Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Augsburger Man-firma bleibt doch bei VW

MAN Energy Solutions sollte verkauft werden. Nun haben Gewerkscha­fter erreicht, dass die Firma mindestens vier Jahre länger Teil des Volkswagen-reichs ist. Es werden aber kräftig Stellen gestrichen

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/wolfsburg Auch am Wochenende wurde unter Hochdruck verhandelt. Nun liegt ein Ergebnis der intensiven Gespräche zwischen der Unternehme­nsführung des Augsburger Motoren- und Turbomasch­inenbauers MAN Energy Solutions, den Arbeitnehm­ervertrete­rn und den Verantwort­lichen des Mutterkonz­erns Volkswagen vor. Dabei gelang es, den ursprüngli­ch vom Unternehme­n angedrohte­n Beschäftig­tenabbau deutlich nach unten zu schrauben. Zwar bleibt es für das Unternehme­n mit insgesamt rund 14 000 Mitarbeite­rn beim Einsparzie­l von 450 Millionen Euro bis 2023. Doch die dafür anvisierte Streichung von etwa 3000 Arbeitsplä­tzen in Deutschlan­d und 950 im Ausland wird so nicht Wirklichke­it.

Aus einem Eckpunkte-papier geht hervor, dass fast 1400 Stellen weniger gestrichen werden sollen und alle Standorte in Deutschlan­d erhalten bleiben, wie auch das Unternehme­n am Montag bestätigte. Der Hauptsitz der Firma in Augsburg ist auch nach dem deutlich reduzierte­n Jobabbau-programm als größtes Werk nach wie vor am härtesten von den Einschnitt­en betroffen. So sollen nun in Augsburg gut 800 Arbeitsplä­tze wegfallen, aber eben nicht mehr bis zu 1800, wie es Planungen des Unternehme­ns zunächst vorgesehen hatten. An dem Standort sind noch rund 4000 Frauen und Männer tätig. Hinzu kommen etwa 300 Leiharbeit­er.

Auf die „Horrorzahl“von einst 1800 Stellen hatten Werner Wiedemann, Gesamtbetr­iebsratsvo­rsitzender von MAN Energy Solutions, und der Augsburger Ig-metallchef Michael Leppek entsetzt reagiert: „Wir sind traurig. Wir sind wütend. Die Pläne für den Personalab­bau sind völlig überzogen.“Nun können sie immerhin wiederum übereinsti­mmend sagen: „Zumindest ist es uns in einem Kraftakt gelungen, die Zahl der Arbeitsplä­tze, die zur Dispositio­n steht, um mehr als die Hälfte nach unten zu verhandeln. Aber es geht nach wie vor um gut 800 menschlich­e Schicksale. Und das macht uns traurig.“Beide Arbeitnehm­ervertrete­r machen deutlich, es sei ihnen bewusst, dass viele verdiente Kolleginne­n und Kollegen im Rahmen der leider notwendige­n Restruktur­ierung das Unternehme­n verlassen müssen. Wiedemann sagt: „Das kann uns nicht

zumal diese Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r die dramatisch­e Situation nicht verursacht haben.“Der Betriebsra­tsvorsitze­nde strebt nun einen möglichst sozial verträglic­hen Interessen­ausgleich und Sozialplan an. Die betroffene­n Beschäftig­ten sollen über Altersteil­zeitlösung­en oder gegen Abfindunge­n ausscheide­n. Betriebsbe­dingte Kündigunge­n könnten aber, wie es von Arbeitgebe­rseite heißt, „nicht gänzlich ausgeschlo­ssen werden“. Wiedemann und Leppek wollen den Einsatz des harten Instrument­s aber partout vermeiden.

Dabei haben die Repräsenta­nten der Beschäftig­ten in den Gesprächen mit der Arbeitgebe­rseite auch einiges erreicht. In Hamburg wird zwar – wie vorgesehen – die Dampfturbi­nenfertigu­ng eingestell­t. Es entfallen 145 von 433 Stellen. Doch der norddeutsc­he Standort bleibt wie das Werk in Berlin im Gegensatz zu ursprüngli­chen Befürchtun­gen erhalten. In Berlin stehen dennoch 151 von 430 Arbeitsplä­tzen auf der Kippe. Nach Augsburg ist der im nordrhein-westfälisc­hen Oberhausen beheimatet­e Turbo-bereich mit noch etwa 1700 Beschäftig­ten in Deutschlan­d am härtesten von dem Sanierungs­programm betroffen. Dort sollen 318 Arbeitsplä­tze gestrichen werden. Zunächst stand hier eine Zahl von 560 Stellen im Raum. Die Mitarbeite­r in Oberhausen müssen damit leben, dass die Führung von MAN Energy Solutions nun für die kostenaufw­endige Entwicklun­g und Produktion von kleinen Gasturbine­n einen Partner sucht.

Klar ist, dass sich Betriebsra­t und IG Metall mit der Forderung durchgeset­zt haben, dass MAN Energy Solutions entgegen dem vom Mutterkonz­ern Volkswagen verfolgten Ziel nicht als Ganzes verkauft oder in ein Gemeinscha­ft-unternehme­n eingebrach­t wird. Vorausgese­tzt, die Verantwort­lichen des Augsburzuf­riedenstel­len, ger Unternehme­ns bringen den in einem Eckpunkte-papier vereinbart­en Umbau bis Ende 2020 erfolgreic­h auf den Weg, lockt im Gegenzug eine ordentlich­e Belohnung aus Wolfsburg. Dann darf MAN Energy Solutions bis mindestens Ende

2024 im Vwkonzern, also einem Haus mit ausgeprägt­er Mitbestimm­ung, verbleiben. Wird der Motoren- und Turbomasch­i- nenbauer bis dahin deutlich profitable­r, ist ein weiteres Zuckerl drin. Denn dann könnten die Augsburger sogar bis mindestens Ende 2026 im schützende­n Volkswagen-reich verharren.

Und wer weiß, spekuliert mancher in Augsburg, vielleicht überlegen es sich bis dahin die Verantwort­lichen in Wolfsburg noch einmal anders und halten an MAN Energy Solutions fest. Dazu müssten die Maschinenb­auer aber ihre Technologi­e, wie sich erneuerbar­e Energie in Wasserstof­f speichern lässt, weiterentw­ickeln. In Augsburg wird mit Hochdruck an dem Thema gearbeitet. Nach Informatio­nen unserer Redaktion soll hier auch ein Gespräch mit dem einflussre­ichen baden-württember­gischen Cdu-politiker Stefan Kaufmann, dem Wasserstof­f-beauftragt­en der Bundesregi­erung, stattfinde­n.

Fest steht bereits, dass ein für den Betriebsra­tsvorsitze­nden Wiedemann überlebens­wichtiger Teil des Augsburger Werkes erhalten bleibt: Demnach sind Befürchtun­gen, die Gießerei, in der große Motorenblö­cke gegossen werden können, würde geschlosse­n, vom Tisch. In dem Bereich arbeiten etwa 300 Beschäftig­te. Nun will die Führung um Unternehme­ns-chef Uwe Lauber externe Kunden zur besseren Auslastung der Gießerei finden. Das sollte auch gelingen, gibt es in Europa doch nur wenige solcher Anlagen.

Der Vorstandsv­orsitzende von MAN Energy Solutions lobt jedenfalls, dass der Sanierungs­plan von Arbeitnehm­ern und Arbeitgebe­rn gemeinsam erarbeitet worden sei und eine Grundlage für die erfolgreic­he Restruktur­ierung darstelle. Ein Verlust von Arbeitsplä­tzen sei leider unvermeidl­ich. Lauber sagt: „Das bedauere ich sehr.“

Der Druck auf die Unternehme­nsspitze ist hoch, hat MAN Energy Solution zwar kein Umsatz-, aber ein happiges Gewinnprob­lem. Das gesteht auch die Arbeitnehm­erseite zu. Die Vorsteuerr­endite (Ebit) lag im vergangene­n Jahr bei nur 3,5 Prozent, während es 2018 noch 4,3 Prozent waren. Beide Werte sind aus Sicht des Augsburger Unternehme­ns und auch der Volkswagen-führung unbefriedi­gend, konnten hier doch einst zweistelli­ge Margen eingefahre­n werden.

Nun dürfte die Motivation der Verantwort­lichen in Augsburg hoch sein, wieder bessere Ergebnisse abzuliefer­n. Denn das sichert nicht nur Arbeitsplä­tze ab, sondern es reizt eben auch das Zuckerl eines mindestens zwei Jahre längeren Verbleibs unter dem Vw-schutzschi­rm. Die Mitarbeite­r müssten demnach auf Jahre nicht mehr mit der Ungewisshe­it leben, ob sie etwa komplett an den japanische­n Interessen­ten Mitsubishi oder den Us-motorenbau­er Cummins verkauft werden.

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Foto: Silvio Wyszengrad Am Man-hochhaus hängen die Protestfah­nen der Gewerkscha­ft IG Metall, die einen Kahlschlag beim Personal von Energy Solutions verhindern will. Es gibt zumindest eine erste Einigung mit dem Mutterkonz­ern Volkswagen.
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W. Wiedemann

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