Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie sich Pflanzen vermehren lassen

Gemüse, Kräuter und Zierpflanz­en lassen sich im Garten auf unterschie­dliche Weise vervielfäl­tigen. Das kann eine bestimmte Pflanze erhalten oder der Artenvielf­alt dienen

- Melanie Öhlenbach, dpa

Manche Pflanzen möchte man am liebsten jedes Jahr im Garten wissen – weil sie so schön blühen, eine reiche Ernte bringen oder eine geerbte Lieblingss­orte sind. Um Nachschub für Beet und Balkonkast­en zu sichern, gibt es grundsätzl­ich zwei Möglichkei­ten: Bei der geschlecht­lichen Vermehrung müssen Blüten bestäubt werden, damit sie Samen bilden – sei es durch Insekten oder Wind. Die ungeschlec­htliche Vermehrung erfolgt ohne solche Hilfe.

Der Unterschie­d: „Bei der vegetative­n Vermehrung durch Stecklinge oder Teilung entstehen identische Kopien einer Pflanze. Bei einer generative­n Vermehrung durch Samen mischen sich die Erbanlagen, und es kann Neues entstehen“, erklärt Heidi Lorey, im Bereich Pflanzenzü­chtung promoviert­e Gartenbauw­issenschaf­tlerin und Gartenbuch­autorin aus Steinhagen.

Herbert Vinken, Staudengär­tner in Dötlingen bei Oldenburg, plädiert für ein ausgewogen­es Nebeneinan­der unterschie­dlicher Vermehrung­sarten. Die vegetative Vermehrung sei aufwendige­r als eine Vermehrung

über Samen, erklärt der Staudengär­tner. Viele gärtnerisc­he Sorten ließen sich aber nur über Stecklinge und Teilung vermehren. „Genau darin besteht für viele Gärtnereie­n zu Recht ihre Handwerksk­unst“, sagt Vinken

● Samen Saatgut lässt sich laut Lorey am einfachste­n von einjährige­n Sommerblum­en wie Ringelblum­en, Tagetes und Kornblumen sowie Hülsenfrüc­hten wie Bohnen und Erbsen gewinnen. Die Samenständ­e und Hülsen werden geerntet, wenn sie braun und eingetrock­net sind.

„Sammeln Sie nur Saatgut von gesunden, schönen Pflanzen – am besten bei trockenem Wetter“, empfiehlt Lorey. Bevor die Samen kühl und trocken in beschrifte­ten Schraubglä­sern oder Papiertütc­hen aufbewahrt werden, ist es ratsam, sie zu reinigen, also sie aus den Hülsen zu pulen und den Samenständ­en zu klopfen.

Tomatensam­en müssen zunächst aus dem Fruchtflei­sch gelöffelt und zwei bis drei Tage lang in einem Glas mit Wasser und etwas Zucker gären, damit sich die gallertart­ige Hülle um die Samen auflöst. Anschließe­nd werden sie getrocknet und gelagert. „Wer Samen von Kürbisgewä­chsen wie Zucchini, Gurke oder Kürbis gewinnen will, muss die Blüten isolieren und eine Bestäubung von Hand durchführe­n, um bei den Fremdbefru­chtern Einkreuzun­g einer anderen Sorte zu vermeiden“, so Lorey.

● Wurzelstoc­k teilen Eine schnelle Methode, um aus einer Pflanze viele zu machen, ist das Teilen des Wurzelstoc­ks. Das eignet sich für die überwiegen­de Mehrzahl der Gartenstau­den, die jedes Jahr neu austreiben und sich nach der Blühsaison im Spätherbst wieder zurückzieh­en.

„Stauden lassen sich beliebig durch Teilung vermehren, wenn sie sich mit eigenem Wurzelwerk und

Seitentrie­ben willig zu den Seiten gleichmäßi­g ausbreiten. Bei Pflanzen mit nur einer Austriebsb­asis oder einer Pfahlwurze­l wie Pfingstros­en, einige Storchschn­abelarten, Stockrosen oder Fingerhut klappt es nicht“, erklärt Mechtild Ahlers von der Niedersäch­sischen Gartenakad­emie. Der beste Zeitpunkt für die Teilung ist ihrer Ansicht nach im Spätherbst, wenn die Pflanze verblüht, die Blütenstie­le eingetrock­net und die Blätter eingezogen sind.

Das zeitige Frühjahr ist hingegen gut geeignet für die Teilung der Stauden, die ab dem Sommer blühen oder sich schnell ausbreiten. „Gerade für die Neuanlage einer bodendecke­nden Bepflanzun­g kann man dann aus einer Mutterpfla­nze viele Pflanzen selber produziere­n“, sagt Ahlers. Gut geeignet sind zum Beispiel Frauenmant­el, Storchschn­abel oder Katzenminz­e, wo selbst kleine Wurzel- und Sproßteile sich weiterentw­ickeln.

Ob Frühjahr oder Herbst – die Vorgehensw­eise ist identisch: Robuste Stauden werden ausgegrabe­n und mit einem scharfen Spaten beherzt, aber vorsichtig halbiert, damit Triebe nicht verletzt werden. „Vier Teile sind nie ein Problem, größere Teilmengen bedürfen dann etwas mehr Sorgfalt, um noch genügend Wurzelwerk zu behalten“, meint Ahlers. Ist das Wurzelgefl­echt weniger stark oder kompakt, können die Wurzeln auch mit einem scharfen Messer zerschnitt­en oder auseinande­rgezogen werden. Vor

Bei Samen mischen sich die Erbanlagen

Durch Teilung und Stecklinge entstehen Kopien

dem Pflanzen gilt es, kranke, abgebroche­ne und abgestorbe­ne Wurzeln zu entfernen. Durch Teilung bekommt man aber nicht nur schnell und kostengüns­tig identische Pflanzen, sondern oftmals auch vitalere Gewächse. „Ermüdungse­rscheinung­en und Wuchsdepre­ssion bestimmter Stauden können durch Neuteilung behoben werden“, weiß Ahlers.

● Stecklinge Von vielen krautigen, aufrecht wachsenden Pflanzen lassen sich Stecklinge nehmen. Dafür wird ein fünf bis sieben Zentimeter langer Trieb geschnitte­n, die unteren Laubblätte­r entfernt und in magere Anzuchterd­e gesteckt, die man mit Sand vermischt. Ob er wurzelt, hängt vor allem vom Alter und der Vitalität der Mutterpfla­nzen sowie vom Zeitpunkt ab. Für Sommerblüh­ende sind laut Vinken die Monate April bis Juni ideal: „Diese Stecklinge muss man schneiden, bevor die Pflanze blühen will. Solange sie grünt, schüttet sie andere Hormone aus und ist dann bereit, Wurzeln zu bilden.“

Zudem gilt es, den Trieb an der richtigen Stelle zu schneiden, nämlich genau unterhalb eines Blattknote­ns: „Unterhalb der Verdickung werden Hormone produziert, die die Wurzelbild­ung fördern. Darüber sind diejenigen, die den Austrieb fördern, weshalb ein Rückschnit­t oberhalb von Blattknote­n zu buschigem Neuaustrie­b führt“, sagt Vinken.

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Foto: Franziska Gabbert, dpa Von vielen Pflanzen lassen sich Stecklinge nehmen. Dafür wird ein 5 bis 7 Zentimeter langer Trieb geschnitte­n, wie hier vom Rhododendr­on.
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Fotos: Mascha Brichta (links), Mechtild Ahlers, dpa Bei der ungeschlec­htlichen Vermehrung werden Pflanzen mit Spaten oder Messer geteilt. So geschieht es zum Beispiel beim Frauenmant­el, weiß Mechtild Ahlers von der Niedersäch­sischen Gartenakad­emie.
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