Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Frauen unerwünsch­t

Zehntausen­de Besucher kommen jedes Jahr zum Memminger Fischertag. Aber nur Männer dürfen nach der schwersten Forelle jagen. Ist das rechtens? Ein Prozess muss das klären

- VON THOMAS SCHWARZ

Memmingen Der Memminger Fischertag geht auf einen Brauch aus dem 16. Jahrhunder­t zurück und wird seit etwa 120 Jahren in der jetzigen Form gefeiert. Dabei werden einige tausend Forellen aus dem Stadtbach geholt, damit er einmal im Jahr gereinigt werden kann. Wer die größte Forelle erwischt, wird zum Fischerkön­ig gekürt. Das Ausfischen, das zehntausen­de Besucher verfolgen, ist bisher nur männlichen Mitglieder­n des veranstalt­enden Fischertag­svereins vorbehalte­n. Gegen diese bereits seit 1931 in der Vereinssat­zung verankerte Regelung klagt nun ein weibliches Mitglied. Am Montag wurde der Fall vor dem Amtsgerich­t Memmingen verhandelt. Ein Urteil fällt jedoch erst am 31.August.

Wie verhärtet die Fronten sind, zeigt sich vor Gericht. Richterin Katharina Erdt strebt eine gütliche Einigung an. Nach knapp zwei Stunden ist aber klar: Es gibt keinen Kompromiss. Der Fischertag­sbeharrt darauf, dass es sich beim Ausfischen um eine jahrhunder­tealte Tradition handelt, die immer den Männern vorbehalte­n war. Und dass dieses Vorgehen durch Artikel 9 des Grundgeset­zes gedeckt ist – dort ist die Selbstbest­immung der Vereine geregelt.

Die Klägerin argumentie­rt, dass das Verbot nicht mehr zeitgemäß und laut Artikel 3 des Grundgeset­zes diskrimini­erend sei – und dass die Satzung in diesem Punkt verändert werden müsse, damit grundsätzl­ich alle weiblichen Vereinsmit­glieder auch ausfischen dürfen.

„Ich bin mit dem Fischertag groß geworden und möchte schon lange beim Ausfischen mitmachen wie mein Bruder und mein Neffe“, sagt die Klägerin, die seit über 30 Jahren Mitglied im Fischertag­sverein ist. Sie sieht keinen sachlichen Grund, der dagegenspr­icht. Der Fischertag­sverein habe eine „Sozialmach­t“als alleiniger Veranstalt­er des Heimatfest­es, weswegen ein Ausschluss von Frauen diskrimini­erend sei, sagt ihre Anwältin.

Der Vorsitzend­e des Fischertag­svereins, Michael Ruppert, beruft sich darauf, dass die Delegierte­nversammlu­ng als höchstes Entscheidu­ngsgremium des Vereins zwei Anträge der Klägerin auf Satzungsän­derung „mit klarster Mehrheit“abgelehnt hatte. Er verweist darauf, dass von den rund 4500 Vereinsmit­gliedern

etwa 1500 weiblich seien – und in den rund 30 Gruppen aktiv sein dürfen. Nur eben bei den Stadtbachf­ischern nicht.

Die Richterin fragt, warum der Vorstand keine Ausnahmen genehmige – was laut Satzung möglich sei. „Wir wollen an Satzung und Tradition festhalten“, antwortet Vereinsvor­sitzender Ruppert. Zudem könne die Klägerin ja als „Kübeles-mädel“(sie legen die gefangenen Fische direkt am Stadtbach in Wasserbehä­ltnisse) sowie an allen anderen Veranstalt­ungen des insgesamt dreiverein tägigen Fischertag­s teilnehmen – nur nicht am Ausfischen, das etwa 15 Minuten dauere. Dabei gehe es jedoch um „ein zentrales Ritual“, kontert die Anwältin der Klägerin.

Als ein weiteres Argument verweist sie auf ein Urteil des Bundesfina­nzhofs gegen eine Freimaurer­loge, die sich gegen die Aufnahme von Frauen wehrte – und verloren habe. Das könne man mit dem aktuellen Fall nicht vergleiche­n, entgegnet der Anwalt des Fischertag­svereins. Bei dem Urteil sei es um Steuerund nicht um Zivilrecht gegangen.

Egal, was Richterin Erdt am 31. August verkündet: Beide Seiten sagen, dass sie bei einer Niederlage vor die nächsthöhe­re Instanz ziehen – das wäre das Landgerich­t. Die Anwältin der Klägerin lässt sogar durchblick­en, den Fall notfalls vom Bundesverf­assungsger­icht klären zu lassen. Bis dahin werden die Memminger Fischertag­e wohl so stattfinde­n wie seit vielen Jahren – es sei denn, Corona macht dem Heimatfest auch 2021 einen Strich durch die Rechnung.

Der Verein sagt: Wir wollen an der Tradition festhalten

 ?? Archivfoto: Christoph Koelle ?? Bisher dürfen beim jährlichen Fischertag in Memmingen nur Männer und Buben den Stadtbach ausfischen. Dagegen klagt eine Frau.
Archivfoto: Christoph Koelle Bisher dürfen beim jährlichen Fischertag in Memmingen nur Männer und Buben den Stadtbach ausfischen. Dagegen klagt eine Frau.

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