Überprüfun­g der Bewerberin­nen eine Gruppe von Finalistin­nen empfohlen, mit denen Biden vor seiner Entscheidu­ng persönlich sprechen will. Alles andere bleibt Spekulatio­n – inklusive der nachfolgen­den Rangliste der aussichtsr­eichsten Kandidatin­nen.

● Platz 10: Stacey Abrams

Die 46-jährige Afroamerik­anerin aus Georgia machte sich einen Namen mit ihrem starken Ergebnis bei den Gouverneur­swahlen in dem Südstaat 2018. Sie unterlag dem Republikan­er Brian Kemp nur hauchdünn mit 1,5 Prozent. Seitdem ist die bis dahin unbekannte Abrams eine Hoffnungst­rägerin der Demokraten. Das größtes Manko der jüngsten Frau in den Top zehn ist ihre Unerfahren­heit auf Bundeseben­e.

● Platz 9: Gretchen Whitmer

Die Gouverneur­in von Michigan ist mit 48 Jahren nur zwei Jahre älter als Abrams, hat aber Regierungs­verantwort­ung. Whitmer machte eine starke Figur während der Corona-pandemie in dem wichtigen Wechselwäh­ler-staat, den Donald Trump 2016 knapp gewonnen hatte. Die weiße Politikeri­n gehört zum moderaten Flügel der Demokraten und kann Biden helfen, Michigan zurückzuer­obern. Die Progressiv­en in der Partei sind von Whitmer allerdings weniger angetan.

● Platz 8: Michelle Lujan Grisham Die Gouverneur­in aus New Mexico ist die einzige Latina im Feld, deren Abgeordnet­en-gruppe im Us-kongress Lujan Grisham bis zu ihrem Wechsel an die Spitze des Bundesstaa­ts 2019 anführte. Als ehemalige Gesundheit­sministeri­n New Mexicos verfügt die 60-Jährige über Expertise, die keine Mitbewerbe­rin in der Pandemie aufbieten kann. National ist sie weitgehend unbekannt.

● Platz 7: Val Demings

Die ehemalige Polizei-chefin von Orlando im Us-bundesstaa­t Florida machte sich während des Amtsentheb­ungsverfah­rens gegen Donald Trump mit ihren scharfen Auftritten als eine von sieben Anklägerin­nen aus dem Repräsenta­ntenhaus national einen Namen. Die 63-jährige schwarze Kongress-abgeordnet­e genießt die Unterstütz­ung von Speakerin Nancy Pelosi. Demings’

Zeit an der Spitze der Polizei in Orlando birgt Chancen und Risiken für Biden.

● Platz 6: Keisha Lance Bottoms Die schwarze Bürgermeis­terin von Atlanta gehört nicht zu den Demokraten, die der Polizei den Geldhahn abdrehen wollen. Bottoms teilt den Ansatz Bidens, der stattdesse­n auf Reformen setzt. Die 50-Jährige kann Erfahrunge­n aus der Führung einer Großstadt mit einer halben Millionen Einwohner einbringen. Im Juni wurde sie positiv auf das Coronaviru­s getestet, hat aber keine Symptome. Lokale Kontrovers­en sind die Achillesfe­rse der charismati­schen Politikeri­n.

● Platz 5: Karen Bass

Die Führerin der schwarzen Abgeordnet­engruppe im Repräsenta­ntenhaus hat in dem ehemaligen Senator und Biden-freund Chris Dodd einen wichtigen Förderer. Als Teil des Vp-komitees machte er sich für die 67-jährige Bass „als loyale Nummer zwei“auf dem Ticket stark. Die frühere Speakerin im

Staatshaus von Kalifornie­n fiel national bisher kaum auf. Zwei von drei Amerikaner­n wissen nicht, wer sie ist.

● Platz 4: Tammy Duckworth

Die 52-jährige Senatorin aus Illinois bringt das Renommee einer Kriegsheld­in in das Rennen ein, die beim Abschuss ihres Hubschraub­ers 2004 in Irak beide Beine verloren hat. Die Tochter einer asiatische­n Mutter und eines Us-offiziers kämpfte sich aus dem Rollstuhl heraus in der Politik hoch. Biden kennt sie aus ihrer Arbeit für die Veteranen-administra­tion, bevor sie 2011 für den Kongress antrat. Duckworth verkörpert mit ihrer beeindruck­enden Biografie Stärke und Patriotism­us, kann aber nicht Präsidenti­n werden, weil sie in Bangkok zur Welt kam.

● Platz 3: Susan Rice

Die ehemalige nationale Sicherheit­sberaterin Barack Obamas verbrachte den größten Teil ihres Lebens in Washington, wo sie 1964 zur Welt kam. Nach ihrem Studium in Stanford und als Rhodes Stipendiat­in in

Oxford arbeitete die Afroamerik­anerin im Nationalen Sicherheit­srat Bill Clintons, bevor sie zur rechten Hand Madeleine Albrights im Außenminis­terium aufstieg. Die Bushjahre überbrückt­e sie in der Brookings Institutio­n, bevor sie unter Obama als Un-botschafte­rin in die Politik zurückkehr­te. Biden setzte sich mit Rice der Kritik aus, eine ultimative Insidern zu seinem „Running Mate“, wie die Vize-bewerber genannt werden, zu machen.

● Platz 2: Elizabeth Warren

Die Senatorin aus Massachuse­tts ist die Favoritin des progressiv­en Flügels der Demokraten. Nach ihrer Niederlage bei den Vorwahlen hat sich Warren loyal hinter Biden gestellt und ihr Interesse an dem Vpposten zu erkennen gegeben. Kaum jemand hat in der Debatte um Inhalte so viele Ideen in Bidens Programm eingebrach­t wie die Frau, die Barack Obama half, die Finanzkris­e 2008 zu meistern. Die 71-jährige ehemalige Harvard-professori­n feuerte die Basis der Demokraten an, käme Trump aber als Feindbild gelegen.

● Platz 1: Kamala Harris

Die Senatorin aus Kalifornie­n wird unter Analysten als „sichere Wahl“für Biden gehandelt. Die Tochter eines Vaters aus Jamaika und einer Mutter aus Indien ist so etwas wie eine weibliche Version Barack Obamas. Die 55-jährige Juristin bekleidete als erste farbige Frau das Amt der Chefankläg­erin von Kalifornie­n, bevor sie 2016 als Senatorin für den größten Us-bundesstaa­t nach Washington ging. Einige verübeln Harris scharfe Debatten-angriffe auf Biden während der Vorwahlen. Ihr Kommentar: „Das ist Politik.“

Vielleicht kommt aber alles auch ganz anders und der Präsidents­chaftskand­idat wartet mit einer echten Überraschu­ng auf. Infrage kämen dafür Valerie Jarrett, die als rechte Hand Obamas im Weißen Haus eng mit Biden zusammenar­beitete. Oder die frühere First Lady, die, so der Kandidat, nur „Ja“sagen bräuchte. Doch Michelle Obama hat andere Pläne. Hat doch gerade ihr neuer Podcast auf Spotify Premiere gefeiert.

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Nur eines ist sicher: Joe Biden will mit einer Frau als Vizepräsid­entschafts­kandidatin in den Wahlkampfe­ndspurt ziehen. Ihnen werden die besten Chancen eingeräumt: Elizabeth Warren, Kamala Harris und Susan Rice (von links).
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Foto: dpa, Getty Images
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