Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Commerzbank stellt sich neu auf
Ein größeres Debakel an der Firmenspitze ist kaum vorstellbar: Vor vier Wochen legten sowohl Bankchef Martin Zielke als auch Aufsichtsratsboss Stefan Schmittmann ihre Ämter nieder. Jetzt ist zumindest ein Nachfolger gefunden
Frankfurt am Main Die Commerzbank geht einen ersten Schritt aus ihrer Führungskrise. Der Aufsichtsrat des Frankfurter Geldhauses hat den früheren Vorstandschef der Landesbank Baden-württemberg, Hans-jörg Vetter, an die Spitze des Kontrollgremiums gewählt. Die Wahl stehe aber unter der Bedingung, dass der 67-Jährige gerichtlich als neues Aufsichtsratsmitglied bestellt werde, teilte die Commerzbank am Montag mit. Dies werde in den nächsten Tagen erwartet. Großaktionär Cerberus konnte die Wahl von Vetter nicht verhindern.
Bei dem Geldhaus war Anfang Juli ein Führungsvakuum entstanden, da sowohl der Aufsichtsratsvorsitzende Stefan Schmittmann als auch Konzernchef Martin Zielke nach Kritik von Investoren ihren Rücktritt ankündigten. Finanzinvestor und Commerzbank-großaktionär Cerberus hatte der Führungsspitze vorgeworfen, „über Jahre eklatant versagt“zu haben.
Vetter galt als Favorit für den Aufsichtsratsvorsitz. Der 67-Jährige war von 2009 bis 2016 Chef der Landesbank Baden-württemberg (LBBW) und schon einmal im Gespräch für die Aufsichtsratsspitze der Commerzbank. 2016 fiel die Wahl aber auf Schmittmann, der am
Montag abtrat. Vetter hat viel Restrukturierungserfahrung bei der LBBW gesammelt, die in der Finanzkrise ab 2007 in Schieflage geraten war. Zudem sanierte er die frühere Bankgesellschaft Berlin, die sich mit Immobilienengagements verhoben hatte. Allerdings fehle es ihm an Führungserfahrung in börsennotierten Unternehmen, monieren Kritiker.
Die wichtigste Aufgabe für Vetter wird die Suche nach einem Nachfolger für Konzernchef Zielke. Der neue Chef oder die neue Chefin muss dann eine neue Strategie für den Umbau der Bank umsetzen.
Den Vertrag mit Zielke wird die Bank spätestens zum 31. Dezember 2020 vorzeitig auflösen. Der Manager hatte eingeräumt, dass die im Herbst beschlossenen Maßnahmen nicht durchschlagend genug waren, um die Commerzbank im Zinstief profitabler zu machen.
Die Wahl von Vetter zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden geschah gegen den Willen von Finanzinvestor Cerberus, der nicht im Kontrollgremium vertreten ist und nicht abstimmen konnte. Die Commerzbank nimmt daher einen Konflikt mit dem Us-fonds in Kauf. Die Amerikaner sind verärgert, auch weil es vorab keinen Kontakt zu Vetter gab. Cerberus hatte zuvor Widerstand gegen Vetter geleistet und zwei eigene Kandidaten vorgeschlagen. Die schwierige Lage der Commerzbank erfordere einen Aufsichtsratschef, der den nötigen tiefgreifenden Umbau „mit initiieren und überzeugend begleiten“könne, hatte Cerberus in einem Brief an den Aufsichtsrat geschrieben. „Wir haben ernsthafte Zweifel, dass Hansjörg Vetter die richtige Person für diese Aufgabe ist und über die richtige Erfahrung hierfür verfügt.“
Ein gutes Verhältnis zu dem Finanzinvestor ist für den künftigen
Kurs der Bank wichtig: Cerberus ist mit einem Anteil von gut fünf Prozent zweitgrößter Commerzbankaktionär nach dem Bund, der das Institut in der Finanzkrise gerettet hatte und 15,6 Prozent hält.
Die doppelte Rücktrittserklärung von Schmittmann und Zielke hatte die Commerzbank mitten in der Debatte um eine neue Strategie getroffen. Auf dem Tisch liegen dem Vernehmen nach Pläne, Stellenabbau und Filialschließungen deutlich zu verschärfen. Demnach könnte die Zahl der zuletzt knapp 40 000 Vollzeitstellen um bis zu ein Viertel gekappt und das Filialnetz erheblich verkleinert werden. Zu allem Übel erschwert die Corona-krise der Bank das Geschäft.
Wenn das Geldhaus am Mittwoch Zahlen für das zweite Quartal vorlegt, erwarten Analysten nur einen kleinen Gewinn. Für das Gesamtjahr und 2021 rechen die Experten mit einem Verlust. Ursprünglich wollte die Commerzbank am Mittwoch auch eine neue Strategie vorstellen. Das aber ist in weite Ferne gerückt. Investoren und Aufsichtsräte pochen auf einen geordneten Prozess: Erst ein neuer Aufsichtsratschef, dann die Neubesetzung der Vorstandsspitze, dann die Festlegung der Strategie.